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Vereinigungsprozess der Muslime in der Schweiz

Yahia Basalamah (l.), Imam der Genfer Moschee und UOMG-Präsident, und Esma Dermitas, UOMG-Vizepräsidentin Keystone

In Genf haben sich zehn muslimische Organisationen zusammengeschlossen. Damit wollen sie ihre Interessen mit einer Stimme vertreten.

Diese Vereinigung der Muslime in Genf folgt den Beispielen in anderen Kantonen – eine Entwicklung, die auf nationaler Ebene in Gang ist.

Die Vereinigung der Islamischen Organisationen in Genf (UOMG) wurde jüngst offiziell gegründet. Sie erklärt sich als «offene» Organisation. «Bei uns sind nicht nur praktizierende Muslime, sondern auch Kultur- und Sportvereine willkommen», sagt Hafid Quardiri, Sprecher der Islamischen Kulturstiftung und der Genfer Moschee, gegenüber swissinfo.

Ziel der UOMG sei es, Anliegen und Ansichten der Muslime besser zu kommunizieren. In diesem Bereich gebe es ein grosses Defizit, so Quardiri. «In Krisensituationen handeln wir immer vereinzelt, ohne eine gemeinsame Position einzunehmen», erklärt er.

Interne Debatte fördern

Laut Quardiri will die UOMG die Debatte innerhalb der muslimischen Gemeinschaft fördern. Dadurch soll der Dialog mit dem Rest der schweizerischen Gesellschaft über Themen wie Minarette, Schleier oder Friedhöfe verbessert und auf die Kritik am Islam geantwortet werden.

«Auch in der Schweiz nehmen viele Muslime die Kritik an ihrem Glauben sehr ernst. Eines der Ziele unserer Vereinigung ist, den Umgang mit der Meinungsfreiheit zu erlernen», sagt Quardiri.

Die Standpunkte koordinieren

Die UOMG möchte, dass die Muslime in Genf in der öffentlichen Diskussion mit einer Stimme sprechen. Obwohl geografische und kulturelle Verschiedenheiten bei den in Genf und in der Schweiz lebenden Muslimen existierten, müssten gemeinsame Positionen entwickelt werden, «ohne die Meinungsvielfalt zu beeinträchtigen».

UOMG-Sekretär Ender Demirtas betont indessen, dass die Mitglieder der Vereinigung «zu 95 Prozent gleicher Meinung sind».

Integrationsrolle

Weiter will die UOMG eine Integrationsrolle spielen. Sie möchte zum Beispiel Kurse für Staatskunde organisieren. Gewisse Personen wüssten nicht, wie die Schweiz funktioniere, erklärt der Präsident der Vereinigung, Yahia Basalamah.

«Wichtigstes Anliegen ist es, unsere Anstrengungen zum besseren Verständnis des Systems der Schweiz zu koordinieren», sagt Hani Ramadan, Direktor des Islamischen Zentrums Genf, das ebenfalls Mitglied der UOMG ist. «Wir wollen Lösungen finden und nicht Probleme verursachen», betont der Genfer Lehrer, der seinen Beruf nicht mehr ausüben darf seit der Veröffentlichung eines Textes von ihm über die Steinigung von Ehebrecherinnen.

Koordination auf nationaler Ebene

In anderen Kantonen, wie zum Beispiel Zürich, haben sich die muslimischen Vereine bereits zusammengeschlossen. Die neue Struktur in Genf ist nicht wesentlich anders. «Unsere Statuten sind ähnlich wie jene der anderen Vereinigungen», sagt Hafid Quardiri.

Auf nationaler Ebene existieren bereits zwei Dachorganisationen: Die Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (KIOS), die älteste Dachgruppierung, sowie die Föderation Islamischer Dachorganisationen in der Schweiz (FIDS), die sich zum grössten Dachverband entwickeln könnte.

Die FIDS vereint zur Zeit Vereinigungen von bosnischen, türkischen, albanischen und anderen Vereinen sowie Zusammenschlüsse von Vereinen aus einem Kanton, wie Freiburg, Waadt oder Luzern.

Die beiden Dachorganisationen sind ihrerseits Mitglied des Rates der Religionen (SCR), der den interreligiösen Frieden und Dialog zwischen den wichtigsten Konfessionen in der Schweiz bewahren und fördern will.

Dachverband in der Romandie

«Das nächste Ziel der UOMG ist die Schaffung eines Dachverbandes der Vereinigungen in der Westschweiz, der dann der FIDS beitreten würde», sagt Quardiri. Diese Vereinigungen repräsentierten zwar nicht nur religiöse Organisationen. Ziel sei es aber, die rund 130 in der Schweiz existierenden Vereine zusammenzubringen.

«Die Organisierung der Muslime in der Schweiz vollzieht sich also nach föderalistischem Prinzip, von der Basis zur Führung. Das könnte ein Modell für andere europäische Länder sein, in denen die Vertretung der Muslime von der Regierung bestimmt wird», so Quardiri weiter.

Die Frage stellt sich, ob diese Vereine und ihre Zusammenschlüsse tatsächlich alle in der Schweiz lebenden Muslime vertreten. Betreffend Genf versichert die UOMG, dass sie von den rund 20’000 dort lebenden Personen islamischer Konfession über die Hälfte vertritt.

swissinfo, Frédéric Burnand, Genf
(Übertragung aus dem Französischen: Jean-Michel Berthoud)

Im Jahr 2000 lebten knapp 311’000 Muslime in der Schweiz, rund 5% der Gesamtbevölkerung.

Die Mehrheit von ihnen kommt aus dem Balkan und der Türkei.

1990 waren 2,2 Prozent der Schweizer Bevölkerung Personen islamischer Konfession. Im Jahr 2000 waren es 4,3 Prozent.

Zur Zeit gibt es in der Schweiz zwei Moscheen, eine in Zürich und eine in Genf.

Die praktizierenden Muslime werden auf 20 Prozent geschätzt.

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