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Schweiz-Russland: Liebe und Vergessen

Plan von St. Petersburg. Archives d'Etat de la Marine Russe, Saint-Pétersbourg

Schweizer Einfluss in Russland: Berühmte Tessiner Architekten, die grossartige Residenzen und die Kathedrale Peter und Paul in St. Petersburg bauten.

Doch die helvetische Präsenz in russischen Landen hat weitere und teils überraschende Seiten. Bei einer Ausstellung in Lausanne kann man diese entdecken.

Im 18.Jahrhundert erreichte das russische Zarenreich unter Peter dem Grossem und Katharina der Grossen seine maximale Ausdehnung. Die Grenzen verliefen bis zum Baltischen und Schwarzen Meer. 1703 wurde die Stadt Sankt Petersburg gegründet, die zum Symbol für den russischen Fortschritt werden sollte.

Ein Schweizer spielte bei den Eroberungen eine entscheidende Rolle: François Le Fort. Seit 1679 war er Oberst im Heer des Zaren. Der Genfer durchlief eine steile Karriere und wurde 1696 kaiserlicher Kommandant. Voltaire verdanken wir einige Porträt-Bilder von ihm.

Ein Lausanner, Frédéric-César de la Harpe, war Privatlehrer des Prinzen Alexander. Er gab entscheidende Impulse für die künstlerische und kulturelle Öffnung des Hofes. Wegen seiner Nähe zu den Jakobinern wurde er allerdings später entlassen.

Präzision als Tugend

«Die Schweizer waren wegen ihrer Präzision und Zuverlässigkeit, ihrer Sprachkenntnisse und ihres calvinistischen Charakters bei den russischen Adeligen sehr beliebt», sagt Alexandra Kaourova, Kuratorin der Ausstellung in Lausanne.

Präzision war auch das besondere Markenzeichen der Uhrmacher und Juweliere. Jérémie Pauzié arbeitete beispielsweise für Elisabeth Petrovna, die Tochter von Peter dem Grossen. Pauzié fertigte 1729 für Katherina II. die kaiserliche Krone aus Gold, Silber, Diamanten, Perlen und Rubinen an.

Es folgten Jean-Pierre Ador (1716-1779) und Uhrmacher wie Jean und Marc-Conrad Fazy, Philippe Dubois, Abraham-Louis Breguet, Antoine-Norbert de Patek, die alle in St. Petersburg internationalen Ruhm erlangten. Dann kommen auch Miniaturisten, deren Arbeiten zum Teil in Lausanne zu sehen sind.

Zwischen Genialität und Dekadenz

Nicht vergessen darf man schliesslich die grossen Schweizer Wissenschafter. In der «Kunstkamera» (erbaut vom Basler Nikolaus F. Härbel), seit 1725 Sitz der Akademie der Wissenschaften, wirkten Schweizer Genies wie der Mathematiker Jacob Hermann oder der Physiker Leonhard Euler.

Die geschichtliche Aufzeichnung im Historischen Museum von Lausanne beschränkt sich aber nicht auf diese mondänen Aspekte des russischen Reiches. Nicht vergessen werden die Arbeiter-Sklaven, die am Aufbau von St. Petersburg beteiligt waren. Der Gegensatz von Luxus und Armut im Zarenreich wird gut ausgeleuchtet.

Den grandiosen, statischen Fotografien von Ivan Bianchi, die vor einigen Jahren in der Kantonsbibliothek von Lugano entdeckt wurden, stehen auch weniger erhabene Zeugnisse gegenüber. Beispielsweise von Waadtländer Weinbauern in Sibirien oder vom Neuenburger Jacques-Alexis Lamberg, der in Sibirien als Lehrer arbeitete und unter seinen Schülern einen gewissen Vladimir Oulianoff zählte, der als Lenin in die Geschichte eingehen sollte.

Von Russland in die Schweiz

Viele Schweizer emigrierten nach Russland, doch auch umgekehrt kamen – ab dem 19. Jahrhundert – immer mehr Russen in die Schweiz. Die wechselseitigen Beziehungen intensivierten sich.

«Der Schriftsteller Nicolaj Karamzin hat wunderschöne Berichte über seine Reiseerlebnisse geschrieben», sagt Laurent Golay, Direktor des Historischen Museums in Lausanne. Aber die Russen kamen nicht nur als Touristen. Im 19. Jahrhundert immatrikulierten sich viele russische Studenten an der medizinischen Fakultät der Universität Zürich.

Etwas später kamen Flüchtlinge und Revolutionäre, darunter etliche Künstler. Die Ausstellung erinnert an die Zusammenarbeit Ramuz-Stravinsky, an die Anwesenheit von Sakaroff in Genf und die Maler der Gruppe «Der Grosse Bär» in Ascona. Gezeigt werden ausserdem einige Porträts, die Horst Tagge in Montreux von Vladimir Nabokov gemacht hat.

swissinfo, Pierre Lepori, Lausanne
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Vor 1918 sind mindestens 60’000 Schweizer nach Russland ausgewandert, um dort ihr Glück zu suchen.

Bekannte Schweizer in Russland: Der Militärstratege François Le Fort, der Pädagoge Frédéric-César de la Harte, die Architekten Domenico Trezzini, Luigi Rusca und Domenico Gilardi, die Wissenschafter Jacob Hermann und Leonhard Euler, die Juweliere Jérémie Pauzié und Jean-Pierre Ador, die Uhrmacher Abraham-Louis Breguet und Antoine-Norbert Patek.

Am 14. Februar begann das Jubiläumsjahr 2006, mit dem die Schweiz und Russland 190 Jahre diplomatische Beziehungen feiern. Zirka 100 Veranstaltungen sind geplant.

Die Ausstellung «Schweiz-Russland: Fünf Jahrhunderte der Liebe und des Vergessens 1680-2006» ist am 17. Februar im Historischen Museum von Lausanne eröffnet worden. Sie ist bis 21. Mai 2006 zu sehen.

Laurent Golay und Alexandra Kaourova zeichnen für den Katalog verantwortlich, der im Benteli-Verlag erschienen ist. Er ist auf Französisch und Russisch erhältlich.

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