Ausgewandert: Die Junge und die Mitreisende
Ada (11) und Ruben (13) haben nur wenige Erinnerungen an Basel. Helen Freiermuth (65) folgte ihrem Mann ins Ausland. Teil 3 und 4 der Serie.
Die Geschwister Ada (11) und Ruben (13) haben nur wenige Erinnerungen an ihren Alltag in Basel. Seit acht Jahren leben sie mit ihrem grossen Bruder und ihren Eltern in Cambridge, nördlich von London. «In der ersten Zeit hier schauten wir häufig ‹Peppa Pig›, um die Sprache zu lernen», erinnert sich Ada. Das mit dem Englischen klappte problemlos, noch schneller aber knüpften sie erste Freundschaften in der neuen Heimat. «Wann immer möglich, habe ich Fussball gespielt. So habe ich in der Schule James kennengelernt, mit dem ich noch heute befreundet bin. Er war von Anfang an sehr nett zu mir», sagt Ruben.
Als Ausländer sind sie nichts Besonderes in der Universitätsstadt. An ihren Schulen habe es viele Kinder aus verschiedenen Kulturen und Ländern, erzählen sie. Ob etwas typisch Schweizerisch an ihnen ist, vermögen Ruben und Ada nicht zu sagen.
Mehrmals pro Jahr kehren sie mit ihrer Familie in die Schweiz zurück, und dann freuen sie sich nicht nur auf die Grosseltern, Verwandte, Freundinnen und Freunde, sondern auch auf Rivella, Cervelat, Schokolade und Paprika-Chips.
Ada und Ruben können sich beide vorstellen, als Erwachsene selbst in ein anderes Land zu ziehen. Vorerst aber möchten sie in der neuen Heimat bleiben. «Wir haben hier so viele gute Beziehungen geknüpft, ich fände es nicht völlig easy, jetzt wegzugehen», sagt Ruben. Und Ada fügt an: «Trotzdem wäre es cool, wieder mal in der Schweiz zu leben.»
Die Mitreisende
Für die berufliche Karriere ihres Mannes gab Helen Freiermuth (65) einen vorgezeichneten Weg in die Politik auf. «Das war das Einzige, was ich vermisst habe, als wir 1995 auswanderten», sagt sie.
Fünf Jahre Shanghai (China) waren abgemacht, doch dabei blieb es nicht. Ihr Mann, Firmenleiter in einem deutschen Konzern, liess sich in die USA versetzen, später nach Kanada und erneut nach China. An den ersten beiden Auslandstationen waren die beiden Töchter des Paars aus dem Zürcher Unterland dabei. Später gingen sie ihre eigenen Wege. Seit ihr Mann vor zehn Jahren pensioniert wurde, lebt Helen Freiermuth mit ihm in Çeşme in der Nähe von Izmir (Türkei) an der Ägäis.
Als mitausreisende Ehefrau übernahm sie an jedem neuen Ort die administrativen Aufgaben, knüpfte Kontakte, lernte Chinesisch, lernte Türkisch, betätigte sich karitativ. «Ich war immer schon aktiv. Das hat sich im Ausland sicher noch verstärkt – anders geht man unter», sagt Helen Freiermuth. Sie fand auch einen Weg zurück in die Politik: Helen Freiermuth ist Delegierte für die Türkei im Auslandschweizerrat und präsidiert die FDP International.
«Wenn man sich in anderen Kulturen bewegt, verändert sich der Blick auf das eigene Land», sagt sie. «Man hat das Gefühl, die Menschen in der Schweiz sind sich gar nicht bewusst, wie gut es ihnen geht.» Helen Freiermuth erfüllt es mit Glück, sich in neuen Situationen zurechtzufinden, neue Erfahrungen zu machen. In Çeşme ist das Paar Teil der lokalen Gesellschaft geworden – und empfängt Bekannte aus nah und fern. «Jetzt reisen wir nicht mehr in die Welt, die Leute kommen zu uns.»
Dieser Text wurde zuerst im Sonntagsblick publiziert und wird hier mit freundlicher Genehmigung reproduziert.
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