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Katholische Kirche im Clinch

Pfarrer Franz Sabo möchte wieder legal in Röschenz predigen. Keystone

Neue Runde im Zwist zwischen dem Bischof von Basel und dem aufmüpfigen Priester Franz Sabo: Ein weltliches Gericht entscheidet, ob Sabos Rauswurf rechtens ist.

Die katholische Kirche sieht sich aber auch noch mit anderen Herausforderungen konfrontiert: Umgang mit Kritikern, Patchworkfamilien, multireligiösen Eheschliessungen oder die Behandlung des werdenden Lebens.

Rein formell handelt es sich um eine Beschwerde der Kirchgemeinde Röschenz gegen den Entscheid des Baselbieter Landeskirchenrates vom Juni 2006.

Dieser hatte die Röschenzer Kirchgemeinde – Franz Sabos Arbeitgeberin – angewiesen, den Pfarrer zu entlassen. Begründung: Das Vertrauensverhältnis zwischen Sabo und dem Bischof von Basel, Kurt Koch, sei zerrüttet.

Nun muss das Kantonsgericht Baselland entscheiden, ob die 2005 entzogene Missio canonica rechtens ist, da Schlichtungsversuche keinen Erfolg zeigten. Das Urteil soll am 5. September verkündet werden.

Der «Fall Sabo» geht auf das Jahr 2003 zurück, als Franz Sabo in einem Zeitungsartikel scharfe Kritik an Bischof Kurt Koch übte. Er bezeichnete ihn als «Funktionär», der den Puls der Zeit nicht wahrnehme.

Der beliebte Sabo hielt mit der Unterstützung der Kirchgemeinde Röschenz auch nach dem Entzug der Missio canonica bis heute Gottesdienste ab.

Aufmüpfige Priester

Franz Sabo ist einer der katholischen Amtsträger, die sich in der Gesellschaft kritisch mit der katholischen Kirche auseinandersetzen.

Ganz geschickt in die Öffentlichkeit gestellt hat sich der Jesuit Lukas Niederberger, der vor kurzem Priesteramt und Orden verlassen hat. Er nimmt gegenüber der katholischen Kirche kein Blatt vor den Mund. So bezeichnet er die Kirche als autistisch und sklerotisch, ihre konservative Rhetorik würge alle Diskussionen ab.

Weit aus dem Fenster lehnte er sich auch mit seiner Einschätzung zur jüngsten Ernennung des Churer Bischofs: Die Domherren hätten «quasi nur zwischen Pest, Cholera und Aids auswählen» können.

Ruhiger und weniger öffentlichkeitswirksam agierte Hansjörg Vogel. Weil er Vater wurde, trat der frühere Bischof von Basel 1995 von seinem Amt zurück. Er heiratete und ist heute Integrationsbeauftragter des Kantons Luzern.

Die Dunkelziffer von in hetero- oder homosexuellen Beziehungen stehenden Priestern ist hoch. Die katholische Kirche will da keine Angaben machen.

«Viri probati»

Tatsächlich entwickelt sich das Ehelosigkeit-Gelöbnis für Priester zunehmend zu einem Personal- und Rekrutierungsproblem für die katholische Kirche. Ein immer wieder genannter Ausweg bei Reformvorschlägen könnten die so genannten «Viri probati» sein, die «erprobten Männer».

So gibt es in Deutschland und Österreich zum Katholizismus konvertierte verheiratete Priester (zum Teil mit Kindern), die nach römisch-katholischem Ritus die Messe feiern dürfen. Einzige Bedingung: Sie müssen bereits vor ihrer Priesterweihe verheiratet gewesen sein.

Das gibt es in der Schweiz nicht. Giovanni Meier, Archivar bei der Schweizerischen Bischofskonferenz, sagt gegenüber swissinfo: «Zuerst muss eine gesamtkirchliche Lösung gefunden werden.» Also eine vom Vatikan abgesegnete.

In der Schweiz hätten jedoch auch schon Witwer ein Theologiestudium absolviert und die Missio canonica erhalten, so Meier.

Weitere Probleme

Das Zölibat ist nur eines der Probleme der katholischen Kirche, die in einer breiteren Öffentlichkeit Beachtung finden.

Immer wieder Gesprächsstoff bietet der Umgang mit internen Kritikern (Befreiungstheologen, Professor Hans Küng). Aber auch die Einsetzung umstrittener Bischöfe wie Wolfgang Haas im Bistum Chur, der nach sieben Amtsjahren 1997 nach erbitterten Protesten aus dem Volk nach Liechtenstein «weiterbefördert» wurde.

Weiter zu reden geben das geplante Predigtverbot für Frauen oder die kürzlich erfolgte Rückkehr zur lateinischen Messe. Für viele Gläubige unverständlich bleibt auch die Haltung der katholischen Kirche zu Themen wie Schwangerschaftsverhütung oder –abbruch, multireligiöse Ehen, Scheidung, Patchworkfamilien oder der Anspruch, als einzige Kirche den «wahren Glauben» zu repräsentieren.

swissinfo, Etienne Strebel

Die Missio canonica ist in der katholischen Kirche einerseits der Seelsorge-Auftrag für einen Priester, andererseits die kirchliche Unterrichtserlaubnis.

Mit Antragstellung der Missio canonica gibt der Religionslehrer das Versprechen ab, den Religionsunterricht in Übereinstimmung mit der Lehre der katholischen Kirche zu erteilen. Und ein gottgefälliges Leben zu führen, das heisst, sein Leben an die Grundsätze der kirchlichen Lehre auszurichten.

Im Jahr 2000 zählte die Schweiz gemäss eidg. Volkszählung 3’047’887 Katholikinnen und Katholiken (41,82% der Gesamtbevölkerung).

1990: 3’172’321 (46,15%)

1980: 3’030’069 (47,60%)

1970: 3’096’654 (49,39%)

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