Neuer Papst, andere Zeiten, beständige Schweizergarde
Wenn der Papst seine Ausstrahlung behalten will, dann muss man bei der Sicherheit Konzessionen eingehen: Das sagt der Kommandant der Schweizergarde im Gespräch mit swissinfo.
Die Garde, «eine 500-jährige Erfolgsgeschichte», will Elmar Theodor Maeder auch in Zukunft als rein schweizerische Männertruppe führen.
Der Kommandant entschuldigt sich, als während dem Interview Anfang Mai Telefon und Handy gleichzeitig ertönen. Am Samstag, 6. Mai, wird Bundespräsident Moritz Leuenberger in Rom beim Papst eine Privataudienz haben. Elmar Theodor Maeder bespricht den Ablauf und bleibt auch in der Hektik ruhig und zielgerichtet.
swissinfo: In diesen Tagen sind Sie beruflich stark belastet. Wie reagiert Ihre Familie?
Elmar Th. Maeder: Meine Frau hat sehr viel Verständnis. Sie hat mit mir zusammen die Garde ausgewählt und gehört irgendwo auch dazu. Und die Kinder haben keine Probleme. Normalerweise bin ich am Abend zu Hause.
swissinfo: Sie gehören in der Garde zur Minderheit, die zusammen mit der Familie in Rom lebt. Die jungen Gardisten sind alleine da. Gibt das Spannungen?
E.Th.M: Nein, es ist nicht so, dass die Jungen denken: «Die Herren Offiziere dürfen heiraten.» Im Gegenteil: Viele Junge kommen auch hierher, um als Junggesellen noch einige Jahre unter Kameraden zu bleiben. Da gibt es keine Spannungen.
Wir sind 15 Familien mit 17 Kindern. Das verlangt schon etwas Toleranz. Tagsüber exerzieren wir im Hof. Am Abend spielen hier die Kinder. Das ist unsere Piazza.
swissinfo: Die Gardisten haben sich zur Keuschheit verpflichtet. In ihrer Freizeit gehen sie in den Ausgang. Wieweit geht die Kontrolle?
E.Th.M: Ich verlange von jedem Gardisten, dass er nach der Moral der Kirche lebt und bin mir bewusst, dass dies nicht einfach ist in einer Zeit, in der die Sexualität sehr hoch gespielt wird. Aber ich glaube, es gelingt den Leuten.
Kontrollieren, nachspionieren, das kann und will ich jedoch nicht. Ich kann nur mit Vertrauen arbeiten. Wenn dieses enttäuscht würde, müsste ich Konsequenzen ziehen und mit dem Mann sprechen.
Bereits in der Ausbildung sage ich den Leuten, dass sie immer und überall Gardist sind. Man wird hier in Rom auch als solcher erkannt.
swissinfo: Wieweit muss ein Gardist die theologische Haltung des Vatikans mittragen?
E.Th.M: Jedes Unternehmen verlangt von seinen Mitarbeitern eine gewisse Identifikation. Unsere Unternehmensidee ist der katholische Glaube. Damit muss sich ein Gardist schon vorher stark beschäftigt haben.
Ich bin mir bewusst, dass es in der Schweiz auch kritische Haltungen zu «Rom» gibt. Von einem Gardisten verlange ich jedoch eine grundsätzlich positive Haltung. Kritik im Gespräch unter Kollegen ist erlaubt, im Dienst jedoch nicht angebracht.
swissinfo: Die Garde ist auch verantwortlich für die Sicherheit des Papstes. Ist sie in dieser Funktion ernst zu nehmen?
E.Th.M: Natürlich lässt das Erscheinungsbild vermuten, dass wir vor allem Farbtupfer sind und Ehrendienst leisten. Die Statistik jedoch zeigt, dass wir 80% der Stunden mit Wache und nur 8% im Ehrendienst leisten.
Wir tragen die Uniform auch bei der Wache. Das schafft eine freundliche Atmosphäre. Ich glaube, wir hätten mehr Probleme mit einer militärisch-strengen Uniform. Unser Auftreten wäre martialischer.
Für den Personenschutz des Papstes setzen wir ausschliesslich Kaderleute ein. Langjährige Erfahrungen, die Fähigkeit, Situationen richtig einzuschätzen, das ist hier sehr wichtig.
Dazu kommt die Technik des Personenschutzes. Diese üben wir in der Schweiz zusammen mit der Armee. Da sind wir auch im internationalen Vergleich absolut auf der Höhe der Zeit.
swissinfo: Der Papst sucht Öffentlichkeit und verhält sich entsprechend. Inwiefern erschwert das Ihre Aufgabe?
E.Th.M: Wenn ein Mensch Papst geworden ist, dann stelle ich mir vor, dass er sehr viel Gottvertrauen entwickelt hat. Der Papst ist bestimmt nicht die einfachste Person zum Beschützen. Ich denke, der amerikanische Präsident lässt sich mehr vorschreiben.
Aber es muss dem Papst möglich sein, sein Amt auszuüben. Ich benutze das schlimme Bild eines Papstes hinter Panzerglas: Der bleibt zwar sichtbar, hat jedoch nicht mehr dieselbe Ausstrahlung. Hände schütteln, reden mit den Leuten, diese Kontakte müssen weiterhin möglich sein.
Da muss die Sicherheit Konzessionen eingehen. Absolute Sicherheit ist auch beim Papst nicht möglich.
swissinfo: Frauen in der Garde – Sie sagen, während Ihrer Amtszeit sicher nicht und verweisen auf die engen Räumlichkeiten. Gibt es andere Gründe?
E.Th.M: Die räumlichen Verhältnisse sind ein Hindernis, das man vielleicht aus dem Weg räumen könnte. Der Hauptgrund sind die Schwierigkeiten beim Führen einer gemischten Truppe.
Ich bin nicht der Einzige, der davor warnt. Man hat vielerorts gemischte Truppen eingeführt, aus politischen Gründen und nicht, weil es sinnvoll wäre.
Wo junge Männer und Frauen zusammen sind, gibt es Reibereien. Die Frage ist nicht, wer die Schuld trägt. Das ist einfach so. Da frage ich mich, wieso ich mir in unserer kleinen Kaserne solche Probleme aufhalsen sollte, zumal wir genügend Gardisten finden.
swissinfo: Wieso keine Ausländer?
E.Th.M: Eine solche Truppe wäre vermutlich noch schwieriger zu führen, als eine Truppe mit Frauen. Wir sind eine kleine Truppe und sprechen jetzt schon vier Sprachen.
Dazu kämen Mentalitätsunterschiede, wir sprächen auch militärisch nicht dieselbe Sprache. In Kosovo sind zwar verschiedene Nationalitäten beieinander, aber jedes Land hat seine eigene Organisation.
Die Schweizer Garde hat sich jetzt 500 Jahre bewährt. Da frage ich mich: Warum sollte man daran etwas ändern?
swissinfo, Andreas Keiser, Rom
Der 6. Mai ist der Ehrentag der Schweizergarde. An diesem Tag werden jährlich die neuen Gardisten auf dem Petersplatz vereidigt.
Er erinnert an die Plünderung Roms («Sacco di Roma») am 6. Mai 1527. Damals mussten 147 Schweizergardisten bei der Verteidigung von Papst Clemens VII. ihr Leben lassen.
Dieses Jahr war der 6. Mai zugleich ein Höhepunkt der Feierlichkeiten zum 500-jährigen Bestehen der Garde.
Die Schweizergarde, die kleinste Armee der Welt, besteht aus 110 Mann, ist dem Papst unterstellt und wird vom Vatikan finanziert.
Daneben sind auch die vatikanische Gendarmerie (völkerrechtlich dem Vatikan unterstellt) und die italienische Polizei (ausserhalb des Vatikans) für die Sicherheit des Papstes und die Ordnung verantwortlich.
Elmar Theodor Maeder ist seit November 2002 Kommandant der Schweizer Garde.
Seit August 1998 war er stellvertretender Kommandant.
Geboren am 28. Juli 1963 in Zuzwil (Kanton St. Gallen), erwarb er 1990 an der Universität Freiburg das Lizentiat der Rechte.
Danach war er Gerichtsschreiber in St. Gallen und leitete ein eigenes Treuhandbüro im Kanton Zug.
Maeder lebt mit seiner Frau und 3 Kindern im Alter von 8 bis 14 Jahren in einer Dienstwohnung im Vatikan.
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