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Der Traum vom Auswandern – und was daraus wurde

Der Türken-Müller, Generaldirektor der Orientbahnen
Der "Türken-Müller" schaffte es bis zum Generaldirektor der Orientbahnen. Thomas Kern/swissinfo.ch

Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer haben alle ihre ganz eigene Geschichte. Eine Ausstellung im Forum Schweizer Geschichte Schwyz beleuchtet die Entstehung der Auslandschweizer-Organisation (ASO) und setzt einzelne Auswanderer-Schicksale in Szene.

Zum Beispiel der «Türken-Müller». Als junger Mann reiste der Luzerner Bähnler Jakob Müller nach Istanbul. Dort legte er eine Bilderbuch-Karriere hin, «bis die Stelle eines Generaldirektors der Orientbahnen als Auszeichnung seiner Gewissenhaftigkeit, Tüchtigkeit, Arbeitsfreude, Treue und Ehrlichkeit seine Laufbahn krönte», wie das Luzerner Tagblatt 1923 in einem Nachruf schrieb.

Kuratoriun Pia Schubiger
Ausstellungskuratorin Pia Schubiger. Thomas Kern/swissinfo.ch

Müller ist einer der Protagonisten der Ausstellung «Die Schweiz anderswo»Externer Link im Forum Schweizer Geschichte SchwyzExterner Link, das zum Schweizerischen NationalmuseumExterner Link gehört. «Er zog 1877 mit knapp 20 Jahren nach Istanbul, sehr mutig und neugierig», sagt Pia Schubiger, welche die viersprachige Ausstellung (Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch) kuratiert hat.

In verschiedenen Modulen fasste Schubiger thematisch ähnliche Schweizer Auswanderer-Geschichten mit Texten, Objekten, Fotografien und Filmen zusammen. Sie gibt damit den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern ein Gesicht. Dafür hatte sie sich durch unzählige Bücher mit historischen Auswanderer-Geschichten gelesen. Natürlich waren nicht all diese Biografien von Erfolg gekrönt. Interessant sind sie trotzdem.

«Ihre Geschichten faszinieren uns; ihr Mut, anderswo etwas Neues, eine neue Perspektive zu suchen, ohne zu wissen, was genau sie erwartete. Wir verfolgen diese Geschichten, fühlen uns auch ein wenig repräsentiert von diesen interessanten Menschen», sagt Schubiger.

Ein neuer Begriff

Auslandschweizer. Dieser Begriff existiert erst seit 1916, als die Auslandschweizer-OrganisationExterner Link (ASO) gegründet wurde. Vorher nannte man sie einfach Auswanderer. Die Geschichte der Auswanderung aus der Schweiz und der Gründung der ASO ist der zweite Schwerpunkt dieser Ausstellung.

Über Jahrhunderte war die Schweiz ein reines Auswanderungsland. Viele Schweizer betätigten sich im Söldnerwesen als Arbeitsmigranten. «Ab 1850 kann man von Massenauswanderung reden», sagt Schubiger.

1888 rief der Bund ein Eidgenössisches Auswanderungsamt ins Leben. «Die Behörden hatten gemerkt, dass man diese Auswanderer nicht sich selbst überlassen kann, dass es eine Kontrolle braucht. Vor allem eine Kontrolle der Auswanderungs-Agenturen, die sich zum Teil nicht korrekt verhielten, sich bereicherten oder die Leute nicht ordnungsgemäss transportierten oder betreuten.»

Die Schweiz anderswo

Die Ausstellung «Die Schweiz anderswo» findet im Forum Schweizer Geschichte Schwyz statt.

Dauer der Ausstellung: 13. April bis 29. September 2019.

Erstmals wurden auch statistische Angaben erfasst, allerdings nur über die Übersee-Auswanderer. Die Auswanderer dort, wo sie sind, zu betreuen – diese Idee habe 1916 zur Gründung der ASO geführt, sagt Schubiger. Es sei damals auch um die Frage gegangen, wie diese Leute die Schweiz im Ausland repräsentieren würden. Seit 1966 ist die Unterstützung der «Fünften Schweiz» auch in der Bundesverfassung festgehalten.

«Starkes Symbol»

Die ASO, die auch Inputs für die Ausstellung gab, zeigt sich erfreut: «Es ist eine wichtige Anerkennung und ein starkes Symbol, dass sich eines der Nationalmuseen entschieden hat, über dieses Thema zu sprechen», sagt ASO-Direktorin Ariane Rustichelli.

«Mich freut es ganz besonders, dass das Schweizerische Nationalmuseum die vielseitigen und spannenden Geschichten der Bürgerinnen und Bürger im Ausland aufnimmt und die Entstehungsgeschichte der ASO behandelt», schreibt auch Botschafter Johannes Matyassy, Direktor der Konsularischen DirektionExterner Link, die unter anderem auch die zentrale Anlaufstelle des Bundes für Auslandschweizer-Fragen im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten ist.

#WeAreSwissAbroad-Porträts

Bank mit Porträts der Serie #WeAreSwissAbroad
Eine Bank, bei der auf Tablets die Porträts der Serie #WeAreSwissAbroad gelesen werden können. Thomas Kern/swissinfo.ch

Zwischen den einzelnen Themen-Modulen und der ASO-Wand finden die Besuchenden immer wieder Zeit, sich auf eine Bank zu setzen. Dort können sie auf Tablets verschiedene Auswanderer-Porträts aus der Instagram-Serie #WeAreSwissAbroad von swissinfo.ch lesen.

Die Geschichte des ehemaligen Schweizerischen Kurzwellendiensts, der ab 1935 die Schweiz über Radiowellen im Ausland repräsentierte, wird in der Ausstellung ebenfalls präsentiert. 1978 wurde dieser in Schweizer Radio International und 1999 in swissinfo.ch umbenannt.

Schliesslich wird die Ausstellung auch von einem breiten Rahmenprogramm mit Veranstaltungen begleitet. So wird etwa die Journalistin Susann Bosshard-Kälin über ihr Projekt «Einsiedeln anderswo»Externer Link berichten, in dem sie den Spuren von Auswanderern aus diesem Dorf nachgeht. Oder der Enkel des «Türken-Müllers», Jacques Müller, wird aus dem Leben seines Grossvaters erzählen.

Über die Ausstellung hinaus

Ein interessanter Punkt im Rahmenprogramm ist sicherlich die Sammlung von weiteren Migrationsgeschichten während der Dauer der Ausstellung. Zusammen mit dem Verein Musée imaginaire des migrationsExterner Link und dessen Büro für Migrationsgeschichten laden die Veranstalter die Besuchenden zweimal pro Monat dazu ein, mit ihrer eigenen Familiengeschichte vorbeizukommen und diese aufzeichnen zu lassen.

Für Ausstellungsmacherin Schubiger liegt darin eine wahre Schatzkiste, die über die Ausstellung hinausgeht. «Ich denke, da gibt es noch viel mehr Geschichten, die geschrieben werden könnten, die ebenso spannend sind, wie jene, die wir hier erzählen.»

Gratistickets

Als Medienpartner vergibt swissinfo.ch eine begrenzte Anzahl Gratistickets auf der Basis «first come, first served». Melden Sie sich dazu möglichst rasch bei Thomas.Waldmeier@swissinfo.ch mit dem Vermerk «Die Schweiz anderswo».

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