Schweizer Protestanten gründen Kloster in Berlin
Die Schweizer Kommunität "Don Camillo" hat die protestantische Segenskirche im Berliner "Prenzlberg" übernommen. Sie will daraus ein Stadtkloster machen.
Das Kloster mitten in einem Trendquartier der deutschen Hauptstadt will trotz Strassenlärm vor dem Gotteshaus ein Ort der inneren Ruhe werden und Menschen auf der Sinnsuche helfen.
Ein Kloster mitten im Berliner Kiez gleicht einer Oase in der Wüste. «Der Strassenlärm der Schönhauser Allee passt nicht ganz zur klösterlichen Stille, aber es geht uns ja vor allem um die innere Ruhe», sagt Georg Schubert lachend.
Der Leiter der schweizerischen Kommunität «Don Camillo», welche die Segenskirche im Quartier Prenzlauer Berg im Osten Berlins gekauft hat, ist erst vor wenigen Wochen mit seiner eigenen und zwei weiteren Familien in die deutsche Hauptstadt gezogen.
Als erstes evangelisches Stadtkloster in Berlin soll die Segenskirche Anlaufpunkt für Menschen werden, die Fragen stellen wollen, vor schwierigen Entscheidungen stehen oder ein paar Stunden Ruhe suchen.
«Mein Traum ist ein Gottesdienst am Sonntagabend um halb zehn, für Menschen, welche die nächste Woche nicht so lustig finden», erzählt Schubert. Zudem sollen Seminare, Referate und Gespräche zum Glauben und zur Lebensführung angeboten werden.
Nach Romanpriester benannt
Im «Kloster auf Zeit» können Menschen mit der Kommunität leben. «Unsere Gäste können, aber müssen sich nicht an unserem Tagesrhythmus beteiligen, der von regelmässigem Beten, Arbeiten, Lesen und Meditieren bestimmt ist», ergänzt der 52-Jährige.
In der Schweiz bewirtschaftet die Kommunität bereits seit 1988 ein Gut bei Neuenburg, veranstaltet Seminare und bietet ein «Mitleben auf Zeit» an.
Die Kommunität nennt sich nach der Romanfigur «Don Camillo», einem listigen katholischen, italienischen Priester, der permanent mit dem kommunistischen Bürgermeister im Konflikt liegt.
Die erfolgreichen Bücher von Giovanni Guareschi wurden von 1952 an mit dem französischen Schauspieler Fernandel in der Rolle des «Don Camillo» verfilmt.
Kaufpreis: Ein Euro
Den Umzug aus der Schweiz in das pulsierende Berlin sieht Schubert als neue Herausforderung. «Wir hatten ein Platzproblem und wollten wieder in der Stadt leben, also suchten wir nach einer neuen Aufgabe.»
Währenddessen tourte der Pfarrer der Berliner Segenskirche, Gisbert Mangliers, durch die Schweiz auf der Suche nach einer rettenden Idee, die den maroden Berliner Kirchenbau vor der Schliessung bewahrt.
Mangliers begeisterte die Kommunität bei einem Besuch mit seiner Vision eines Stadtklosters in Berlin. Zum symbolischen Preis von einem Euro kauften die Schweizer das Gotteshaus von der Evangelischen Kirche.
Für die Sanierung der Kirche und den Ausbau eines Gästehauses rechnet Schubert mit Kosten von rund 4 Mio. Franken. Bislang sind rund 1,15 Millionen beisammen, der Rest muss durch Kredite und Spenden aufgebracht werden.
Familienleben im Kloster
Kommunitäten sind die «Akteure der evangelischen Klöster». Gemeinsam mit den katholischen Klöstern haben sie einen geregelten Tagesablauf, in dessen Mittelpunkt Arbeiten und Beten stehen. «In unserer Kommunität leben ausserdem die Familien zusammen und teilen das Geld», erzählt Schubert.
Die katholische Kirche betont, der Begriff Kloster und seine Inhalte seien nicht geschützt. «Es gibt verschiedene Arten von klösterlichem Leben», fügt Stefan Förner vom Erzbistum Berlin hinzu. Die Hauptstadt sei schon immer ein anziehender Ort für Ordensgemeinschaften gewesen, «weil hier alle ihr Publikum finden».
swissinfo und Anne Gottschalk, dpa
Protestantische Kommunitäten sind verbindliche Lebens-, Glaubens- oder Dienstgemeinschaften. Viele evangelische Kommunitäten und Ordensgemeinschaften leben nach den evangelischen Räten (Gehorsam in Mündigkeit, Ehelosigkeit, Anspruchslosigkeit).
Kommunitäten sind Orte, wo man sich dem in der Gesellschaft herrschenden Individualismus und der allgemeinen Anonymität mit einer brüderlich-schwesterlich gelebten Gemeinschaft entgegenstellen will.
Kommunitäten sind auch Stätten ökumenischer Begegnung, Orte des theologischen und spirituellen Austausches; Gemeinschaften, die sich auf verschiedenen Ebenen in der Ökumene, einschliesslich der Freikirchen, einsetzen.
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