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Warum die Gletscherschmelze uns alle betrifft

Gletscherschmelze fördert Konflikte ums Wasser

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Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten die alpinen Gletscher fast vollständig verschwinden. Keystone / Arno Balzarini

Mit dem Verschwinden der Gletscher verliert die Schweiz ein wichtiges Wasserreservoir. Dies wird Auswirkungen für die Landwirtschaft, die Stromerzeugung durch Wasserkraft sowie die Schiffbarkeit der grossen Flüsse Europas haben.

Beginnen wir mit einer guten Nachricht: Auch in den nächsten Jahren werden die Gletscher die Flüsse ausreichend mit Wasser versorgen. Das schreibt der Glaziologe Matthias Huss, Direktor des Gletschermessnetzes Schweiz (Glamos). Die in den Gletschern eingeschlossene Wassermenge wird den Flusspegel vorläufig stabilisieren und somit die immer häufigeren Trockenheitsperioden ausgleichen können.

+So wird die Schweiz in 40 Jahren sein

Aber: Die Schweizer Gletscher werden immer kleiner. Und eines Tages wird das Wasser, das von den auftauenden Gletschern bergabwärts fliesst, immer weniger werden. Der Strom könnte vielleicht sogar ganz versiegen. Dieser Wendepunkt («peak water») ist gemäss Huss in den meisten Wassereinzugsgebieten Südamerikas bereits Realität, aber nicht in Asien und Nordamerika. In den Alpen sei er wohl jetzt erreicht.

Warum sind Gletscher so wichtig?

Eine Artikelserie von swissinfo.ch zeigt die Folgen der Gletscherschmelze gemäss Höhenstufen auf: Dargestellt werden auch Strategien, darauf zu reagieren und diese Entwicklung zu bremsen.

3000-4500 Meter: Gletscherseen und Landschaft
2000-3000 Meter: Naturgefahren und Tourismus
1000-2000 Meter: Stromgewinnung aus Wasserkraft
0-1000 Meter: Wasserressourcen

Wasser von Gletschern für 60 Jahre

Gletscher speichern rund 95 Prozent der Süsswasservorräte der Erde. Daher verwundert es nicht, dass die rund 1500 Gletscher der Schweizer Alpen ein äusserst wertvolles Reservoir für Trinkwasser sind. Doch der Inhalt dieser Speicher ist seit einigen Jahrzehnten, aber vor allem in den letzten Jahren, bedingt durch den Klimawandel, immer geringer geworden.

In Folge der steigenden Temperaturen und anhaltenden Hitzewellen im Sommer ziehen sich die Gletscher immer schneller zurück. «Wenn das Schmelzwasser von 2017 an jeden Haushalt des Landes verteilt würde, könnte jeder ein 25-Meter-Schwimmbecken füllen», schreibtExterner Link der WWF Schweiz.

+ Alpengletscher? Vielleicht nur eine Erinnerung im Jahr 2100.

Die in den Schweizer Gletschern gespeicherten Wasserreserven betragen 57 Kubikkilometer Wasser, was den Trinkwasserverbrauch der Schweizer Bevölkerung (8,5 Millionen Menschen) für rund 60 Jahre decken würde.

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Der Konflikt ums Wasser

Angesichts dieser Zahlen muss man sich fragen: Wird die Schweiz Probleme mit der Wasserversorgung haben, wenn die Gletscher dereinst ganz verschwunden sein sollten?

«Bestimmt nicht», antwortet Paolo BurlandoExterner Link, Professor für Hydrologie und Wasserwirtschaft an der ETH Zürich. «Die Schweiz verfügt über genügende Wasserreserven, auch im Falle eines Wachstums der Bevölkerung auf 10 Millionen Menschen bis zum Jahr 2050. In den Alpen wird es weiterhin ausreichende Niederschläge geben», so der Wasserexperte. Es werde sich allerdings die Form ändern, in welcher die Niederschläge fallen. Statt Schnee werde es immer häufiger Regen geben. «Wir müssen daher das Wasser anders bewirtschaften», sagt Burlando im Gespräch mit swissinfo.ch.

Einer der grössten Konflikte besteht zwischen Landwirten und den Betreibern der Wasserkraftwerke. Die Interessen sind genau gegenläufig. Auf der einen Seite will man in Hitzeperioden im Sommer möglichst viel Flusswasser haben, um die Felder zu bewässern. Auf der anderen Seite wollen die Kraftwerkbetreiber möglichst viel Wasser in den Staubecken speichern, um im Winter die hohe Nachfrage nach Strom befriedigen zu können.

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Der Limmern-Staudamm im Kanton Glarus. In der Schweiz produziert die Wasserkraft fast 60% des Stroms. Keystone / Alessandro Della Bella

Tatsache ist, dass in Zukunft auch im Sommer Verbrauchsspitzen zu bewältigen sein werden, insbesondere wegen dem steigenden Strombedarf durch Klimaanlagen. Laut Paolo Burlando wird das die möglichen Konflikte etwas entschärfen, weil auf Grund einer höheren Produktion dann auch im Sommer mehr Wasser abfliesst.

Burlando betont seinerseits die Notwendigkeit einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Wasserreserven, etwa durch die Einrichtung neuer Speicherseen in Berggebieten. «In dieser Optik werden auch erneuerbare Energien wie Sonnen- oder Windkraft eine wichtige Rolle spielen, etwa im Zusammenhang mit Pumpspeicherkraftwerken«, sagt der ETH-Professor.

Wie lässt sich die zunehmende Sommertrockenheit bewältigen?

Im Rahmen der Pilotphase II des 2013 lancierten Programms «Anpassung an den KlimawandelExterner Link» fördert der Bund Projekte, welche Konfliktsituationen bei der Nutzung von Wasser in niederschlagsarmen Zeiten zu vermeiden helfen sollen. So wird in Graubünden die Möglichkeit geprüft, Mehrzweck-Speicherbecken Externer Linkzu bauen, welche die schmelzenden Gletscher ersetzen. Im Aargau werden Szenarien ausgearbeitet, damit sich die Landwirtschaft den immer trockeneren Klimabedingungen anpassenExterner Link kann.

Weniger Wasser in europäischen Flüssen

Matthias Huss ist seinerseits überzeugt, dass das Abschmelzen der Schweizer Gletscher auf lange Sicht nicht nur Folgen für die Alpentäler und das Schweizer Mittelland haben wird, sondern für ganz Europa.

Der Professor für Glaziologie an der ETH Zürich hat berechnetExterner Link, dass 25 Prozent des Rhone-Wassers, das im August ins Mittelmeer fliesst, aus Schmelzwasser von alpinen Gletschern stammt. Ähnlich verhält es sich bei Rhein, Donau und Po, auch wenn dort der prozentuale Anteil von Schmelzwasser jeweils nicht ganz so hoch ist. Gemäss Huss lässt sich leicht erkennen, dass die Schiffbarkeit dieser Flüsse leiden wird, wenn diese wichtige Wasserherkunftsquelle nicht mehr vorhanden sein sollte.

In Folge des geringeren Zuflusses von schmelzendem Schnee und Eis könnte sich die Durchflussmenge der Rhone bis Ende dieses Jahrhunderts halbieren, heisst es in einem Artikel der Tageszeitung Le MondeExterner Link. Dieser Rückgang wäre auch in Schweizer Seen und Flüssen wie der Aare spürbar, sagt der Schweizer Andreas Fischlin, Mitglied des UN-Klimarates (IPCC), auf dem Online-Portal watson.chExterner Link.

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Der Rhein bei Oberwesel in Rheinland-Pfalz (Deutschland) im Juli 2018. Keystone / Peter Zschunke

Weniger Last auf Schiffen

Die Verantwortlichen der Binnenschifffahrt in der Schweiz hatten in den letzten Jahren immer wieder mit Trockenperioden zu kämpfen, auf die sie reagieren mussten. «In der Rheinschifffahrt stellen wir fest, dass es immer häufigere sogenannte Niedrigwasserperioden – Zeiträume mit niedrigen Wasserständen – gibt. Dies führt dazu, dass Schiffe in dieser Zeit weniger transportieren können. Beispiel: wenn ein Schiff bei normalen Wasserständen 3000 Tonnen laden kann, sind es bei Niedrigwasser zwischen 300 und 900 Tonnen», sagt Simon Oberbek, Leiter Kommunikation und Verkehrspolitik bei den Schweizer RheinhäfenExterner Link.

Die Branche reagiere auch mit der Entwicklung leichterer Schiffbaumaterialien, sagt Oberbeck. Die Schweizerischen Rheinhäfen haben zudem im Januar 2019 eine Korrektur der Schifffahrtsrinne im Stadtgebiet Basel vorgenommen. Schiffe können dank der höheren Mindestfahrrinnentiefe bei Niedrigwasser rund 300 Tonnen mehr transportieren.

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(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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