Tod einer Schweizer Alpen-Legende
Der Zermatter Bergführer Ulrich Inderbinen ist im 104. Altersjahr gestorben. 1921 stand er erstmals auf dem 4478 Meter hohen Matterhorn, das er im Alter von 90 Jahren ein letztes Mal erklomm.
Insgesamt hat Inderbinen das Matterhorn, das «Horu» wie es die Walliser nennen, 371 Mal bestiegen.
Der 1900 geborene Ulrich Inderbinen sei in seinem Heim im Beisein seiner Familie sanft entschlafen, heisst es in der am Dienstag im «Walliser Boten» erschienenen Todesanzeige.
Inderbinen wuchs mit acht Geschwistern auf, seine Eltern waren Bergbauern. Bereits als Fünfjähriger arbeitete er als Kuhhirt. Sein erstes Geld verdiente er mit 13 Jahren als Schafhirt, später als Bauarbeiter, Schreiner oder Elektriker.
Weltweite Bewunderung
Seine alpine Laufbahn begann Inderbinen 1920, als er sich die ersten Skier kaufte. 1921 erfolgte die erste Besteigung des Matterhorns, zusammen mit einer seiner Schwestern.
Die Bergführerschule absolvierte Inderbinen 1925. Der Kurs bestand aus 3 Tagen im Gelände und 5 Tagen, an denen Anstandsregeln vermittelt wurden. Genügend Arbeit als Bergführer gab es für Inderbinen aber erst ab 1960, als der touristische Aufschwung einsetzte.
Weltweit für Bewunderung sorgte Inderbinen 1990 im Rahmen des TV-Spektakels zum 125. Jahrestag der Erstbesteigung des Matterhorns, als er als 90-Jähriger das Matterhorn zum 371. Mal bestieg – mit dabei war auch Adolf Ogi, der damals noch in der Landesregierung sass.
Erst im Alter von 98 Jahren trat Inderbinen etwas kürzer, da er jetzt doch langsam älter werde, wie er gesagt hatte.
Zu seinem 100. Geburtstag widmete ihm die Gemeinde Zermatt im Jahr 2000 eine Ausstellung. «Macht mir nur kein zu grosses Theater», hatte Inderbinen im Vorfeld des Jubiläums gewarnt.
Positive Lebenseinstellung
In seiner 70-jährigen Bergführer-Karriere hatte Inderbinen nur einmal wegen einer Schulterverletzung zehn Tage pausieren müssen.
«Meine gute Gesundheit habe ich meiner positiven Lebenseinstellung, der Freude an der Natur und meinem Beruf zu verdanken. Als Kind lernte ich, mit wenig zufrieden zu sein, keine Forderungen an das Leben zu stellen und immer zu arbeiten», sagte er in einer Biografie von 1996.
«Stress und Eile sind mit unbekannt. Ich lebe wie ich klettere, mit langsamen und wohl überlegten Schritten. Bei meinen Kollegen bin ich dafür bekannt, dass ich es nicht mag, anzuhalten, bevor ich mein Ziel erreicht habe», sagte er.
«Inderbinen hat immer einen ganz speziellen Schalk gehabt», sagte Miggi Biner, Präsident des Bergführervereins Zermatt. Alle Bergführer hätten sich immer sehr gefreut, wenn er bei Veranstaltungen vorbeigekommen sei.
Im Alter von 96 Jahren erfüllte sich der gläubige Katholik Inderbinen einen Lebenstraum: Er reiste nach Rom, um den Segen von Papst Johannes Paul II. zu empfangen.
Trotz seinem Renommee blieb Inderbinen bescheiden. Der Walliser machte nur selten Ferien und hatte auch das Meer nie gesehen. Er besass weder ein Auto noch ein Fahrrad. «Ich bin die einzige Person in Zermatt ohne Telefon», pflegte er stolz zu sagen.
swissinfo und Agenturen
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