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Lange Nächte in der Sixtinischen Kapelle

Minutiöse Arbeit: Jede einzelne Orgelpfeife wurde kontrolliert und perfekt intoniert. swissinfo.ch

Die Sixtina ist ein katholisches Heiligtum und das Herz der vatikanischen Museen. Dort hat der Schweizer Hermann Mathis sein jüngstes Meisterwerk zusammengesetzt.

swissinfo hat dem Orgelbauer eine Nacht beim Stimmen über die Schulter geschaut.

Nach fast zwei Jahren Vorbereitung sowie einigen Monaten Bauzeit und Montage ist die neue Orgel der Sixtinischen Kapelle in Rom bereit. Für das Instrument ist ein Platz am Längsschiff reserviert – unter den berühmten Fresken Michelangelos.

Die Sixtinische Kapelle wurde von Giovanni de’Dolci unter Papst Sixtus IV in den Jahren 1477 bis 1482 als päpstliche Hauskapelle erbaut. Das am 15. August 1483 der Jungfrau Maria geweihte Gotteshaus dient traditionsgemäss als zeremonielles Zentrum des Vatikans: Dort finden die Versammlungen der Kardinäle und das Konklave zur Wahl eines neuen Papstes statt und Hochämter werden gefeiert.

Zur Ausgestaltung des Innenraums wurden die besten Künstler der damaligen Zeit engagiert. Die Seitenwände sind mit Fresken von Botticelli, Perugino und Ghirlandaio geschmückt. Die Decke und Ostwand mit dem jüngsten Gericht sind Meisterwerke von Michelangelo. Für den Orgelbauer Hermann Mathis und den Holzbildhauer Joseph Schibig war dieses Ambiente eine echte Herausforderung.

Die Konfrontation mit den Meistern der Kunstgeschichte war keineswegs einfach. Aber das Ergebnis in edlem Nussbaumholz lässt sich sehen. Die Verzierungen an der Orgel spielen direkt auf Motive in den Fresken an.

Eine biblische Akustik

Während des Tages bildet die Sixtinische Kapelle das Herz der Vatikanischen Museen. Abertausende von Besuchern ziehen hier durch – den Kopf immer nach oben gerichtet -, um die Meisterwerke der Malerei zu bestaunen. Die Geräuschkulisse ist fast unerträglich.

Erst gegen sieben Uhr abends hört der Besucherstrom auf, kehren Ruhe und Frieden im Vatikan ein. Es ist genau der Moment, in dem für Mathis und seinen Assistenten die Arbeit beginnt.

Der Kirchenraum hallt leer. Aber Mathis sorgt sich nicht: «Die Proportionen dieses Saales ermöglichen eine perfekte Akustik.» Es sind biblische Proportionen, ganz in Analogie zum historischen Tempel des Salomon in Jerusalem: Die Breite entspricht der halben Höhe und einem Drittel der Länge.

Obwohl dieses Gotteshaus «Sixtinische Kapelle» heisst, ist es mit einer Länge von 41 Metern so gross wie durchschnittliche Pfarrei-Kirchen in der Schweiz.

Nächtliche Arbeit

Eine Woche lang haben die Orgelbauer aus Näfels im Kanton Glarus das Instrument im Vatikan montiert.

Danach folgten Intonation und Klanggestaltung: Jede Orgelpfeife musste austariert werden, Note um Note, Akkord um Akkord. Bei jeder neuen Taste, jedem Ton schreitet der Tongestalter durch den Raum, um die Akustik zu prüfen und zu perfektionieren.

Elektronische Messgeräte helfen beim akustischen Ausleuchten des Instruments, doch am Ende ist das Ohr und die Hand des Klangestalters entscheidend. Die Zungen der Orgelpfeifen werden bis zur Perfektion geschliffen. Dreizehn Nächte wiederholt sich diese Prozedur, bis alle 787 Pfeifen eingerichtet sind.

Es sind lange Nächte in der Sixtinischen Kapelle. Erst um sieben Uhr morgens verlassen die beiden Instrumentenbauer, Mathis und sein Assistent, den heiligen Ort. Sie gehen in die Kaserne, um dort zusammen mit den Schweizer Gardisten das Morgenessen einzunehmen. Mathis liebt diesen Brauch: «Es sind sympathische junge Leute; viele reden Deutsch und sind äusserst hilfsbereit.»

Der grosse Tag

Nach 13 Nächten nimmt aber die Müdigkeit zu. «Wir haben tagsüber geschlafen, um nachts arbeiten zu können. Man gewöhnt sich daran, aber es ist hart. Ausser der sixtinischen Kapelle habe ich in Rom nichts gesehen», sagt Mathis› junger Assistent.

Doch Hauptsache ist: Die Arbeit konnte programmgemäss beendet werden. Es gab keine unangenehmen Überraschungen. Alles ging nach Plan. Und bis zur Einweihung und Weihe des Instruments blieben sogar noch einige Tage, um Rom touristisch zu erkunden.

Die Aufsichtsperson in der Sixtinischen Kapelle ist begeistert: «Ein wunderschönes Instrument.»

Die Weihe erfolgte am 14.Dezember in Anwesenheit von illustren Bewohnern des Vatikans. Die Sixtinische Kapelle, ein Kultort des Katholizismus, hat eine neue Orgel. Das Instrument soll dort einige Jahrhunderte bleiben.

swissinfo, Daniele Papacella, Vatikanstadt
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Eine Woche dauerte die Montage der in der Schweiz gebauten Orgel. Weitere 13 Tage waren nötig, um die Töne exakt abzustimmen.

In langer Nacht-Arbeit haben der Schweizer Orgelbauer Hermann Mathis und sein Assistent ein wertvolles Instrument für den Vatikan geschaffen.

Am 14. Dezember 2002 wurde die Orgel durch Kardinal Staatssekretär Angelo Sodano geweiht.

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