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Schweizer Hotelfrau bringt weisse Kids zum Dribbeln

Peterseil zusammen mit zwei Kindergärtnerinnen aus dem Township von Walmer. swissinfo.ch

Susanne Peterseil und ihr Ehemann führen ein Hotel, in dem verschiedene Mannschaften für die Fussball-Weltmeisterschaft absteigen werden. Die Kämpfernatur kennt sich in der Welt des Fussballs bestens aus, aber der ersten Weltmeisterschaft auf afrikanischem Boden blickt sie kritisch entgegen.

Als Susanne Peterseil in der Schule ihres Sohnes anregte, das Fussballspielen einzuführen, stiess sie auf wenig Gegenliebe.

Kricket, Rugby, Landhockey und Tennis seien die Sportarten, die in der mehrheitlich von weissen Kindern besuchten Schule in Port Elizabeth unterrichtet würden, liess die Direktion verlauten.

Doch Susanne Peterseil kämpfte weiter. Als «richtige Schweizerin» lancierte sie eine Petition, die sie den mehr als 150 Elternpaaren unterbreitete. Ihre Hartnäckigkeit zeigte Wirkung.

«Von 500 Kindern der Schule waren 177 beim ersten Training dabei», erzählt der Manager der Mannschaft. «Ich habe 25 Bälle gekauft, bekam Geld für die Tore und die Trikots mit Rückennummern und habe zwei Studenten als Trainer engagiert. Die Auswahl der U13 der Schule wird bald in die regionale Liga aufsteigen. Darauf sind wir sehr stolz.»

Manchmal, wenn jemand fehlt, übernimmt Susanne Peterseil die Trainingsstunden. «In Südafrika sind die Eltern viel mehr ins schulische Leben eingebunden als in der Schweiz», betont sie. «Doch vor allem ertrage ich die Ungerechtigkeit nicht. Den Kindern eine Sportart vorzuenthalten, weil sie nicht Teil der Tradition der Schule ist, empfinde ich als ungerecht.»

Zweifel an der WM

Susanne Peterseil, gebürtige Winterthurerin, ist mit 25 Jahren nach Südafrika ausgewandert. Zuerst arbeitete sie bei einer lokalen Fluggesellschaft am Kap, dann für Coca Cola und schliesslich in der Verwaltung einer Nichtregierungs-Organisation (NGO), die eine Aids-Kampagne in den Townships durchführte.

In Port Elizabeth lernte sie Werner Peterseil kennen, einen österreichischen Selfmademan, mit dem sie nun das Leben und die Leitung des «Paxton», einem Viersterne-Hotel am Meer, teilt.

Die Qualität des Hauses hat den internationalen Fussballverband Fifa überzeugt. Fünf von zehn Mannschaften, die im Nelson Mandela Bay Stadion ihre Spiele austragen, werden im «Paxton» untergebracht.

«Leider gehört die Schweiz nicht zu unseren Gästen. Doch wir werden die Mannschaften aus Deutschland, Südkorea, der Elfenbeinküste, Slowenien und Chile bei uns begrüssen dürfen. Obwohl ich Österreicher bin, werde ich die Schweizer Mannschaft ohne Vorbehalt unterstützen», bekräftigt Werner Peterseil.

Susanne Peterseil ist natürlich entzückt darüber, dass sie Didier Drogba oder Miroslav Klose zu ihren Gästen zählen darf. Trotzdem sieht sie der Weltmeisterschaft, die sich quasi vor ihrer Haustüre abspielt, eher kritisch entgegen.

«Die Sicherheit wurde verbessert und auch die Strassen zwischen Flughafen und Stadion. Das sind positive Aspekte. Doch in einem Land, in dem ein Grossteil der Infrastruktur noch sehr schwach entwickelt ist, fragt man sich schon, ob es sinnvoll ist, in neue Stadien zu investieren, die nur für die Dauer der WM gebraucht werden.»

Port Elizabeth besser verkaufen

Die Auswirkungen der Weltmeisterschaft auf den Tourismus in der Region von Port Elizabeth schätzt Susanne Peterseil nicht allzu optimistisch ein. Zu oft ist der Ort für Touristen lediglich eine Zwischenstation auf dem Weg nach Durban oder ans Kap.

«Die Weltmeisterschaft wird manche auf den Boden der Realität zurückholen. Sehr viele Privatpersonen haben in ein ‹Bed&Breakfast› investiert, aber ich bezweifle, dass sich ihre Investitionen auszahlen. Die Touristen werden nach der Weltmeisterschaft nicht in Massen wiederkommen, nur weil im Fernsehen von Port Elizabeth die Rede war.»

Letztes Jahr haben die Touristen die Region von Port Elizabeth gemieden, im Gegensatz zum restlichen Südafrika, das 3,6% mehr Besucher verzeichnete. Auch wenn das «Paxton» nicht allzu sehr darunter gelitten hat, haben die Besucherzahlen im Vergleich zum Vorjahr 40% abgenommen, schätzt Werner Peterseil. Das weiss man auch im Tourismus-Büro der Stadt, will aber diese Zahl nicht bestätigen.

«Die Tour-Operators machen vor allem Werbung für den Krüger-Park und das Kap. Die Region um Port Elizabeth ist klar unterentwickelt. Wir haben sehr schöne Strände, Naturparks, wo es eine Vielzahl an Tieren zu bewundern gibt, und ein von den Besuchern sehr geschätztes Museum», unterstreicht die Schweizer Hoteliere.

In Kontakt bleiben

Trotz diesem Werbespot ist sich Susanne Peterseil sehr bewusst, dass die Realität nicht immer so rosig ist in Port Elizabeth. «Die Automobilindustrie und der Hafen wurden von der Krise stark getroffen – und das soziale Gefälle ist immer noch frappierend.»

Jede Woche besucht sie einen Kindergarten im Township von Walmer, einer der ärmsten Gegenden der Stadt. Sie spendet dort die nicht verwendeten Nahrungsmittel des Hotels. «Es gibt Kinder, die während des Tages nichts zwischen die Zähne bekommen. Für mich ist dieser Kontakt mit der südafrikanischen Realität wichtig. Die Auslandschweizer, die hier leben, haben oft noch nie einen Fuss in diese Viertel gesetzt.»

Susanne Peterseil hat sich bei ihren Besuchen im Township noch nie in Gefahr gefühlt. «Natürlich muss man gewisse Zeiten meiden, wie den Freitagabend, wenn sich die Männer betrinken. Doch die Frau und im Besonderen die Mutter ist hier sehr respektiert.»

In der Nacht, eingeschlossen in ihren vier Wänden, ist das Gefühl ein anderes. «Unser Haus ist das einzige in der Strasse, in das noch nicht eingebrochen wurde. Seit zwanzig Jahren habe ich Mühe einzuschlafen und wache beim kleinsten Geräusch auf. Das ist für mich das Mühsamste in Südafrika.»

Schwer zu akzeptieren ist auch die Tatsache, dass sich ihre Kinder nicht allein auf dem Spielplatz des Quartiers vergnügen können, wie das in der Schweiz möglich wäre. «Alle verbarrikadieren sich, die Nachbarn sprechen nicht miteinander», bedauert sie.

Freiheit und Religion

Auch wenn sie das Gefühl hat, dass für sie eine Rückkehr in die Schweiz kein Problem wäre, möchte Peterseil doch nicht auf das mediterrane Klima in Port Elizabeth verzichten. Was sie in diesem Land vor allem zu schätzen weiss, ist die Freiheit, namentlich die Religionsfreiheit.

«Hier wird man nicht gleich als Sektierer verschrien, wenn man zu einer religiösen Bewegung gehört, die weder katholisch noch protestantisch ist», unterstreicht sie als Mitglied der Christian Church.

An jeder Strassenecke in Südafrika strömen Menschen in die Kirchen, seien es nun Anhänger der Pfingstgemeinde, Evangelikale oder Methodisten. Und auch der Islam behauptet seinen Platz: Die oberen Stockwerke des «Paxton» Hotels bieten eine wunderbare Panoramasicht auf die drei Minarette der Umgebung. Ein kleiner Fingerzeig für die Schweizer Delegation, die am 21. Juni ihr zweites Spiel gegen Chile im nagelneuen Stadion der Stadt austragen wird.

Samuel Jaberg, Port Elizabeth, swissinfo
(Übertragen aus dem Französischen von Christine Fuhrer)

Die fünftgrösste Stadt des Landes liegt auf der Südseite des afrikanischen Kontinents, trägt mit gutem Grund den Übernamen «Stadt des Windes» und gehört seit 2001 zur Metropole Nelson Mandela Bay.

Sie zählt 1,3 Millionen Einwohner. Davon leben fast 800’000 in den «Townships» im Nordosten der Stadt. Schwarze und Mischlinge lebten dort während der Apartheid in engsten Verhältnissen.

Die Hafenstadt ist die südafrikanische Hauptstadt der Automobilindustrie, die zehntausende Personen beschäftigt. Die Wirtschaftskrise traf die Stadt und den Automobilmarkt mit voller Härte. Die Wirtschaft will ihr Angebot diversifizieren, vor allem soll der Tourismus gefördert werden.

Port Elizabeth ist eine der Städte, die in vier Monaten an der ersten Fussball-WM auf afrikanischem Boden Publikum und Spieler empfängt.

Die Schweizer Nationalmannschaft wird dort am 21. Juni ihr zweites Spiel der Vorrunde gegen Chile austragen.

Für mehr als 300 Millionen Schweizer Franken wurde das neue Stadium, das Nelson Mandela Bay Stadium, gebaut. Es umfasst 48’000 Plätze.

12. Juni: Korea-Griechenland

15. Juni: Elfenbeinküste-Portugal

18. Juni: Deutschland-Serbien

21. Juni: Chile-Schweiz

23. Juni: Slowenien-England

26. Juni: Achtelfinale

02. Juli: Viertelfinale

10. Juli: 3.-4. Platz

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