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Für diese Auslandschweizer war das Virus der Ruin

Trotz Lohnausfall kaum Staatshilfe in Sicht: Für viele Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen hat die Covid19-Krise bereits heute existenzielle Folgen.

Geschlossene Geschäfte, leergefegte Strassen, Hausarrest für Millionen Menschen weltweit  – Corona zwingt die Wirtschaft in die Knie. Die langfristigen Folgen lassen sich erst erahnen. In Ländern, in denen die Löhne tief, die Ersparnisse knapp und die staatlichen Hilfsmassnahmen dürftig sind, sehen sich viele Menschen schon in diesen Tagen mit sehr grundlegenden Entscheidungen konfrontiert.

Surfer
zvg

«Essen können wir uns gerade noch leisten, für die Miete wird’s aber knapp. In ein bis zwei Monaten werden unsere Ersparnisse aufgebraucht sein. Was dann ist, weiss ich nicht», gibt Sandra Caduff Menzli gegenüber swissinfo.ch unumwunden zu.

Gemeinsam mit Ehemann Luis betreibt sie ein kleines Geschäft im portugiesischen Surfer Mekka Peniche. Den Grossteil ihrer Ersparnisse haben sie kürzlich in den Umbau einer alten Fabrikhalle investiert. «Vor drei Monaten konnten wir dann endlich unseren neuen Coworking Space eröffnen. Doch genau zu Saisonbeginn mussten wir beide Geschäfte schliessen», so die Bündnerin. Sozialleistungen vom Staat hat sie bislang keine erhalten, und selbst wenn irgendwann Geld kommen sollte, wird es nicht mehr als wenige hundert Euro sein.  

Eiserner Wille und harte Arbeit

Die Situation setzt Caduff Menzli zu: «Nicht zu wissen, ob wir unserem zweijährigen Sohn Essen kaufen können, ist schrecklich.» An manchen Tagen fragt sich die studierte Psychologin, ob sie nicht einfach in der Schweiz eine gut bezahlte Akademikerstelle hätte annehmen und auf Sicherheit spielen sollen. 

Frau mit Kind
Sandra Caduff Menzli mit ihrem Sohn. zvg

Dann gibt es aber auch hoffnungsvolle Tage, in denen sie sich auf das konzentrieren kann, was sie hat: ihre Familie, ihre Gesundheit, ein Dach über dem Kopf, einen Traumstrand vor der Haustür – und ein Gefühl von Zusammenhalt innerhalb der Bevölkerung. «In Portugal war es finanziell schon immer schwierig. Die Menschen haben gelernt, mit wenig zu leben», erzählt sie. 

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Caduff Menzli hat den portugiesischen Kampfgeist nach sieben Jahren in ihrer neuen Heimat ebenfalls verinnerlicht und wurde kreativ. Vor wenigen Tagen startete sie ein CrowdfundingExterner Link, um ihr Geschäft zu retten. «Man muss alles probieren. Mit eisernem Willen und harter Arbeit kommt alles irgendwann zurück», hofft die Bündnerin.

Job weg, Frau weg, Haus weg

Dieser Kampfgeist scheint Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen dies- und jenseits des atlantischen Ozeans zu einen. Und das trotz widrigster Umstände. Max Bitterli hat in diesen Tagen nicht nur seine finanzielle Lebensgrundlage verloren, sondern auch seine Partnerin. «Sie verlor ihren Job, war psychisch angeschlagen. Irgendwie haben wir uns zerstritten. Vor einer Woche packte sie ihre Koffer, reiste zurück nach Europa und nahm unser Geld gleich mit», so der 60-Jährige.

Ein Mann mit Bart
Max Bitterli. zvg

Nun sitzt er allein auf den Kosten seines 5-Zimmer-Mietshauses – und das während der grössten Wirtschaftskrise, die der Taxiunternehmer je erlebt hat. «Corona ist schlimmer als 9/11. Damals hatte es immerhin noch Leute auf der Strasse, jetzt fahr ich stundenlang herum, aber da ist niemand!»

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Statt täglicher Einkünfte von bis zu 2000 US-Dollar muss Bitterli nun dankbar sein, wenn er seinen Tank füllen und sich ein vergünstigtes Sandwich leisten kann. Die Hoffnung, die nächste Miete bezahlen zu können, hat er aufgegeben. Stattdessen schaut er sich nach einer Bleibe in einer Wohnwagensiedlung um. 

Vom Staat hat er zwar eine einmalige Hilfsleistung von 1500 US-Dollar erhalten, damit komme man in Florida allerdings nicht weit. Unterkriegen lässt sich der gebürtige Oltner trotzdem nicht. Die USA, und das habe er immer gewusst, sei ein Land ohne Sicherheitsnetz. «Hier kannst du nur eins tun: Wieder aufstehen und weitermachen.»

«Auf den Staat ist kein Verlass»

Familie
Nicole Buser mit Familie. zvg

Auch 7500 Kilometer südlich von Fort Lauderdale im argentinischen Bariloche verlässt sich Auslandschweizerin Nicole Buser nicht auf Staatshilfe: «Wer nicht untergehen will, muss hier selbstständig Notfallpläne schmieden.» Sie muss es wissen. Schliesslich lebt die 41-jährige Zugerin schon ihr halbes Leben in Argentinien. 

Seit knapp zehn Jahren führt sie ein kleines Hotel in Patagonien. Innert weniger Tage stornierten fast alle Gäste ihre Reservationen. Seit dem 19. März ist das Hotel geschlossen. Die vierköpfige Familie lebt von ihren Ersparnissen und – noch – vom Lohn des Ehemanns, der ebenfalls im Tourismus tätig ist.

Ob sie ihre Türen zur Hochsaison ab Juni immerhin für argentinische Gäste öffnen darf, steht in den Sternen. Doch selbst wenn der Lockdown vorüber ist, die Grenzen geöffnet sind, die Flugzeuge wieder in der Luft: «Wie viel Geld die Menschen dann noch für Reisen haben, ist fraglich. Es wird sehr lange dauern, bis der Tourismus wieder zu alter Stärke findet.»

Buser sagt das unaufgeregt, analytisch, fast schon emotionslos. Nur in manchen Momenten, atmet sie tief ein, schliesst die Augen und sagt: «Ja, es ist schon schwer. Wir sitzen hier und haben keine Ahnung, wie es weitergeht.» 

Dann aber reisst sie sich gleich wieder zusammen und erzählt, wie damals, kurz nach der Hoteleröffnung, nur 100 Kilometer entfernt ein Vulkan ausgebrochen war und den regionalen Flugverkehr sechs Monate lang lahmlegte. «Das war schlimm. Aber wir haben es irgendwie geschafft. Und wir werden es wieder schaffen.»

Familie
Nicole Buser bleibt trotz allem optimistisch. zvg
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