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30 Kerzen für TGV-Verbindung Frankreich-Schweiz

Der TGV bringt die Schweiz seit 30 Jahren schneller nach Paris. Keystone

Der Hochgeschwindigkeitszug TGV zwischen Paris und Genf feiert diese Woche sein 30-jähriges Bestehen. Der TGV, der Frankreichs Hauptstadt heute auch mit Bern, Basel, Zürich, Lausanne, Neuenburg und Brig verbindet, hat das Reisen revolutioniert.

Für die Schweizer Behörden war die Ausdehnung des TGV-Netzwerks in die Schweiz eine wahrhaftige Erfolgsstory.

«Auf das Ganze gesehen ist unsere Bilanz positiv», sagte Florence Pictet, Sprecherin des Bundesamts für Verkehr (BAV), gegenüber swissinfo.ch. «Die Schweiz liegt im Herzen Europas und braucht gute, permanente Verbindungen mit ihren Nachbarn.»

Während der letzten 30 Jahre wurde die Reisezeit zwischen der Schweiz und Paris pulverisiert: Während man früher mit 8 bis 10 Stunden rechnen musste, dauert die Reise nach Genf heute 3:05 Stunden, nach Basel 3:27 Stunden und nach Zürich 4:26 Stunden.

«Die Linie Paris-Genf ist historisch gesehen eine der ersten TGV-Linien und aus internationalem Blickwinkel extrem wichtig», sagte Alain Barbey, Direktor der SNCF-Tochter TGV-Lyria.

«Letztes Jahr beförderten wir auf dieser Linie eine Million Passgiere, 20%  mehr als im Vorjahr. Zwar entspricht das 45% des gesamten Verkehrs zwischen Frankreich und der Schweiz, aber die Linie ist nicht die profitabelste, weil sie sehr teuer im Unterhalt ist.»

Der unabhängige Eisenbahn-Experte Sylvain Meillasson erklärte, indem eine schnellere Alternative zum Fliegen angeboten worden sei, habe der TGV zum Retter des französischen und des schweizerischen Schienenverkehrs werden können.

«Es herrschte eine starke Konkurrenz von Airlines in Zürich, Genf und Basel. Es ist klar, dass der TGV attraktive Preise und neue Vorteile des Zugreisens offerierte.»

Diese schweizerisch-französische Heirat sei voller Kontraste, doch die Partner ergänzten sich auch, so der Bahnjournalist. Während sich der französische Superschnellzug TGV eher über Technologie und kommerzielle Ziele definiere, sei das Modell der Schweizer Eisenbahnen durch die Politik und letztendlich durch das Schweizer Stimmvolk bestimmt.

Fortwährender Ausbau

In der Zwischenzeit wird das Netz stetig ausgebaut: Die neue, 140 Kilometer lange Hochgeschwindigkeits-Verbindung Rhein/Rhône zwischen Mülhausen und Dijon, die am 8. September eingeweiht wurde, wird als Meilenstein der Schweizer Anbindung an das europäische Eisenbahn-Netzwerk bezeichnet.

Wenn die Strecke am 11. Dezember in Betrieb genommen wird, soll die gegenwärtige Reisezeit zwischen Basel oder Zürich und Paris um zusätzliche 30 Minuten verringert werden. Rund 100 Mio. Franken hat die Schweizer Regierung in den Bau der neuen Linie investiert, bei Gesamtkosten von gegen 2,9 Mrd. Franken.

Die Schweizer Verkehrsministerin Doris Leuthard begrüsste die neue Linie anlässlich der Einweihung. Auch Vertreter des Grenzkantons Jura zeigten sich erfreut, dass ihre isolierte Region durch die Linie für Touristen und Grenzgänger besser erschlossen werde.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy kündigte an, Frankreich werde die Kosten für die Wiedereröffnung der Linie zwischen Delle an der Grenze zur Schweiz und dem TGV-Bahnhof Belfort, der 2015 eröffnet werden soll, finanzieren. Dies wird einen Anschluss nach Biel ermöglichen und die Reisezeit von der jurassischen Stadt Pruntrut (Porrentruy) nach Paris auf 2:45 Stunden verkürzen.

Ein Programm des Stimmvolks

Die neue Verbindung Rhein/Rhône ist Teil eines Schweizer Programms, um die Zugverbindungen zwischen der Schweiz, Frankreich (Paris und Lyon) und Süddeutschland (Stuttgart und München) zu verbessern. Dieses war 1998 vom Schweizer Stimmvolk gutgeheissen worden.

In Rahmen dieses Programms investiert die Schweiz bis Ende 2015 rund 1 Milliarde Franken in Verbesserungen der Infrastruktur, die einen Zeitgewinn bringen.

Ein Grossteil der Arbeiten ist bereits abgeschlossen. Dazu gehören die Verbindung von Bourg-en-Bresse nach Bellegarde westlich von Genf und die Linie Neuenburg-Vallorbe-Frasne-Dijon.

Noch gearbeitet wird an Verbindungen in der Ostschweiz und an der Elektrifizierung des Abschnitts Lindau-Geltendorf auf der Strecke Zürich-München, welche die Reise um 40 Minuten verkürzen soll.

Auf der Nord-Süd-Achse entsteht die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) mit zwei Hochgeschwindigkeits-Tunnels, dem 2007 eröffneten Lötschberg-Basistunnel und dem Gotthard-Basistunnel, der 2017 eröffnet werden soll. Die Reisezeit zwischen Bern, Brig und Italien soll so um 1 Stunde verkürzt werden.

Engpässe im Inland

BAV-Sprecherin Pictet erklärte aber auch, Hochgeschwindigkeits-Züge hätten in Plänen für die Zukunft keine Priorität. «Wir werden uns vielmehr auf das Schweizer Streckennetz konzentrieren, wo wir Kapazitäts-Engpässe haben und übernutzte Kreuzungen entflechtet werden müssen.»

Überfüllte Bahnhöfe zu den Spitzenzeiten sind in städtischen Gebieten zu einem Problem geworden. 900’000 Pendlerinnen und Pendler reisen in jenen Regionen jeden Tag morgens und abends mit dem Zug an und ab.

Bis 2030 erwarten die Behörden einen Anstieg der Nutzung des öffentlichen Verkehrs um 50%. In städtischen Zentren um Zürich und entlang des Genfersees soll das Passagieraufkommen sogar um 100% ansteigen.

Seit der Eröffnung der ersten Verbindungen – Genf-Paris und Lyon-Paris – am 27. September 1981 haben rund 1,7 Milliarden Passagiere einen TGV (Train à grande vitesse) benutzt. Das Hochgeschwindigkeits-Netz erstreckt sich heute über 1900 Kilometer.

Das Netz wurde kontinuierlich ausgebaut, mit Linien in alle Himmelsrichtungen.

Zu Beginn verkehrten die Züge mit 260 km/h, heute mit 300-320 km/h. Die durchschnittliche Geschwindigkeit beträgt 160-245 km/h.

Die französischen Staatsbahnen SNCF werden beschuldigt, regionale Linien zu Gunsten des TGV zu vernachlässigen.

Lediglich 30% der TGV-Linien sind profitabel, unter anderem wegen Abgaben an den Netzwerk-Betreiber Réseau ferré de France (RFF). Frankreich will die Entwicklung des TGV aber weiter unterstützen.

Die TGV-Anschlüsse an das Schweizer Bahnnetz werden von Lyria betrieben, einer Firma, die den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) und den SNCF gehört.

Die Schweiz ist auch mit dem deutschen und dem italienischen Hochgeschwindigkeits-Netz verbunden.

(Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

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