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Als Bomber im 2. Weltkrieg auf die Schweiz stürzten

Eine Möglichkeit, das Feuer an Bord zu löschen: eine P-51 Bruchlandung in Buchs, Kanton St. Gallen, im Februar 1945. Keystone

Während des Zweiten Weltkriegs stürzten mehr als 250 Flugzeuge auf Schweizer Boden ab oder mussten notlanden. Die Autoren eines Fotoalbums über Flugzeuge und die jungen Männer, welche diese steuerten, haben eine Fülle von Informationen zusammengetragen – und sind dankbar für weitere.

«Die Kinder waren meistens als erste am Ort, um die Besatzung zu begrüssen», sagt Dani Egger. «Alle Knaben und Mädchen der Stadt rannten auf den Bomber zu – sie hatten noch nie ein so grosses Flugzeug gesehen.»

Der heute 51-jährige Egger kam erst mehrere Jahre nach Kriegsende zur Welt. Seine erste Begegnung mit einem so genannten Warbird (Militärflugzeug aus dem Zeitraum 1935 bis 1945) fand mit einer Boeing B-17 Flying Fortress statt, die eine Flügelspannweite von 32 Metern hatte und während ein paar Jahren neben einem Bahnhof in St. Gallen ausgestellt worden war.

«Jedes Mal, wenn meine Mutter mit mir und meinem Bruder im Zug nach St. Gallen fuhr, sahen wir Buben das grosse Flugzeug dort stehen. Rund 25 Jahre später habe ich mich daran erinnert und angefangen, Recherchen darüber anzustellen. Dabei entdeckte ich ihre traurige Geschichte.»

Beim alliierten Bombenangriff vom 16. März 1944 auf die süddeutschen Städten Augsburg, Ulm und Friedrichshafen waren 740 Flugzeuge involviert. 23 davon kehrten nicht zur Basisstation zurück. Sieben gingen in der Schweiz runter, vier davon mussten notlanden, die anderen drei stürzten ab.

Eine davon, eine Boeing B-17 Flying Fortress, war von Deutschen Kampfflugzeugen über Augsburg getroffen worden. Die Boeing steuerte die Schweiz an und konnte auf dem Zugersee notlanden. Ein Besatzungsmitglied starb, die anderen konnten sich mit dem Fallschirm retten. Sie wurden bis zum Ende des Kriegs in der Schweiz interniert. Das Flugzeug sank beinahe unbeschädigt auf den Grund des Sees. Erst 1952 wurde es geborgen, Instand gestellt und ausgestellt.

1966 wurde es nach St. Gallen transportiert, weil ein Geschäftsmann einen «Bomber-Themenpark» eröffnen wollte, was aber nie zustande kam. Ab 1970 wurde die Boeing in St. Moritz ausgestellt, aber nach einigen Jahren stand sie einem Überbauungsprojekt im Weg. Weil kein Käufer gefunden wurde, liess man sie verschrotten – trotz ihres historischen Wertes.

Die B-17 Flying Fortress war der letzte hinterbliebene Bomber, der in der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs niederging.

Vor etwa acht Jahren haben Dani Egger, der bei einer Marketing Firma arbeitet, und Werner Schmitter, der eine umfangreiche Sammlung von Flugzeugteilen und Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg unterhält, die Website Warbird in Betrieb gesetzt. Die Datenbank von Flugzeugen, die während des Zweiten Weltkriegs über der Schweiz niedergingen, enthält Fotos, Dokumente, Flugzeug-Beschreibungen und persönliche Berichte.

Egger, Schmitter und Militär-Liebhaber Rolf Zaugg schreiben derzeit ein Buch, das sich jenen 38 Flugzeugen widmet, die zwischen 1939 und 1945 in den fünf Nordostschweizer Kantonen St. Gallen, Thurgau, Schaffhausen, Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden abstürzten oder notlanden mussten. Das Buch soll im Mai 2014 auf Deutsch und Englisch erscheinen. Die Autoren sind dankbar für zusätzliche Informationen wie Bilder oder persönliche Berichte.

Während des Zweiten Weltkriegs fielen rund 70 Mal englische und amerikanische Bomben auf die Schweiz und töteten 84 Menschen.

Bei der Bombardierung von Schaffhausen, einer Schweizer Stadt am nördlichen Ufer des Rheins, starben am 1. April 1944 40 Menschen, rund 100 wurden verletzt. Auch auf Basel, Genf, Renens und Zürich wurden Bomben abgeworfen.

Die meisten Bombardierungen wurden Navigationsfehlern zugeschrieben. Einige Historiker vermuten aber, dass die Alliierten manchmal eine Warnung erliessen, weil die Schweiz mit Nazi-Deutschland kollaborierte hatte.

Nach dem Krieg haben die Alliierten der Schweiz eine Abfindung für die Schäden der Bombardierungen bezahlt.

(Quelle: Historisches Lexikon der Schweiz)

Egger schätzt, dass rund 15 BesatzungsmitgliederTeilnehmer von Bombenangriffen, die in der Schweiz interniert waren, in den USA noch am Leben sind.

Eine Boeing B-17 Flying Fortress, bekannt unter dem Namen Lonesome Polecat (Einsamer Iltis) wurde 1952 aus dem Zugersee gefischt. warbird.ch

Schweizer Sanktionen

Die Website Warbird konzentriert sich auf die letzten beiden Kriegsjahre. Zwischen 1943 und 1945 wüteten fast täglich Luftkämpfe über Deutschland, in die hunderte Flugzeuge involviert waren. Die Überlebenschancen waren nicht gut. Laut der Website des Royal Air Force Museums lag das Durchschnittsalter der Besatzung eines Lancaster Bombers – der durchschnittlich 21 Missionen ausführte, bevor er verlorenging – bei 22 Jahren.

«Der erste Militärpilot, der in der Schweiz starb, ertrank im Bodensee, alssein Flugzeug abstürzte und er nicht aussteigen konnte», sagt Egger. Aber die meisten Piloten, die in der Schweiz zu Boden gingen, überlebten – obwohl einige Landungen sanfter waren als andere.

Am 22. Februar 1945 startete der 20-jährige Robert «Rocky» Rhodes in seiner North American P-51 Mustang von Italien aus, um die Eisenbahnlinie zwischen Lindau und Ulm im Süden Deutschlands unter Beschuss zu nehmen. Unterwegs wurde er von Fliegerabwehrkanonen getroffen. Er versuchte umzukehren, aber das Flugzeug gab über dem Rhein den Geist auf und zwang ihn zu einer Bauchlandung auf einer Kiesbank des Flusses. Im seichten Gewässer kam das Flugzeug zum Stehen. Rhodes glaubte sich immer noch im feindlichen Deutschland, aber Einheimische, die herbei eilten, erklärten, dass er sich in Liechtenstein in Sicherheit befinde.

«Schweizer sind durch die Flugzeuge, die in der Schweiz niedergingen, nie zu Schaden gekommen», sagt Egger. «Die Piloten haben immer versucht, Siedlungsgebieten auszuweichen. Aber es gibt Geschichten über Flugzeuge, die vom Autopiloten gesteuert wurden. Einige hatten viel Glück, dass sie nicht in den Bergen zerschellten oder sonst etwas Schlimmes passierte.»

Ein deutscher Pilot, der sich im Oktober 1944 in der Schweiz absetzen wollte, musste zwei Versuche unternehmen, um in einem flachen Feld in Waldkirch bei St. Gallen zu landen. Beim ersten Versuch wurde er von einer Rinderherde daran gehindert.

Die Georgia Peach ruht auf der Nase in Altenrhein, St. Gallen, im Juli 1944. warbird.ch

Hotel Gäste

Besatzungen, die in der Schweiz landeten, mussten bis Kriegsende in einem Internierungslager bleiben. «Nach der Befragung und der Quarantäne wurden die Offiziere in Davoser Hotels untergebracht – während des Kriegs gab es dort nicht viele Reservationen –,die anderen wurden nach Adelboden und Wengen gebracht», sagt Egger.

«Wir hatten genug zu essen, aber weil wir vom Nichtstun gelangweilt waren, hatten wir stets das Gefühl, Hunger zu haben», liess ein Amerikaner, der nach Davos kam, verlauten (Vgl. link auf einen faszinierenden Bericht).

Einige Internierte hätten auch versucht zu flüchten, sagt Egger. «Die französische Resistance hat sie dabei unterstützt.»

Warbird verfolgt nicht das Schicksal jedes einzelnen Besatzungsmitglieds, sondern fokussiert eher auf die Flugzeuge. «Rund 120 Flugzeuge waren von Schweizer Piloten auf den grossen Militärflugplatz Dübendorf in der Nähe von Zürich gesteuert worden. Dort standen sie bis zum Ende des Kriegs. Später wurden die Flugzeuge von Mechanikern der US-Air Force überholt und von Piloten und Navigatoren nach England geflogen, wo sie verschrottet wurden», erzählt Egger.

«Keines dieser Flugzeuge existiert heute noch.»

Wenn Sie Geschichten, Informationen oder Fotos über eines dieser Flugzeuge haben, die während des Zweiten Weltkriegs in der Schweiz landeten, – vielleicht waren Sie sogar an Bord? – dann würde Dani Egger gerne von Ihnen hören: dani@warbird.ch

(Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)

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