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Prediger sollen Landesprachen lernen

Muslime beim Freitagsgebet in Zürich. Keystone

Prediger jeglicher Religion - auch Imame - sollen Sprach- und Eingliederungskurse besuchen, bevor sie in der Schweiz eine Aufenthalts-Bewilligung erhalten.

Die akademische Imam-Ausbildung in der Schweiz ist auch an mehreren Universitäten ein Thema.

Die Integrations-Verordnung soll zudem auch für Kurzaufenthaltsbewilligungen gelten. Damit bestätigt Mario Tuor, Sprecher des Bundesamtes für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES), eine Meldung der Tageszeitung «Blick».

Dieser Punkt sei im Übrigen in der Vernehmlassung der Verordnung unbestritten gewesen.

Die Integrations-Verordnung erhält nun aber durch die jüngst aufgeflammte Diskussion über den Islam in der Schweiz eine neue Dimension. «Sofern dies im öffentlichen Interesse geboten ist», sollen Integrations- und Sprachkurse obligatorisch sein, heisst es darin.

Im erläuternden Bericht des IMES wird ausgeführt, das öffentliche Interesse sei beispielsweise dann gegeben, «wenn die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller beabsichtigt, in der Schweiz eine öffentliche Funktion auszuüben, zum Beispiel als religiöse Betreuungsperson».

Zeigen, was in der Schweiz gilt

Zu den Imamen sagte IMES-Sprecher Tuor: «Diese Leute haben eine relativ grosse Autorität bei einer Gruppe von Leuten, an die man nicht so einfach herankommt.»

Es sei wichtig, dass sie nicht nur den Koran predigten, sondern den Leuten auch zeigten, was in der Schweiz gilt, etwa bezüglich der Gleichstellung der Geschlechter.

Zur Integrationsverordnung sei soeben die Ämterkonsultation (Stellungnahmen der Bundesämter) beendet worden, führte Tuor aus. Justizminister Christoph Blocher werde die Verordnung voraussichtlich Anfang 2005 dem Gesamtbundesrat vorlegen.

Erstes Ziel der Verordnung ist, für die Ausländer in der Schweiz günstige Rahmenbedingungen im Hinblick auf Chancengleichheit und Teilnahme am Gesellschaftsleben zu schaffen.

Dazu gehören der Erwerb von Sprachkenntnissen, Information und Kommunikation, schulische und berufliche Bildung sowie Weiterbildung.

Schweizer Universitäten klären ab

Die akademische Imam-Ausbildung in der Schweiz ist auch an mehreren Universitäten ein Thema. Am religionswissenschaftlichen Institut in Freiburg werden zur Zeit die vielfältigen Ausrichtungen der islamischen Glaubensgemeinschaft in der Schweiz erforscht.

Gestützt auf dieses Projekt wolle man sich überlegen, wie eine Imam-Ausbildung zu gestalten wäre, sagt Richard Friedli, Professor für vergleichende Religionswissenschaft an der Uni Freiburg.

Denn in der Romandie, wo viele Araber aus Nordafrika lebten, hätten islamische Gemeinschaften ein anderes Profil als in der Deutschschweiz, wo die Gemeinschaften hauptsächlich aus Südosteuropäern und Türken bestünden.

Die Universität Basel führt gegenwärtig mit Elsayed Elshahed, Direktor der Islamischen Religionspädagogischen Akademie (IRPA) in Wien, Sondiergespräche über eine wissenschaftliche Imam-Ausbildung. Weitere Angaben macht die Universität noch nicht.

Pädagogisch geschulte Islamlehrer

Die IRPA bildet seit 1998 pädagogisch geschulte Islamlehrer aus, die dazu berechtigt sind, als Imame zu arbeiten. In Österreich und vermutlich auch in Europa sei sie die einzige vom Staat anerkannte Ausbildungsstätte für Imame, sagte Direktor Elsayed Elshahed.

Die IRPA bietet Fachwissenschaften, Humanwissenschaften sowie Fachpädagogik und Fachdidaktik. Allgemeine Pädagogik, Didaktik und Sozialwissenschaften studieren die Absolventen an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Wien. Gelehrt und gelernt wird in Deutsch.

Der dreijährige Diplom-Lehrgang sei sehr anspruchsvoll. Einige Dutzend Imame hätten ihn bisher abgeschlossen, sagt Elshahed. Bei Bedarf müssen die Studenten in einem Vorbereitungsjahr Deutsch und/oder Arabisch lernen.

Nichts übers Knie brechen

Für Elshahed ist der Lehrgang «einer der besten Wege, um gemässigte Vorbeter auszubilden und diese zu kontrollieren.» Die Wiener Akademie hoffe, dass in anderen Staaten Europas entstandene ähnliche Projekte rasch realisiert werden.

Römisch-Katholische, Christkatholiken und Reformierte unterstützten eine akademische Vorbeter-Ausbildung in der Schweiz.

Mehrere Universitäten suchten Lösungen für Lehrstühle, sagt Markus Sahli, Leiter Innenbeziehungen beim Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (SEK).

Er warnt davor, etwas übers Knie zu brechen. Zunächst müsse zum Beispiel sorgfältig geprüft werden, welcher Fakultät oder Abteilung ein solcher Lehrstuhl angegliedert werde. Ein weiterer zu regelnder Punkt sei die Finanzierung.

Der Zürcher Islamwissenschafter Thabet Eid dagegen schlägt vor, für die Grundlagen-Ausbildung der Vorbeter mit Universitäten im arabisch-sprachigen Raum zusammenzuarbeiten, etwa mit der Kairoer Al-Azhar-Universität, die einen deutschprachigen Lehrgang anbiete. Für die Schweiz wäre dann noch eine Zusatzausbildung nötig.

swissinfo und Agenturen

In der Schweiz lebten im Jahr 2000 offiziell 310’000 Muslime.
Das sind 4,3% der Gesamtbevölkerung.
Die meisten stammen aus Südosteuropa und der Türkei.
Im selben Jahr lebten in der Schweiz 42% Katholiken und 35% Protestanten.

In der Schweiz soll eine Predigerausbildung eingeführt werden.

Die neue Verordnung würde auch für Wanderprediger gelten.

Prediger und Imame sollen Sprach- und Integrations-Kurse besuchen.

Die Uni Basel führt Gespräche über eine deutschsprachige Imam-Ausbildung.

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