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Ausgewandert: Der Späte und die Weiterwanderer

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Mit einem Segeltörn in Thailand begann für Franz Juchli (75) ein neues Leben. Andrea (46) und Rolf (52) Bertschi führen in Frankreich ein Hotel. Teil 5 und 6 der Serie.

Ein Segeltörn in Thailand, zu dem ihn Kollegen überredet hatten, öffnete Franz Juchli (75) aus Buchs ZH die Augen. «Drei Wochen ohne Handy, Fax, Mail – ich erkannte, dass es Schöneres gibt im Leben, als nur zu arbeiten.» Er, der immer «volle Pulle» gearbeitet hatte und es mit seinem Spenglerei-Malerei-Geschäft zu Vermögen gebracht hatte, warf seinen Lebensplan über den Haufen. Statt bis 70 weiterzuarbeiten, verkaufte er von einem Monat auf den anderen sein Geschäft, sein Haus, seine Autos und seine Harley-Davidson und wanderte aus.

Leicht fiel ihm der Abschied aus der Schweiz vor acht Jahren auch, weil er sich als Eidgenosse, wie er sich selbst bezeichnet, stetig unwohler fühlte im eigenen Land. Er wollte sich nicht mehr ärgern über die Ausländerpolitik oder über die Polizeikontrollen, in die er mit dem Auto immer wieder geriet. Juchli spricht von einem Polizeistaat.

Niedergelassen hat er sich in Pattaya an der östlichen Golfküste Thailands. Hier war er während der Pandemie froh um sein Haus mit Pool und Umschwung, war ständig am Renovieren und Reparieren. Doch nach seiner Genesung von einem Hirnschlag 2021 entschied er sich, das Haus zu verkaufen. «Das Leben kann schnell vorbei sein. Ich will es nur noch geniessen», sagt er.

Seither lebt Franz Juchli in einer bewachten Wohnanlage, wo er verschiedene Schweizer als Nachbarn hat. Er geniesst den Ruhestand als Single ohne Existenzängste, trifft sich mit Schweizer Kollegen zum Kaffee, zum Nachtessen oder zum Billardspielen. «Ich habe in Thailand ein freieres, entspannteres Leben gefunden», sagt er.

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Die Weiterwanderer

Für ihre Verhältnisse sind Andrea (46) und Rolf (52) Bertschi nun schon lange am selben Ort: 2018 zogen sie mit ihren zwei kleinen Kindern in das Schlosshotel Château de Montcaud in der Provence und führen es seither gemeinsam. Zuvor wechselten sie in rascherem Takt ihre Wahlheimaten.

«Die Hotellerie hat mir ermöglicht, verdienend andere Länder zu sehen», sagt Rolf Bertschi aus Suhr AG, der seit 20 Jahren im Ausland arbeitet und schon immer reisen wollte.

Andrea Bertschi aus Basel wanderte mit 31 aus. «Ich suchte den Nervenkitzel und sah es als persönliche Herausforderung, mein geordnetes Leben hinter mir zu lassen und mich allein durchzuschlagen», sagt die Psychologin.

Während der Zeit, als sie in der thailändischen Hauptstadt Bangkok Englisch unterrichtete, wurden die beiden ein Paar. Gemeinsam ging es für jeweils ein paar Jahre nach Hongkong, Südchina, Dubai – und dann nach Frankreich. «Manche denken vor dem Auswandern, jeder Tag werde ein Abenteuer», sagt Rolf Bertschi. Doch egal wo, schnell stellt sich jeweils ein Alltag ein. Seit ihre Kinder eingeschult sind, sind die Kontakte zur lokalen Bevölkerung selbstverständlich geworden. «Aber besonders nahe kommen wir den Menschen hier nicht. Man bleibt immer fremd», sagt der Hotelier.

Mit Kindern kommt nicht mehr jede Destination als Wohnort infrage, auch wegen der Schulbildung. Eine Option steht immer offen: «Als Schweizer im Ausland haben wir den Luxus zu wissen, dass unser Heimatland und unsere Familien uns auffangen, wenn wir zurückkehren», sagt Andrea Bertschi.

Dieser Text wurde zuerst im Sonntagsblick publiziert und wird hier mit freundlicher Genehmigung reproduziert.

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