Auswandern auf Zeit: Wie eine Schweizer Familie nach Thailand zieht
Auswandern als Familie ist eine besondere Herausforderung. Stephanie Karrer liess ihr Haus in der Schweiz hinter sich und wanderte mit Ehemann und beiden Kindern nach Thailand aus. In Bangkok ziehen sie nach vier Monaten eine erste Bilanz.
Palmen statt Obstbäume, Grossstadt-Leben statt Agglo-Groove: Familie Karrer aus Lausen im Kanton Baselland ist Mitte Juli in die thailändische Hauptstadt Bangkok ausgewandert.
«Unsere Kinder haben wir vor vollendete Tatsachen gestellt», sagt Stephanie Karrer über die Entscheidung auszuwandern. «Das haben wir als Ehepaar entschieden.» Auch wenn einige Leute das nicht okay fanden, verteidigt sie diesen Entscheid: Die Kinder seien mit fünf und sieben Jahren noch nicht alt genug, um so weitreichende Entscheidungen treffen zu können. «Damit hätten wir sie überfordert», ist Stephanie Karrer überzeugt.
Zeit für einen Rollentausch
Das Auswandern auf Zeit bringt allen vier einen Tapetenwechsel und eine neue Erfahrung. «Wir wollten jetzt einmal einen Rollentausch vollziehen», sagt Marius Karrer (41). In der Schweiz arbeitete die 40-Jährige Stephanie zwar schon Teilzeit als Lehrerin, aber sie war die Hauptverantwortliche im Familienalltag. Den Spagat zwischen Familie und Beruf empfand sie als anstrengend.
«Jetzt wechseln wir für drei Jahre die Seiten», sagt Stephanie Karrer. Sie unterrichtet Vollzeit als Lehrerin an der Schweizerschule in Bangkok, wo sie vor über 20 Jahren schon einmal ein Praktikum gemacht hat. Für drei Jahre hat sie sich verpflichtet. Louis und Luc besuchen dort den Unterricht. Die Tagesstruktur an der Schweizerschule ermöglicht Marius Karrer nebst dem Familienmanagement auch noch ein Fernstudium zu absolvieren. «Die Kinder sind jeweils bis am Nachmittag in der Schule.»
Ganz so unvorbereitet traf der Auswanderungsentscheid die Karrer-Kinder aber nicht. Den definitiven Entschluss fasste das Ehepaar Karrer nach Thailandferien im Jahr 2022. «Ich wollte erst mal sicherstellen, dass es uns allen gefallen würde», sagt Stephanie Karrer. Die Familie hatte in diesen Ferien auch bereits die Schweizerschule besucht, mögliche Wohnhäuser angeschaut und die Umgebung entdeckt.
Es gibt viel zu organisieren
Dennoch: Die beiden Jungs waren anfangs nicht begeistert vom Plan der Eltern. «Wir mussten ihnen versprechen, dass wir danach wieder in unser Zuhause zurückkehren werden.» Eine der grössten Herausforderungen bei der Auswanderung mit Familie: Was passiert mit Wohneigentum? Karrers haben dank Freunden für ihr Haus eine Übergangslösung gefunden.
«Es braucht sehr viel Zeit für Organisatorisches – und die Bürokratie ist auch nicht zu unterschätzen», sagt Stephanie Karrer. Viele Dokumente mussten für das Visum und die Arbeitserlaubnis im Original vorhanden, übersetzt und beglaubigt werden. Nichts durfte vergessen gehen. Dazu kamen Abklärungen bei der Kranken- und Unfallversicherung, das Zügeln der Pensionskassenguthaben und das Ausfüllen der Steuererklärung.
Weil die Familie ihren Haushalt nicht im Container nach Thailand verfrachtet hatte, bereitete Stephanie Karrer auch das Packen Kopfzerbrechen. «Zum Glück ist meine Mutter für die ersten Wochen mitgekommen, so konnte sie für uns auch noch etwas mitschleppen.»
Was, wenn es jemandem nicht gefällt?
Vor der Auswanderung freuten sich Louis und Luc auf ihr Schlagzeug, das in Thailand bereits auf sie wartete. Die ganze Familie spielt Schlagzeug. Nicht angetan hingegen war der ältere der beiden von der Aussicht aufs Essen. «Louis hat nicht gerne Reis», sagt Stephanie Karrer.
Das hat sich mittlerweile geändert. Beide Buben mögen das Essen in der Kantine der Schule. «Ein grosser Pluspunkt», sagt Vater Marius. «Und am meisten lieben sie es, dass zwischen Essen und Unterricht noch Zeit zum Fussballspielen bleibt.»
Respekt hatte Mutter Stephanie im Vorfeld auch vor möglichem Heimweh und der Hitze in Thailand. Marius Karrer hingegen war ganz entspannt: «Wir gehen als Familie, da können wir einander auffangen.» Um seine Frau und seine Kinder machte er sich am wenigsten Sorgen: «Sie werden schnell Anschluss finden.»
Für ihn war es herausfordernder als Hausmann. Deshalb hat er schon vor der Auswanderung vorgesorgt und sich beim Fussballclub des Wohnquartiers in Bangkok angemeldet.
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Ein Leben in der Expat-Bubble
Der Plan ging auf. Die Kinder haben sehr schnell Freunde gefunden und sich gut integriert, auch dank Thaiboxen und Fussballtraining. «Heimweh war nie ein Thema», schreibt die Familie.
An der Schweizerschule hat Stephanie Karrer ein «tolles Kollegium» gefunden, mit dem sie auch in der Freizeit Sachen unternimmt. Und Marius Karrer lernte nebst einer «Multikulti-Truppe» beim Fussball auch zwei Väter kennen, die wie er Hausmänner in Bangkok sind.
Die Karrers rechneten ursprünglich damit, dass sich ihr Leben in Expatkreisen abspielen würde. Ein bisschen Thai wollten sie trotzdem lernen. Wie sieht es heute damit aus? «Wir bewegen uns nur in deutsch- oder englischsprachigen Kreisen», sagt Marius Karrer.
Im täglichen Leben aber kommt die Familie durchaus in Kontakt mit Einheimischen, die meistens kein Englisch sprechen. Da lerne man immer wieder neue Wörter und Wendungen. Inzwischen können beide Kinder thailändisch zählen. Sie lernen einzelne Thaiwörter in der Schule. Und Stephanie besucht einen Thai-Kurs. Die Karrers sind angekommen.
Editiert von Balz Rigendinger.
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