Kopftuch-Frage im Basler Grossen Rat
Eine junge Muslimin, die am 24. Oktober für den Basler Grossen Rat auf der CVP-Liste kandidiert, hat die Kopftuch-Debatte wieder aufs Tapet gebracht.
Kadriye Koca, 32, kam mit 15 Jahren in die Schweiz. Das Kopftuch ist für sie das Zeichen ihres Glaubens und sie möchte es gern weiter tragen, falls sie gewählt würde.
Inzwischen stellt man sich in Basel wieder die Frage, ob eine Muslimin, die einen Schal trägt, wirklich als in der Schweiz integriert gelten könne.
Kadriye Koca kandidiert für die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP), eine Partei, die stolz auf ihre katholischen Ursprünge ist. Im Parteiprogramm steht aber auch, dass man in der Tradition christlicher Werte stehe, sich aber nicht über eine bestimmte Konfession definiere.
Dennoch kann Koca als eine der 130 Kandidatinnen und Kandidaten auf der Liste der Partei kaum sicher sein, einen Sitz im Grossen Rat (Parlament) des Kantons Basel-Stadt zu gewinnen.
Ein Risiko
Rita Schill vom Partei-Sekretariat der Stadt Basel gibt zu, dass die CVP mit dieser Kandidatin Wählerinnen und Wähler von der Partei entfremden könnte. Andererseits sei Koca sehr aktiv und würde eine gute Grossrätin abgeben.
«Kadriye Koca gilt als gutes Beispiel einer türkischen Frau, die sehr gut in der Schweiz integriert ist», sagt Schill gegenüber swissinfo. Da sie ihre Religion praktiziere, sei ihr Tuch eben wichtig für sie.
«Ich weiss, dass einige Leute nicht gut auf das Kopftuch zu sprechen sind, doch wir möchten nicht regeln, was die Leute anziehen sollen», so Schill. Koca sei eine intelligente junge Frau, die das Parteiprogramm gut begriffen habe.
«Ich glaube, sie wäre gut für einen Platz im Grossrat geeignet und würde sich den Respekt der anderen verschaffen», so Schill.
Kopftuch ja oder nein?
Gegenüber swissinfo wollte Kadriye Koca nicht auf die Frage eingehen, ob sie nach einer allfälligen Wahl auf dem Tragen ihres Kopftuches beharren würde.
Abdul R. Furrer von der rechtsbürgerlichen Schweizerischen Bürger-Partei (SBP) hat im Grossen Rat eine Motion eingereicht, in der er aufruft, alle religiösen Symbole im Basler Rathaus zu verbieten.
Die Wahlen fallen in einen Zeitpunkt, in dem die islamische Kopftuch-Frage ohnehin wieder ins Rampenlicht rückt.
Denn die Migros, die grösste Detailhandels-Kette des Landes, hat kürzlich angeordnet, dass ihr Laden-Personal kein Kopftuch tragen dürfe. Jene, die sich nicht daran halten, riskieren, dass ihr Arbeitsplatz verlegt wird – dorthin, wo kein Kontakt zu Kunden mehr besteht.
Migros› Konkurrenz Coop soll seinem Personal das Tragen eines Kopftuchs erlauben. Die Grossbanken Credit Suisse und UBS halten dagegen fest, dass ein solcher Schal nicht zu den Kleidungs-Richtlinien passe.
Meinung eines Bundesrats
Auch Bundesrat Moritz Leuenberger hat sich in die Debatte eingeschaltet. In einem Artikel der «NZZ am Sonntag» warnt der Minister, ein Kopftuch-Verbot, wie es beispielsweise in französischen Schulen herrscht, könnte die Integration in der Schweiz erschweren.
Verstösse gegen die Religionsfreiheit könnten die Musliminnen dazu bringen, erst recht an ihrer Religion festzuhalten, schreibt Leuenberger. «Dies würde ihre Integration in die Schweizer Gesellschaft erschweren.»
Doch für Kadriye Koce muss Religion nicht ein Hindernis sein, sich in der Schweiz zu Hause zu fühlen. «Ich möchte etwas beitragen, weil man mich hier so akzeptiert hat, wie ich bin», sagte sie gegenüber dem «Tages-Anzeiger».
Und falls sie es diesmal nicht in den Grossen Rat schafft, dann will sie es in vier Jahren nochmals versuchen.
swissinfo, Morven McLean
(Aus dem Englischen von Alexander Künzle)
Religion in der Schweiz (Jahr 2000):
42% Katholiken
35% Protestanten
11% Atheisten
4% Muslime
1,8% Orthodoxe
0.2% Juden
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