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Geschlossene Türen für weitere irakische Flüchtlinge

Eine irakische Familie auf der Flucht. Keystone

Der Bundesrat hat beschlossen, keine weiteren Flüchtlinge aus dem Irak aufzunehmen, sondern den betroffenen Menschen vor Ort helfen.

Laut Justizminister Christoph Blocher steht die Schweiz bei der Aufnahme von irakischen Flüchtlingen in Europa auf dem zweiten Platz. Der Beschluss hat Kritik ausgelöst.

Der Bundesrat lehnt ein entsprechendes Begehren des UNO-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) ab, wie Bundesratssprecher Oswald Sigg sagte.

Sigg bestätigte einen Bericht des Westschweizer Radios RSR. Die Landesregierung habe im Einklang mit anderen europäischen Ländern entschieden, welche die Kontingentslösung ebenfalls ablehnten, sagte Sigg.

Justizminister Christoph Blocher sagte gegenüber RSR, der Bundesrat ziehe es vor, den Menschen vor Ort zu helfen. Vor Monatsfrist hatte die Schweiz angekündigt, ihre humanitäre Hilfe für die irakischen Flüchtlinge und Binnenvertriebene auf vier Millionen Franken zu verdoppeln.

Blocher wies weiter darauf hin, dass die Schweiz bereits zahlreiche Menschen aus dem kriegsgeschüttelten Land aufgenommen habe. «Heute leben rund 5000 Iraker in der Schweiz, damit ist unser Land auf dem zweiten Platz bei der Aufnahme von irakischen Flüchtlingen», sagte Blocher.

Vier Millionen Iraker geflüchtet

Das UNHCR hatte bei den Industrieländern die Aufnahme von insgesamt 20’000 «besonders verletzlichen» Irakern beantragt. Dabei handelt es sich um Menschen, die von Folter und anderen Formen der Gewalt besonders schwer betroffen sind, um Frauen und um verwaiste Kinder.

Fast vier Millionen Iraker sind bislang vor der anhaltenden Gewalt geflüchtet. Viele von ihnen sind innerhalb des Iraks auf der Flucht, zwei Millionen sind vor allem in Syrien und Jordanien untergekommen.

Kritik am Beschluss des Bundesrats

Nationalrat Carlo Sommaruga von der Sozialdemokratischen Partei (SP) hat den Entschluss der Schweizer Regierung scharf kritisiert. «Es ist schockierend, dass der Bundesrat angesichts einer so grossen Krise einfach die Türen verriegelt», sagte er gegenüber dem Westschweizer Radio (RSR).

Christoph Blocher habe die Gefahr einer massiven Flüchtlingswelle in die Schweiz heraufbeschworen, sagte Sommaruga. Dabei gehe es doch nur darum, einer Aufforderung des UNHCR zur Aufnahme von kleinen Flüchtlingsgruppen, die in kein Lager unterkommen konnten, nachzukommen.

swissinfo und Agenturen

Laut dem UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) fliehen jeden Monat fast 50’000 Personen aus dem Irak.
1,9 Mio. haben Zuflucht im Innern des Landes gesucht, 2 Mio. sind in die Nachbarländer geflüchtet, vor allem nach Syrien und Jordanien.
Die Schweiz hat über 5000 irakische Flüchtlinge aufgenommen.

Am 3. Mai kündigt Bern an, dass irakische Asylsuchende aus drei von der kurdischen Regionalregierung kontrollierten nordirakischen Provinzen zurückgeschickt werden.

Das Bundesamt für Migration (BFM) schätzt die Rückkehr als «zumutbar» ein, da in diesen drei Provinzen «keine Situation allgemeiner Gewalt herrscht».

Am 9. Mai sind bei der Explosion eines Lastwagens in Erbil in irakisch Kurdistan 15 Personen getötet und 100 verletzt worden. Zum Attentat hat sich im Internet eine Gruppierung von Al-Qaida bekannt.

Am 13. Mai hat ein weiterer Anschlag in Makhmur, einer Stadt mit kurdischer Mehrheit südlich von Erbil, 45 Todesopfer und 115 Verletzte gefordert, unter ihnen den renommierten kurdischen Schriftsteller und Bürgermeister der Stadt, Abdul Rahman Delaf.

Für die freiwillige Rückkehr in den Irak bietet das Bundesamt für Migration zusammen mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) ein Rückkehrhilfeprogramm an.

Das Programm umfasst 2000 Dollar pro Person. Von den 550 angemeldeten Personen haben bisher 470 die Schweiz verlassen.

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