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Taizé-Gründer erstochen

Frère Roger ist tot: Er wurde während des Gebets erstochen. Keystone

Der Schweizer Frère Roger, Gründer der ökumenischen Gemeinschaft Taizé in Frankreich, ist während eines Gottesdienstes erstochen worden.

Eine offenbar verwirrte Frau versetzte dem 90-Jährigen am Dienstag drei Stiche mit einem Messer.

Frère Roger ist tot. Der Gründer der ökumenischen Gemeinschaft Taizé im Burgund wurde von einer offenbar geistig verwirrten Frau mit einem Messer niedergestochen und tödlich verletzt.

Die 36-jährige Frau versetzte dem gebürtigen Schweizer drei Messerstiche, wie die Polizei mitteilte. Trotz schneller erster Hilfe sei Frère Roger seinen schweren Verletzungen erlegen.

Augenzeugen überwältigten die 36-Jährige; sie habe keinen Widerstand geleistet, als die Polizei sie festgenommen habe, teilte der zuständige Staatsanwalt mit. «Wir stehen unter Schock. Niemand versteht, was gerade passiert ist», sagte ein Mitglied der Glaubensgemeinschaft.

Grosse Bestürzung

In der Schweiz verurteilte der Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg, Bernard Genoud, den Anschlag auf Frère Roger. Er sei bestürzt und verurteile diesen Akt der Gewalt. Der Bischof habe der Taizé-Gemeinschaft sein Beileid ausgesprochen, sagte sein Sprecher Nicolas Betticher.

Bestürzt zeigte sich auch der Rat der Evangelischen Kirchen der Schweiz. Der Rat würdigte Frère Rogers Einsatz für eine gelebte und glaubwürdige Ökumene. Ganze Generationen von Schweizer Pfarrerinnen und Pfarrern und Gemeinde-Mitglieder seien in Taizé gewesen oder durch den liturgischen Stil von Frère Roger beinflusst worden.

Auch auf dem katholischen Weltjugendtag in Köln wurde die Nachricht von der Ermordung Frère Rogers mit grosser Bestürzung aufgenommen. Alle Teilnehmer des Weltjugendtags würden für diese grosse Persönlichkeit beten, sagte der Generalsekretär des Weltjugendtags, Prälat Heiner Koch.

In der Schweiz geboren

Der 90-jährige Frère Roger – ursprünglich auf den Namen Roger Schutz-Marsauche getauft – wurde am 12. Mai 1915 in Provence in der Waadt geboren. Der Sohn einer Französin aus dem Burgund und eines reformierter Pfarrer aus der Schweiz war ursprünglich Protestant. Seine ökumenische Gemeinschaft hatte aber auch gute Beziehungen zur katholischen Kirche.

Frère Roger hatte sein Leben der Zusammenführung aller Christen gewidmet. Im August 1940 war der Schweizer mit 25 Jahren nach Frankreich aufgebrochen, um eine Gemeinschaft Gleichgesinnter zu gründen. Diese entstand im burgundischen Dorf Taizé bei Dijon.

Zehntausende Jugendliche aus ganz Europa pilgern jedes Jahr zu den Jugendtreffen dorthin. Für Roger galt die Gemeinschaft und die menschliche Solidarität immer mehr als alle Konfessionen. Seine Botschaft war Liebe und Einheit unter allen Menschen.

Nachfolger schon vor acht Jahren bestimmt

Ein Deutscher wird Nachfolger von Frère Roger, wie am Mittwoch bekannt wurde. Der 51-jährige Frère Alois kehrte vom Weltjugendtag in Köln umgehend nach Taizé zurück.

Frère Roger habe bereits vor acht Jahren den deutschen Katholiken zu seinem Nachfolger ernannt, hiess es am Mittwoch aus der Gemeinschaft. Frère Alois gehört seit 32 Jahren der Gemeinschaft an.

Orden ohne Gönner

Frère Roger selbst hat nie eine eigene Lehre oder Theologie angeboten. Seine Botschaft war Liebe und Einheit unter den Menschen. In den ersten Jahren im Burgund fanden in seinem Haus Flüchtlinge Schutz, vor allem Juden, die er vor den Nazis versteckte.

Immer mehr Gleichgesinnte schlossen sich ihm an, und 1949 legten die ersten sieben Brüder die Ordensgelübde ab. In Taizé leben heute etwa 100 Brüder aus 25 Nationen. Sie verdienen sich ihren Lebensunterhalt selbst. Auf Spenden verzichten sie.

swissinfo und Agenturen

1940: Roger Schutz-Marsauche, protestantischer Pfarrer, gründet die ökumenische Gemeinschaft von Taizé in Burgung in Frankreich.

1945: Die ersten Brüder kommen aus der Schweiz. Alle sind Protestanten.

Heute zählt die Gemeinschaft rund 100 Brüder, auch katholische, aus rund 30 Ländern.

Jedes Jahr kommen fast 100’000 Personen, vor allem Jugendliche, an einem Wochenende oder einer Woche in Taizé zusammen um zu beten und zu meditieren.

Die Kirchenlieder aus Taizé werden in Gotteshäusern auf der ganzen Welt gesunden.

Verschiedene Personen der Weltgeschichte haben Taizé besucht: Vaclav Havel, Nelson Mandele, Mutter Theresa ebenso wie Papst Johannes Paul II.

Der 51-jährige Frère Alois, ein deutscher Katholik, wird Nachfolger des Gemeinschaft-Gründers.

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