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Muslimische Jugendliche in der Schweiz

Keystone

In der Schweiz leben 250'000 Musliminnen und Muslime. Für viele muslimische Jugendliche ist die Integration schwierig. Die Vorurteile seien gross, sagen sie im neuen Buch des Zürcher Autors und Fotografen Philipp Dreyer. Sie erzählen darin von ihren Erfahrungen und Wünschen.

«Wenn ich am Steuer eines Wagens sitze, schauen mich die andern Autofahrer meist ungläubig an. Ich fahre nicht schlechter als sie, aber ich trage ein Kopftuch. Das ist im schweizerischen Strassenverkehr ein ungewöhnliches Bild», steht im Buch «Allahs Kinder sprechen Schweizerdeutsch» von Philip Dreyer geschrieben.*

Die Aussage stammt von der 20-jährigen Tulaj Sallji, Mazedonierin und Schweizerin. Sie lebt in Männedorf ZH und gehört zu den 23 muslimischen Jugendlichen, die über ihr Leben in der Schweiz erzählen.

Da ist beispielsweise auch die junge türkische Gymnasiastin aus Zürich, die streng nach dem Koran lebt; der libanesische Verkäuferlehrling aus Winterthur, der alle Menschen – gleich welcher Religion – liebt; die kosovarische Krankenschwester aus Lengnau, die starkes Heimweh in sich spürt, oder die agyptische Juristin aus Biel, die darüber nachdenkt, wo sie hingehört.

Familie ist wichtig

Während sechs Monaten hat der 44-jährige Autor Philipp Dreyer mit muslimischen Jugendlichen aus der Schweiz gesprochen. «Sie unterscheiden sich nicht gross von ihren Altersgenossen christlichen oder jüdischen Glaubens», sagt der Autor gegenüber swissinfo.

Allerdings sei allen porträtierten Jugendlichen ein starker Familiensinn gemein. «Und die meisten wollen später auch einen muslimischen Partner heiraten, oder jemanden, der zum Islam konvertiert ist», fügt Dreyer hinzu. «Für sie scheint es einfacher, sich mit jemandem zusammenzutun, der die eigenen Bräuche und Traditionen kennt».

Vorurteile abbauen

Viele befragten Jugendliche berichten über Vorurteile, mit denen sie in der Öffentlichkeit konfrontiert sind. «Diese richten sich in erster nach Äusserlichkeiten», präzisiert Samia Osman-Hussein, Referentin für Islamwissenschaft und Co-Präsidentin der Gemeinschaft Christen und Muslime in der Schweiz.

In ihrem Vorwort zum Buch ersucht Osman-Hussein die muslimischen Eltern, ihre Kinder in «einem Geiste der Aufgeschlossenheit» zu erziehen. «Muslimische Eltern sollten ihre eigenen Ängste und Vorurteile nicht mit dem Mantel der Religion verhüllen»,schreibt die Fachfrau. Die Kinder müssten die Chance haben, auch in dieser Gesellschaft ihren Weg gleichberechtigt und selbstbewusst zu gehen.

«Mich zu wehren, hat mich stärker gemacht», erzählt die 25-jährige gebürtige Ägypterin Neiyra Osman aus Biel. Seit sie einen Schweizer Pass besitze, lasse sie keine Abstimmung aus. «An meinen Schweizer Freunden schätze ich – und sie wohl an mir -, dass sie durch mich ein anderes Bild vom Islam gewonnen haben. Sie waren oft bei meinen Eltern eingeladen. Immer öfters erzählen sie, dass sie ihren Bekannten über den Islam erzählen und so helfen, Vorurteile abzubauen», erzählt Neiyra Osman im Buch.

*Philipp Dreyer, Allahs Kinder sprechen Schweizerdeutsch – 23 Porträts von muslimischen Jugendlichen, Orell Füssli Verlag AG, Zürich 2001.

Alina Kunz Popper

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