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Mohammed-Karikaturen schlagen hohe Wellen

Militante Hamas-Anhänger haben in der Palästinenserstadt Nablus eine dänische Flagge in Brand gesteckt. Keystone

Während sich die Muslime in der Schweiz "schockiert" zeigen, findet eine Debatte statt, was höher zu werten sei: Pressefreiheit oder religiöses Empfinden.

Die umstrittenen Karikaturen des Propheten Mohammed in einigen europäischen Zeitungen haben Zehntausende Muslime auf der Welt auf die Strasse getrieben.

Die kontroversen Karikaturen über den islamischen Propheten Mohammed aus der dänischen Tageszeitung Jyllands Posten wurden in dieser Woche von Zeitungen in der Schweiz, Frankreich, Deutschland, Italien, Ungarn, den Niederlanden und Spanien gedruckt, nachdem sich das dänische Blatt bei den Muslimen auf der Welt entschuldigt hatte.

Und diese Geste provozierte eine Welle des Protests in muslimischen Ländern und setzte eine Debatte in Gang, was höher zu werten sei: Pressefreiheit oder der Respekt gegenüber einer Religion.

Der Zürcher Tages-Anzeiger meint in einem Kommentar, das heisse nicht, dass man die Karikaturen im Westen nicht drucken dürfe, man müsse sich aber ihrer Wirkung bewusst sein. «Problematisch ist, dass mit ihnen in Dänemark in einem Klima zunehmender Ausländerfeindlichkeit gezielt gezündelt wurde, um Ressentiments zu schüren.»

Keine Missachtung?

Peter Studer, Präsident des Schweizer Presserates, meint jedoch gegenüber swissinfo, beim Betrachten der Karikaturen des Propheten Mohammed – er habe vor allem zwei gesehen – scheine es ihm, dass hier keine herabsetzende Missachtung von Mohammed oder des Gottesglaubens bestehe.

«Es wird nämlich jener Mohammed karikiert, auf den sich gewalttätige Islamisten berufen. In einem Cartoon hat Mohammed eine Bombenzündschnur im Turban, im anderen sagt er, es habe zu wenig Jungfrauen im Paradies für Selbstmordattentäter.»

Für Studer ist es also offensichtlich nicht jener Mohammed, der von den führenden Gelehrten des Islams und von der überwiegenden Mehrheit der Muslime verehrt wird.

Gotteslästerung

Für die protestierenden Muslime ist die Veröffentlichung von Bildern von Mohammed, insbesondere von seinem Gesicht, eine Gotteslästerung und ein Zeichen von Respektlosigkeit.

Der bekannte Schweizer Karikaturist Chappatte sagt gegenüber swissinfo, in diesem Fall sollten sture Prinzipien-Positionen vermieden werden, damit eine richtige Diskussion stattfinden könne.

«Für mich als Pressekarikaturist ist die Meinungsfreiheit unverzichtbar. Und im Islam ist die Abbildung des Propheten Mohammed absolut verboten, was ebenso unverzichtbar ist.»

Die Motive hinter den dänischen Karikaturen hingegen sind auch für Chappatte zweifelhaft. Für ihn bestand das Ziel darin, ihn zu zeichnen, weil es eben verboten ist.

«Es ist, wie wenn man den Muslimen gesagt hätte: ‹Schaut, das hier ist Euer Tabu! Ich hingegen kann damit machen, was ich will.› Das ist natürlich eine Provokation.»

Freie Rede – freie Beleidigung

Während die Organisation ‹Reporter ohne Grenzen› das «Recht, Spass zu machen», verteidigt, argumentieren einige Zeitungen, das Recht auf freie Rede sei kein Recht auf freie Beleidigungen.

«Zeitungen werden nicht dazu gezwungen, beleidigendes Material zu veröffentlichen, nur weil es umstritten ist», schreibt der britische Guardian.

Unterschiedliche Blickwinkel

Für den bekannten muslimischen Schweizer Intellektuellen Tariq Ramadan sollte die Situation aus beiden Blickwinkeln betrachtet werden.

«Wir müssen sehr vorsichtig sein und zu den Moslems sagen: ‹Schaut, nehmt einen kritischen intellektuellen Abstand ein, macht keine Überreaktionen. Sagt ihnen, dass das gegen eure Grundregeln verstösst und dass es nicht der Weg ist, wie man die Meinungsfreiheit verwenden sollte», erklärt er gegenüber swissinfo.

Andererseits meint er, dass man trotz der Meinungsfreiheit respektvoll mit anderen Menschen umgehen sollte. «Sie müssen verstehen, dass sich die europäische Gesellschaft gewandelt hat. Nun leben Millionen von Muslimen in diesen Ländern. Und diese fügen der europäischen Kultur eine neue Sensibilität hinzu.»

swissinfo

Gemäss der Volkszählung 2000 leben in der Schweiz 311’000 Muslime. Die meisten von ihnen stammen aus dem Balkan oder der Türkei.

Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ist von 2,2% im Jahr 1990 auf 4,3% im Jahr 2000 gestiegen.

Die 12 umstrittenen satirischen Karikaturen mit dem Titel «Die Gesichter Mohammeds» waren am 30. September letzten Jahres von der dänischen Tageszeitung Jyllands Posten veröffentlicht worden.

Am 10. Januar wurden sie vom christlichen norwegischen Magazin Magazinet im Namen der Redefreiheit publiziert.

Andere europäische Zeitungen, darunter 4 aus der Schweiz, aber weder britische noch amerikanische, haben inzwischen einige Bilder reproduziert.

Am Freitag erlangte die Affäre globale Proportionen mit Demonstrationen in Dutzenden Ländern.

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