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Mohammed-Karikaturen: Ein Fall für die Justiz?

Ein pakistanischer Journalist protestiert vor der dänischen Botschaft in Islamabad. Keystone

Rechtsexperten in der Schweiz sind sich nicht einig, ob eine Veröffentlichung der umstrittenen Mohammed-Karikaturen Schweizer Recht verletzt.

Gemäss Strafgesetzbuch kann mit einer Gefängnisstrafe gebüsst werden, wer in offener und gemeiner Weise den religiösen Glauben anderer verleumdet oder verspottet.

Im benachbarten Frankreich hatten muslimische Gruppen ein juristisches Verbot für die Veröffentlichung der zuerst in einer dänischen Zeitung erschienenen Mohammed-Karikaturen im Magazin Charlie Hebdo beantragt. Ein Gericht lehnte das Ansinnen jedoch ab.

Die Kläger argumentierten, die Publikation der Karikaturen – einschliesslich jener, die den Propheten Mohammed mit einem Turban zeigt, in dem eine Bombe steckt –, verletze ihre religiösen Gefühle. Wegen Formfehlern wurde die Klage jedoch abgelehnt.

In der Schweiz gab es schon Boykottaufrufe gegen jene Zeitungen, welche die Karikaturen auch veröffentlicht hatten. Vor Gericht zitiert wurde aber bisher keine.

Daniel Häusermann von der Forschungsstelle für Informationsrecht an der Universität St. Gallen ist jedoch der Ansicht, wenn das jemand tun würde, bestünden gute Aussichten, einen Prozess zu gewinnen.

«Es gibt gute Gründe dafür zu sagen, dass einige Darstellungen von Mohammed eine Beleidigung für Muslime sind», sagt Häusermann.

«Die Rechtssprechung in der Schweiz ist nicht sehr klar in der Frage, was das Ausmass der Beleidigung angeht. Als Test kann man untersuchen, ob ein durchschnittliches Mitglied der betroffenen Religionsgemeinschaft glaubt, dass seine Gefühle durch diese Karikaturen ernsthaft verletzt werden.»

Wenn die Antwort «ja» sei, dann gebe es eine gute Wahrscheinlichkeit, «dass jemand für die Veröffentlichung dieser Karikaturen verurteilt werden könnte», sagt Häusermann.

Präzedenzfall

Häusermann sagt jedoch, dass bis jetzt relativ wenige Fälle nach Artikel 261 des Strafgesetzbuches entschieden wurden. Daher sei es schwierig vorauszusagen, was geschehen würde.

Er weist auf einen Fall von 1971 hin, der als Präzedenzfall herangezogen werden könnte. Damals druckte die Boulevard-Zeitung Blick ein Walt-Disney-Schwein in der Haltung von Jesus Christus am Kreuz. Der Herausgeber wurde verurteilt. Häusermann weist jedoch darauf hin, dass sich die Einstellung zur Religion seit damals verändert hat.

Es habe aber ein paar Fälle gegeben, die zu einer Verurteilung geführt hätten, weil religiöse Gefühle von Christen durch Kunst und Satire verletzt wurden.

«Die Hauptsache aber ist, dass es keinen Zweifel daran gibt, dass Mohammed negativ abgebildet wurde, in Zusammenhang gebracht wurde mit Terrorismus und gewalttätigem Extremismus. Und das ist ein starkes Argument dafür, dass es die religiösen Gefühle eines durchschnittlichen Angehörigen der muslimischen Glaubensgemeinschaft verletzt», sagt Häusermann.

Der Genfer Rechtsanwalt Charles Poncet, ein Medienrechts-Spezialist, sieht das in einem völlig anderen gesetzlichen Licht.

Er sagt gegenüber swissinfo, die Anforderungen einer kriminellen Handlung in diesem Fall seien nicht gegeben. Artikel 261 würde auf jemanden zutreffen, der seinen Darm in einer Kirche entleeren oder Christus bei einem Geschlechtsakt darstellen würde.

«Es gibt keine Möglichkeit, dass die Zeichnung eines Mannes, der als der Prophet dargestellt wird und eine Bombe in seiner Kopfbedeckung hat, als Vergehen unter Artikel 261 verurteilt würde», sagte er.

Selbst anpacken

Aber Poncet würde es begrüssen, wenn die muslimische Gemeinschaft in der Schweiz den Fall vor Gericht bringen würde. Dies würde nämlich zeigen, dass sie bereit wäre, diese Sache in einer angemessenen Weise anzupacken.

Er ist mit Häusermann einverstanden, dass das Gesetz Lücken aufweise. Der Schlüssel für jede Verurteilung nach Artikel 261 bestehe aber darin, dass die Karikaturen als Verunglimpfung hätten veröffentlicht werden müssen.

Die Rechtsauslegung sei sich einig, dass sich das nicht auf humoristische oder satirische Attacken beziehe, welche Opfer verletzen könnten oder auch nicht.

Poncet meint: «Der Hauptvorwurf, dass sich im Turban des Propheten eine Bombe befindet, ist keine Verunglimpfung». Die Tatsache, dass das Publizieren Ausschreitungen nach sich ziehen könne, sei zwar ein Faktor. Aber dass eine Publikation Menschen erbose, mache sie noch nicht zu einem Verbrechen.

Wie ein Gericht urteilen werde, sei schwierig einzuschätzen. «Es würde mich aber sehr überraschen, wenn irgendein Gericht in der Schweiz wegen dieser Karikaturen zu einem Schuldspruch käme», so Poncet.

Häusermann gibt zu, dass die Klausel, welche die Herabsetzung der Menschenwürde thematisiert, der Angelpunkt für jede Anklage sein würde, aber auch der Hauptfokus für jede Verteidigung.

swissinfo, Adam Beaumont, Genf
(Übertragung aus dem Englischen: Etienne Strebel)

Der wichtigste Teil von Artikel 261 Strafgesetzbuch:
… wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert,…, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Die Publikation der kontroversen Mohammed-Karikaturen in der Schweiz hat in Genf zu Aufrufen geführt, die Zeitung Tribune de Genève zu boykottieren.

Die muslimische Intellektuelle Fawzia Al-Ashmawi sagt, die Karikaturen seien eine grosse Beleidigung des Islam, und verlangt eine Entschuldigung. Sie sagte jedoch gegenüber swissinfo, sie würde deswegen die Zeitung nicht vor Gericht zitieren.

Am Freitag liess der Schweizer Presserat verlauten, Zeitungen könnten die Mohammed-Karikaturen veröffentlichen, um den Aufruhr rund um deren Publikation zu erklären.

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