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Was ist ein guter Lohn in der Schweiz?

Leben vom Existenzminimum in der Schweiz

Familien mit Kindern beim Einkaufen
Im Caritas-Markt können Menschen in sozialer Notlage Lebensmittel und Produkte des täglichen Bedarfs zu stark vergünstigten Preisen einkaufen. Caritas Schweiz

Über acht Prozent der Schweizer Bevölkerung sind arm, fast dreieinhalb Prozent beziehen Sozialhilfe. In der reichen Schweiz werden die Armen zu Luxuslösungen mitgezwungen. So ist es für sie besonders schwer, über die Runden zu kommen.

Die Schweiz gehört zu den reichsten Ländern der Welt: Gemäss Vermögensreport der Credit SuisseExterner Link besitzt ein Erwachsener im Durchschnitt 538’617 Franken. Doch Vermögen und Einkommen sind ungleich verteilt.

Wie geht es jenen, die wenig haben?

«Kleine Einkommen in der Schweiz sind stark unter Druck», sagt Andrea Schmid-Fischer, Präsidentin des Dachverbands Budgetberatung Schweiz. Auch der untere Mittelstand drohe abzurutschen. Zwischen 2016 und 2017 nahm Armut in der Schweiz um fast 10 Prozent zu.

Wer durch alle Maschen fällt, bekommt in der Schweiz Sozialhilfe. Das ist nicht in allen Ländern selbstverständlichExterner Link. Wer wieder zu Geld kommt und in guten Verhältnissen lebt, muss die bezogenen Gelder allerdings zurückzahlen.

Die Lebenshaltungskosten steigen, während die Löhne stagnieren. Laut einer Umfrage des US-Vermögensverwalters BlackRockExterner Link sind inzwischen für 55% der Schweizer und Schweizerinnen ihre Finanzen der Stressfaktor Nummer Eins.

Vor allem Kinderhaben, eine Scheidung und die Pensionierung bringen ein Budget in Schieflage. Wer keine Ausbildung hat, ist in der Schweiz häufig arm dran.

Jammern auf hohem Niveau?

Armut ist allerdings relativ. Das zeigt sich bei Ländervergleichen.

Als arm gilt in der SchweizExterner Link, wer als Einzelperson von weniger als 2259 Franken oder als vierköpfige Familie von weniger als 3990 Franken pro Monat lebt. In Russland hingegen haben 12% der Bevölkerung weniger als 11’163 Rubel (174 Franken) pro Monat zur Verfügung.

Jammern wir in der Schweiz also auf hohem Niveau?

Natürlich sind die Ausgaben in der Schweiz höher als in Russland und Vergleiche daher immer schwierig. Schauen wir uns also ein durchschnittliches Budget an.

Grafik
Kai Reusser / swissinfo.ch

«Steuern, Miete und Wohnkosten sind die klassischen hohen Fixkosten. Bei kleinen Einkommen bleibt danach nicht viel für andere Ausgaben übrig», sagt Schmid-Fischer. Haushalte mit weniger als 5000 Franken Bruttoeinkommen können gemäss Zahlen des BundesExterner Link praktisch kein Geld zur Seite legen.

Das ist vor allem deshalb ein Problem, weil in der Schweiz jederzeit recht hohe Ausgaben auf einen zukommen können, die selbst getragen werden müssen. So sind beispielsweise Zahnarzt und Optiker nicht von der Krankenkasse gedeckt, Brillen, Hörapparate und bestimmte Medikamente müssen von Patienten und Patientinnen selbst bezahlt werden.

Arme zu Luxuslösungen gezwungen

Weil viele Schweizerinnen und Schweizer reich sind, ist es für Arme besonders schwer. Nicht nur sozial, sondern die Reichen zwingen die Armen auch zu Luxuslösungen mit.

Beispiel Krankenkassen: Hier müssen Arme mit dauernd steigenden Prämien der obligatorischen Grundversicherung auch Leistungen mitfinanzieren, die verzichtbar wirken. Die Grundversicherung deckt seit einer Volksabstimmung auch Homöopathie und alternative Behandlungen wie Akupunktur, Massagen der Traditionellen Chinesischen Medizin und andere Wellnessleistungen.

Es gibt verschiedene Existenzminima in der Schweiz.

Wer Schulden hat, dem bleibt nebst Wohnen und Krankenkasse ein betreibungsrechtliches Existenzminimum von 1200 Franken pro Monat.

Wer von der Sozialhilfe lebt, bekommt als Einzelperson je nach Kanton einen Grundbedarf von 986 Franken pro Monat. Das muss reichen für Essen, Kleider, Haushalt, Körperpflege, Verkehr und Kommunikation. Miete, Krankenkasse und Gesundheitskosten werden separat übernommen.

Bei Rentnern und Rentnerinnen mit Ergänzungsleistungen wird von einem allgemeinen Lebensbedarf von 1621 Franken ausgegangen.

Asylbewerber erhalten 290 Franken pro Monat, wenn sie in einem Zentrum leben. Sonst je nach Kanton etwa 485 Franken pro Monat.

Zum Vergleich: Der Medianlohn beträgt in der Schweiz rund 6500 Franken brutto pro Monat.

Auch Komplikationen nach Schönheitsoperationen sind gedeckt. Und immer mehr Spitäler haben nur noch Einzelzimmer oder maximal zwei Betten statt günstige Mehrbettzimmer.

Die Krankenversicherung Assura ist der Ansicht, dass zunehmend «Komfortleistungen» auf Kosten der Allgemeinheit bezahlt werden. Auch die Verbände der Krankenversicherer santésuisse und Curafutura teilen die Einschätzung, dass die Grundversicherung dauernd um Leistungen erweitert wird.

«Sorgen machen uns vor allem unnötige Leistungen, die zu keiner Verbesserung für den Patienten führen oder sogar schädlich sein können», sagt Christophe Kaempf von santésuisse. «Der Bund schätzt den Umfang der unnötigen Leistungen auf 20%.»

Ein anderes Beispiel: Weil Immobilien in der Schweiz beliebte Renditeobjekte sind, wird luxuriös gebaut. Es ist fast unmöglich, eine bescheidene und dafür billige Unterkunft zu finden.

Auch kann man sich in der Schweiz nicht zu fünft in eine Zweizimmerwohnung quetschen – das gilt als Übernutzung.

Trailerparks wie in den USA gibt es ebenfalls nicht. So sind die Wohnkosten für die Unter- und Mittelschicht der wohl grösste Posten im Budget.

Aber was bedeutet es nun konkret, in der Schweiz vom Existenzminimum zu leben? Ich versuche es einen Monat lang aus. Lesen Sie im Blog, wie es mir dabei ergeht.

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