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Wettkampf soll Pflegeberufe attraktiver machen

Bei den Lehren liegt der Pflegebereich in der Schweiz auf dem dritten Platz. swissinfo.ch

Wer ist die beste Fachfrau oder der beste Fachmann Gesundheit der Schweiz? Angesichts des drohenden Personalmangels in Spitälern und Pflegeheimen sollen Pflegeberufe für junge Leute attraktiver gemacht werden. Dazu beitragen sollen auch nationale Berufs-Meisterschaften.

Auf Rahel Pomaros Gesicht glänzt der Schweiss, als sie unter dem grellen Licht für ihre «Patientinnen» das Frühstück vorbereitet. Auf der anderen Seite einer Glaswand schauen ihre Familie und Freunde angespannt zu, schwingen selbstgemachte Fahnen und Tücher, auf denen Rahels Gesicht aufgedruckt ist. Sie schaut auf die Uhr, um sich zu vergewissern, dass ihr genug Zeit bleibt, all die Aufgaben auf ihrer Liste zu erledigen.

Rahel ist eine der Teilnehmerinnen an der zweiten landesweiten Berufsmeisterschaft für Fachmänner/Fachfrauen Gesundheit, jene Menschen also, die Patientinnen und Patienten in Spitälern, Pflegeheimen oder im Rahmen von Krankenpflege zu Hause versorgen. In der Schweiz werden diese Berufe auch heute noch klar von Frauen dominiert – und im Final des Wettkampfs sind dieses Jahr nur Frauen vertreten. Der Gewinnerin winkt die Gelegenheit, 2017 an den nächsten Berufs-Weltmeisterschaften in Abu Dhabi teilzunehmen.

Für die Berufs-Meisterschaften wird der Pflegealltag simuliert. «Die ersten beiden Teilnehmerinnen heute Morgen schafften es nur knapp, ihre Aufgaben zu erledigen», erklärt Marlise Willareth. Die professionelle Pflegefachfrau hatte mitgeholfen, die Wettkampfsregeln auszuarbeiten und wirkt heute als Wettkampfrichterin.

«Jede Kandidatin muss sich um zwei Patienten kümmern, muss deren Fälle kennenlernen und für sie einen Pflegeplan ausarbeiten», sagt Willareth. «Sie hat zwei Stunden Zeit, ihre Aufgaben zu erledigen, welche Prioritäten sie setzt und wie sie plant, entscheidet sie selber.»

Eine der Patientinnen – Berufsschauspielerinnen, die für diese Aufgabe angestellt wurden – verschüttet Konfitüre auf ihren Rollator, genau in dem Moment, in dem die andere ein Glas Wasser verlangt. Mit einem Lächeln kümmert sich Pomaro gekonnt um beide Situationen.

Hohe Nachfrage

Die diesjährigen Schweizer Berufsmeisterschaften finden im Rahmen einer regionalen Berufsbildungsmesse im Kanton St. Gallen statt. Einige Teenager mit Broschüren in der Hand bleiben stehen und schauen dem Geschehen zu. Bei den Lehren liegt der Pflegebereich in der Schweiz auf dem dritten Platz, nach kaufmännischen Berufen und Ausbildungen als Informatiker.

Der jüngste Bericht über Versorgung und Nachfrage im Pflegebereich in der Schweiz kam jedoch zum Schluss, dass trotz einer Zunahme bei der Ausbildung von Pflegefachkräften bis 2025 nur etwa 56% des Bedarfs gedeckt werden können, vor allem aufgrund der alternden Bevölkerung im Lande.

«Das Interesse an Pflegeberufen besteht zwar, aber es ist noch immer nicht einfach, Leute zu rekrutieren, weil es für diese Berufe bestimmte Kompetenzen braucht», erklärt Willareth.

Dazu kommen die Schichtarbeit und der für die Schweiz mittelmässige Lohn von etwa 4000 Franken pro Monat. Zudem werde Pflegearbeit noch immer vor allem als «Berufsfeld für Frauen» betrachtet, das nicht sehr viel Prestige habe, sagt Willareth.

Die Zahl der Bewerbungen um Ausbildungsplätze zeige aber, dass Pflege trotz diesen Hürden ein attraktiver Beruf sei, erklärt Urs Sieber, Geschäftsführer der Dachorganisation der Arbeitswelt Gesundheit (OdASanté). Die grössten Herausforderungen sind seiner Ansicht nach, genügend Ausbildungsplätze zu schaffen und die richtigen Kandidaten und Kandidatinnen für die Lehren zu finden.

«Die Nachfrage nach Lehrstellen ist jedes Jahr grösser als das Angebot», erklärt er in dem Zusammenhang. «Wir könnten jede Stelle noch ein- oder zweimal mit gut qualifizierten Interessenten füllen. Das wäre nicht so, wenn der Beruf ein schlechtes Image hätte.»

Rahel Pomaro hat ihren Wettkampf-Einsatz beendet und wird von ihren Fans begrüsst. swissinfo.ch

Wie beurteilen?

Zurück zum Wettkampf: Pomaro verliess das simulierte Krankenzimmer, um etwas zu holen. 

«Erinnern Sie sich an ihren Namen? Ich hörte ihn nicht sehr gut», sagt die eine Patientin zur anderen. 

«Nein», antwortet diese. «Sie sprach zu leise.»

Die beiden Kampfrichterinnen machen sich Notizen.

Auch Umgang und persönliche Interaktion mit Patientinnen und Patienten sind kritische Elemente des Berufs, und am Anfang hatte es Zweifel gegeben, ob diese sogenannten «soft Skills» überhaupt beurteilt werden können.

Viele Leute hätten gesagt, es sei unmöglich, diese Kompetenzen zu testen, erzählt Willareth. Sie widerspricht dem und argumentiert: «Es ist eine Frage von Beziehungen. Es geht darum, wie die Pflegeperson organisiert ist, wie sie auf Patienten reagiert. Und das macht es spannend.»

In der Zuschauermenge bricht Jubel aus, als Pomaro und ihre Konkurrentin Livia Benesch ihren Wettkampf-Einsatz beenden. Beide schafften es, ihre Aufgaben in den zwei Stunden zu erledigen, wenn auch nur knapp.

«Es war ein ziemlicher Stress. Ich konnte viele Dinge, die ich brauchte, nicht finden», erklärt Pomaro. «Es war anders als bei meiner täglichen Arbeit, da ich mich gleichzeitig um zwei Patientinnen kümmern musste.» Wegen der zusätzlichen Herausforderung gab sie der einen Patientin, ohne darüber nachzudenken, versehentlich medizinische Informationen über die andere, als sie danach gefragt wurde.

Internationale Bühne

Letzten Endes gewinnt mit Irina Tuor eine andere junge Frau den mehrtägigen Wettkampf. Sie wird wahrscheinlich im nächsten Jahr nach Abu Dhabi reisen, um sich dort an den Berufs-Weltmeisterschaften mit anderen Fachleuten Gesundheit aus der ganzen Welt zu messen.

Alexandra Najer weiss, was die Siegerin der diesjährigen Schweizer Meisterschaften erwartet. Sie hatte im letzten Jahr in São Paulo an den Weltmeisterschaften teilgenommen, nachdem sie die allerersten Pflegeberufs-Meisterschaften in der Schweiz gewonnen hatte. 

Die Wettkampf-Anordnung in Brasilien war anders gewesen als in der Schweiz. Die Schauspieler, die Patienten und Patientinnen spielten, sprachen Englisch statt Deutsch. Dazu kam eine einzigartige Situation, bei der es um einen Demenz-«Patienten» ging, der imaginäre Männer sah. All dies habe den Wettkampf auf der internationalen Bühne wirklich zu einer Herausforderung gemacht, erinnert sich Najer.

Es habe sich aber gelohnt, findet sie heute. «Ich habe viel Selbstvertrauen entwickelt», erklärt sie. «Es macht mir nun gar nichts mehr aus, aufzustehen und vor Leuten zu sprechen.»

Heute nutzt Najer diese Fähigkeiten: Sie führt während der Meisterschaften Gruppen von jungen Leuten, die eine Lehre im Pflegebereich in Betracht ziehen könnten, durch das Gelände und informiert dabei über den Beruf.

Dies sei Teil der andauernden Bemühungen, das Profil von Pflegefachleuten sichtbarer zu machen und Gedanken an eine Karriere in diesem Beruf im Kopf junger Leute zu verankern, erklärt OdASanté-Geschäftsführer Sieber. «Manchmal haben wir mit unserem Image zu kämpfen. Mit diesen Meisterschaften, bei denen es um Fachkompetenzen geht, versuchen wir auch aufzuzeigen, dass es ein attraktiver Beruf mit vielen Optionen ist.»

Finden Sie, dass solche Wettbewerbe sinnvoll sind, um junge Menschen für einen Beruf zu begeistern? Schreiben Sie uns Ihre Meinung in einem Kommentar.

(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

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