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Ausmass der Katastrophe in Pakistan wird sichtbar

Pakistanische Flutopfer retten sich mit einem Lastwagen im Distrikt Muzaffargarth in der Provinz Punjab. Reuters

Angesichts der Hochwasserkatastrophe in Pakistan braucht das Land massive Hilfe und dringend finanzielle Unterstützung. Nach den Worten des pakistanischen UNO-Botschafters in Genf hat die internationale Gemeinschaft erst jetzt das Ausmass der Jahrhundertflut erkannt.

«Die anfängliche Reaktion der Weltöffentlichkeit war enttäuschend, aber jetzt steigt das Bewusstsein», sagte UNO-Botschafter Zamir Akram gegenüber swissinfo.ch am Dienstag in Genf.

Letzte Woche hatte die UNO einen Aufruf zur Nothilfe von fast 460 Millionen Dollar (479,4 Millionen Franken) lanciert. Regierungen haben bisher 161 Mio. Dollar für Nothilfe zugesagt, neben bilateraler Hilfe von 140 Mio. Dollar.

Er hoffe, dass die UNO-Generalversammlung am Donnerstag die Weltöffentlichkeit mehr aufrütteln werde als bisher, sagte Akram. Dabei dürfe die Hilfe für den Wiederaufbau nicht vergessen werden, der laut einigen Experten fünf Jahre dauern und 15 Milliarden Dollar kosten könnte.

Warnung der Hilfsorganisationen

«Das Geld kommt, aber das heisst nicht, dass die Situation perfekt ist», sagte Elisabeth Byrs, Sprecherin des UNO-Koordinationsbüros für humanitäre Hilfe (OCHA). Hilfsorganisationen, die in den am schwersten betroffenen Gebieten im Nordwesten Pakistans und in den Provinzen Punjab und Sindh tätig sind, beklagen sich zunehmend über die ungenügende internationale Reaktion auf die Flutkatastrophe.

Das Welternährungs-Programm (WFP), das bisher eine Million Menschen versorgte – obwohl Hilfe für sechs Millionen nötig wäre – forderte am Dienstag dringlich zusätzliche Gelder, da die Nahrungsmittellager für September «unter schwerem Druck» stünden.

Der Regionaldirektor des Kinderhilfswerks UNICEF, Daniel Toole, sagte mit Blick auf die drohende Ausbreitung von Krankheiten: «Wir haben nicht Hunderttausende, sondern Millionen Frauen und Kinder, die gefährdet sind.» Auch die ohnehin im Land verbreitete Unterernährung werde nun noch zunehmen.

Nach Einschätzung des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge UNHCR verwüsten die Wassermassen auf ihrem Weg nach Süden noch mehr Gebiete und treiben zahlreiche weitere Menschen in die Flucht.

Es bestehe die Gefahr, dass die Weltgemeinschaft die Dimension der Katastrophe, der bisher rund 1600 Menschen zum Opfer fielen, immer noch nicht begriffen habe, warnte die Organisation. Die UNHCR-Reserven an Hilfsgütern schrumpften. «Wir brauchen mehr Hilfsflüge und massive Mittel, um dieser Krise entgegenzutreten, die sich immer noch ausweitet.»

«Die Grösse von England»

Vertreter von Hilfsorganisationen versprechen sich bis Ende Monat einen besseren Überblick über die gesamthaft nötige Hilfe. Laut Pakistans UNO-Botschafter sind 14 Millionen Menschen von der vor drei Wochen begonnenen Hochwasserkatastrophe in seinem Land betroffen – ein Zehntel der Bevölkerung, in einem Gebiet «von der Grösse Englands».

Die Fluten des Indus-Flusses hätten sich an einigen Orten bis auf 35 Kilometer ausgebreitet, erklärte Zamir Akram. Hunderttausende von Wohnäusern und anderen Gebäuden, darunter Schulen und Spitäler, wurden zerstört und weggeschwemmt. Ganze Nahrungsmittelernten wurden vernichtet. Es ist fraglich, ob die Bauern im September ihren Winterweizen anpflanzen können.

Zahlreiche Dörfer seien durch die Fluten von der Umwelt abgetrennt, das sei eine grosse Herausforderung, sagte Rolf Stocker, Verantwortlicher für die humanitäre Hilfe beim Evangelischen Hilfswerk der Schweiz (HEKS).

«Strassen und Brücken sind zerstört, nur die pakistanische Armee und grosse Hilfsorganisationen haben Helikopter», so Stocker. Das HEKS hat kürzlich mit der Verteilung von Nahrungsmitteln und notwendigsten Haushaltsgeräten an 30’000 Menschen im Malakand-Distrikt begonnen.

Die Antwort der Schweiz

In der Zwischenzeit hat die Schweizer Regierung die humanitäre Hilfe für Pakistan aufgestockt. Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) hatte ursprünglich 6,7 Millionen Franken Hilfsgelder für Pakistan vorgesehen.

Nach der Flutkatastrophe hat die Regierung zusätzlich 4 Millionen Nothilfe beschlossen. Davon erhält das in Genf beheimatete Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) 3 Millionen Franken. Eine Million geht an das WFP.

Im weiteren hat die Schweiz sechs Experten in die Katastrophenregion entsandt. Ihre Aufgabe besteht darin, das Terrain für mittelfristige Projekte vorzubereiten. Primär geht es um Assessments in den Bereichen Wasserversorgung und Unterkünfte. Zudem werden sie die Nothilfeaktionen ausbauen. Vor Ort befinden sich bereits fünf Angestellte der Deza, die die Soforthilfe koordinieren.

Am Mittwoch, den 18, August führt die schweizerische Glückskette einen nationalen Spendentag für Pakistan durch.

Simon Bradley, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Jean-Michel Berthoud)

Der nationale Spendenaufruf findet am Mittwoch, 18. August, von 6 bis 24 Uhr statt.

Glückskette Postkonto 10-15000-6 (Vermerk «Überschwemmungen Asien»),
UNICEF Postkonto 80-7211-9 (Vermerk: Nothilfe Pakistan)

Acht Partnerhilfswerke der Glückskette sind bei der Flutkatastrophe in Asien aktiv: Terre des hommes Kinderhilfe, HEKS, Caritas Schweiz, das Schweizerische Rote Kreuz (SRK), Handicap International, die Christoffel Blindenmission (CBM), die Heilsarmee und das Schweizerische Arbeiterhilfswerk (SAH).

Die Schweiz ist seit 1966 im Rahmen ihrer Entwicklungs-Zusammenarbeit in Pakistan aktiv. In den letzten 40 Jahren lag der Schwerpunkt ihres Engagements in der Armutsbekämpfung und Unterstützung besonders benachteiligter Bevölkerungsgruppen.

Am 14. März 2008 beschloss der Bundesrat nach einem Entscheid des Parlaments, die Anzahl der Schwerpunktländer der Schweizer Entwicklungs-Zusammenarbeit zu reduzieren. Von diesem Entscheid ist auch Pakistan betroffen, das ab 2011 nicht mehr als Schwerpunktland gilt.

Das laufende Entwicklungsprogramm wird schrittweise an die lokalen Partner übergeben oder beendet. Einige Elemente werden in das neue Regionalprogramm Hindukusch aufgenommen. Im Juni wurde dafür ein Jahresbudget von rund 5 Millionen Franken genehmigt.

Unter dem Eindruck der Flutkatastrophe erwägt man beim Bund nun aber eine Korrektur der Beschlüsse von 2008. Pakistan werde vielleicht erneut Schwerpunktland der Schweizer Entwicklungshilfe, hiess es am Dienstag beim Departement für äussere Angelegenheiten (EDA).

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