Auswanderer Yanick Iseli erhält Besuch von seiner Mutter
Die Mutter von Yanick Iseli reist nach Nicaragua, um ihren ausgewanderten Sohn zu besuchen. Einige Wochen später trifft sie eine weitreichende Entscheidung.
Es war alles perfekt geplant: Yanick Iselis Mutter hatte einen Flug nach Managua gebucht, die Hauptstadt Nicaraguas. Sylvie wollte drei Monate bei ihrem Sohn zu verbringen. Yanick stand früh am Flughafen, um sie zu abzuholen. Der Flug war gelandet, er sah Leute in die Ankunftshalle strömen – nicht aber seine Mutter. Langsam begann er sich Sorgen zu machen. Auch nach über einer Stunde war sie nicht in Sicht.
Dieser Beitrag ist Teil einer Serie über das Auswandern. SWI swissinfo.ch begleitet den Schweizer Yanick Iseli auf seinem Abenteuer nach Nicaragua und liefert gleichzeitig Informationen und Tipps rund ums Thema Auswanderung.
Da, nach zwei Stunden, erblickte er sie endlich. «Wie ein Häufchen Elend sah sie aus», erzählt Yanick Iseli. Sie sei bei der Zollkontrolle angehalten worden. «Sie haben mir alles auseinandergenommen», erzählt Sylvie ihrem Sohn. Auch alle elektronischen Geräte hatten sie ihr weggenommen. Sie war nicht die Einzige; auch die Geräte anderer Tourist:innen wurden beschlagnahmt.
Den Fotoapparat, den Feldstecher, die Überwachungskamera mit Solarpanel für den Sohn, ja sogar ihr eigenes Handy musste sie abgeben. Diese könne sie nicht mitnehmen, sagte der Beamte und redete irgendetwas von geheimer Kommunikation und Spionage – es sei denn, sie würde eine Gebühr sowie eine Einfuhrsteuer bezahlen: satte 120 Prozent auf dem Wert der Geräte.
Doch ihre eigenen Geräte zurückzukaufen, das kam für sie nicht in Frage. Nur schon aus Prinzip. «Das war also ihr erstes Erlebnis in Nicaragua», sagt Yanick Iseli.
Arbeiten in und um das Haus
Die nächsten Tage verbrachte Sylvie mit Ausruhen. Die 65-jährige Bielerin hatte in der Schweiz mit gesundheitlichen Problemen gekämpft, war über drei Wochen im Spital gelegen. Die Energie fehlte ihr. «Mit vielen frischen Früchten habe ich versucht, sie wieder aufzupäppeln. Zum Glück war gerade Papaya-Saison», erzählt Yanick Iseli.
Bald schon ging es seiner Mutter bedeutend besser. Sie begann zu tun, was Mütter gerne tun: Ihrem Sohn aufzulisten, was alles zu ändern sei in seinem Häuschen. Das Bad fertigstellen, den Boden vor dem Haus ebnen, alles schön einrichten. «Bei einem Punkt hatte sie Recht: Sie sagte, das Tüchlein vor dem Fenster sehe hässlich aus. Da hängen jetzt hübsche Vorhänge.»
Sylvie Iseli begann auch, neue Pflanzen aufzuziehen – Karotten, Salat, Bohnen, Tomaten, Basilikum, Okkrabohnen. «Nicht nur ich, auch die Hühner vom Nachbarn fanden, sie mache das ganz gut», erzählt Yanick Iseli mit Schalk in den Augen.
Die Hühner verschafften sich Zugang zu den in Eierschachteln spriessenden Pflänzchen und bearbeiteten sie mit ihren Schnäbeln. «Zuerst war Mami hässig, dann begannen wir von vorne – mit Gitterschutz.» Im Garten konnte man zudem Affen hören und manchmal sogar beobachten – wie sie Früchte klauten.
Auf Entdeckungsreise
Es blieb auch Zeit für Besuche auf Bambus- und Kaffeeplantagen, für Ausflüge in die Berge, einen Stadtbummel in León und vor allem auch für einige Abstecher ans Meer. Bei Las Peñitas in der Nähe von León konnten die beiden geschlüpfte Baby-Schildkröten bei ihrem Weg ins Meer zu beobachten.
Auch standen Strandferien mit Yanick Iselis neuer Freundin Karen an, die er schon von einer seiner früheren Reisen nach Nicaragua, im Jahr 2019, kannte. Zusammen mit ihr, ihren drei Kindern und einer Nichte reisten die Iselis nach San Juan del Sur, im Süden Nicaraguas an der pazifischen Küste. «Es waren wunderschöne Ferien», sagt Yanick Iseli.
Nach drei Monaten nahte die Rückreise von Sylvie Iseli. Sie hatte ihre Zeit in Nicaragua sehr genossen, auch ging es ihr gesundheitlich wieder viel besser. «Ich brachte sie an den Flughafen. Zehn Tage später ging mein eigener Flug in die Schweiz», erzählt Yanick Iseli. Er würde wieder einmal ein paar Monate im Jura arbeiten, um seinen Kontostand aufzubessern.
Offenbarung in der Heimat
Zurück in der Schweiz stattete er seiner Mutter einen Besuch ab. Da liess diese eine Bombe platzen: «Ich werde auch nach Nicaragua auswandern!»
Yanick Iseli war baff. «Dabei habe ich doch alles unternommen, um sie abzuschrecken», lacht er. Zu ihm in den Dschungel will sie aber nicht, Sylvie liebäugelt mit einem Plätzchen am Meer. Sohn Yanick will sie dabei unterstützen – ein weiteres Abenteuer steht an.
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