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Blatter strebt trotz neuer Kritik fünfte Amtszeit an

Sepp Blatter, 78. Sein Wunsch, im Amt des Fifa-Präsidenten zu sterben, sollte Blatter verwehrt werden, sagt der Schweizer Fifa-Kritiker Guido Tognoni. Keystone

Am 12. Juni erfolgt in Brasilien der Anpfiff für die Fussball-WM 2014. Aber noch zuvor will der Schweizer Sepp Blatter seine fünfte Amtszeit als Präsident des Fussball-Weltverbandes Fifa aufgleisen, nämlich an der Sitzung des Exekutivkomitees in São Paulo.

Laut Fifa-Insidern werden dort einige langjährige Mitglieder des Gremiums, gewissermassen die Fussball-Weltregierung, den 78-Jährigen um eine Wiederkandidatur bitten. Dies werde Blatter zum Anlass nehmen, seine Kandidatur offiziell zu verkünden.

Unter den Insidern gibt aber auch zahlreiche Stimmen, die davon ausgehen, dass das Komitee  über die Vergabe der Fussball-WM 2022 nach Katar neu abstimmen müsse. Dies nach jüngsten Enthüllungen, wonach der Zuschlag an den Wüstenstatt mit Schmiergeldern erfolgte. Trotzdem findet sich kaum jemand, der dagegen wetten würde, dass der Herrscher über das runde Leder eine weitere vierjährige Amtszeit absolvieren wird.

In der Welt des Fussball herrscht Angst, sich mit Blatter anzulegen: Die Fifa ist eine Geldmaschine, die letztes Jahr einen Gewinn von 1,4 Mrd. Dollar einfuhr, also ist es für jeden Verband wichtig, sich mit ihr und ihrem Präsidenten gut zu stellen.

Im Feuersturm 

Blatter kann es sich erlauben, über die Kritiker seiner Organisation zu spotten. Wie letzten Oktober an der Universiät Oxford. «Es gibt jene, die von den schmutzigen Geheimnissen erzählen, die tief in unserem Hauptquartier über Zürich im Stile eines Bösewichts aus James-Bond-Filmen lagern, und wo wir die Ausbeutung der Unglücklichen und Schwachen planen», sagte er.

Jetzt aber, wo Blatter daran geht, die Präsidenten der 209 Mitgliederverbände für die nächstjährige Abstimmung einmal mehr hinter sich zu scharen, lodert ein Feuersturm um die Fifa-Zitadelle am Zürichberg herum.

Angesichts der WM-Vorbereitungen in Brasilien – die schlechtesten je, wie selbst Blatter einräumte, können die Fifa-Funktionäre nur beten und hoffen, dass der vierwöchige Grossanlass ohne ernste Vorfälle über die Bühne gehen wird.

Katar hat drei Probleme, welche die Fifa seit 2010 beschäftigt, als die Mitglieder des Exekutivkomitees die WM 2022 in die Wüste vergaben: die Ansetzung des Turniers in die gleissende Sommerhitze, die Behandlung der Arbeitsmigranten aus Asien auf den WM-Baustellen und die Beeinflussung der Abstimmung. Eine solche ist von den Organisatoren bisher immer klar abgestritten worden.

Im Hintergrund dieser Krisen steht immer noch die unerbittliche Kritik finanzieller Ungereimtheiten an die Adresse des Gremiums am Fifa-Hauptsitz in Zürich. Dieser Kritik versucht Blatter mit Reformen den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Geldverteilen als Vorteil 

Ein glaubwürdiger Herausforderer ist aber keiner in Sicht. Der Amtsinhaber hat den Vorteil auf seiner Seite, fliegt er doch tausende von Meilen um die Erde, um im Namen der Fifa Gelder für Fussball-Entwicklungsprojekte zu verteilen.

2011 ohne Gegner wiedergewählt, hat Blatter doch in Asien an Einfluss verloren. Dies aufgrund der Affäre um den Katarer Mohammed bin Hammam, der im Zentrum der Vorwürfe von Schmiergeldzahlungen für Katar 2022 steht.

Das ehemalige Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees war ein zentraler Verbündeter Blatters bei dessen Siegen bei den Präsidentschaftswahlen 1998 und 2002. Doch dann stürzte er mit seiner eigenen Kandidatur unter Vorwürfen der Bestechung zusammen. Deshalb sind einige hohe Funktionäre aus Asien nicht mehr so gut auf Blatter zu sprechen.

Dieser geniesst aber nach wie vor den Rückhalt der übrigen vier grossen Konföderationsverbände Nord- und Mittelamerika, Afrika sowie Ozeanien und Südamerika. Einzig Europa kann klar dem Anti-Blatter-Lager zugeordnet werden.

Revitalisiert 

Nach seinem letzten Wahlsieg räumten selbst Blatters Berater ein, dass er mitgenommen und gesundheitlich angeschlagen sei und er deshalb seine letzte Amtszeit antrete. Jetzt soll er auf einmal wieder erstarkt sein, und das trotz der anhaltenden Krisen.

Solche ist sich Blatter aber gewöhnt. Selbst nie ein Fan von Katar 2022, könnte er dem Schicksal dieser WM gelassen zuschauen, sofern die Rücknahme des Vergabe-Entscheides der Fifa keine finanziellen Schäden verursacht.

Die grösste Bedrohung für seine Präsidentschaft lauert in den nächsten fünf Wochen. Die neuesten Enthüllungen über finanzielle Vergehen könnten die Stimmung am Kongress in São Paulo trüben, während das Turnier nicht nur vom Geschehen auf dem Rasen abhängt, sondern auch von dem, was sich abseits tun könnte.

Getreue Blatters sagen, dass er von den persönlichen Attacken gekränkt sei und dass er für die Sünden anderer hinhalten müsse. Aber laut Alexandra Wrage, die der unabhängigen Expertengruppe zur Reformierung der Fifa angehört hatte, bis sie frustriert austrat, sei es in jeder Organisation die Spitze, die den Ton vorgebe.

«Führt man eine Organisation, ist man für deren Kultur verantwortlich», sagt Wrage, «bringt er Ausreden statt einer Entschuldigung, kommt sehr rasch Zynismus auf.»

Copyright The Financial Times Limited 2014

Aufgrund der neuen Enthüllungen stellte Schweizer Radio SRF Sepp Blatter die Frage, ob er als Fifa-Präsident zurücktrete.

Diese Frage sei falsch gestellt, antwortete Blatter per Mail, da er vom Exekutivrat in sein Amt gewählt worden sei.

Sepp Blatter solle auf eine fünfte Amtszeit als Fifa-Präsident verzichten. Dies forderte Fifa-Experte und -Kritiker Guido Tognoni am Donnerstag gegenüber Schweizer Radio SRF.

Blatters Begründung, er müsse «seine Mission zu Ende bringen», belaste die Würde des Amtes des Fifa-Präsidenten, weil er damit zum Ausdruck bringe, dass niemand anderes dieses Amt ausführen könne, so Tognoni.

Blatter wolle «in seinem Amt sterben», vermutete Tognoni. Doch dies solle ihm nicht gewährt werden.

Als langjähriger Marketing- und Medienverantwortlicher des Weltfussball-Verbandes ist der Schweizer mit der Fifa und deren Langzeit-Boss Sepp Blatter bestens vertraut.

Gefragt, ob Blatter selbst korrupt sei, antwortete Tognoni diplomatisch, aber unmissverständlich. Man habe ihm selbst nie Korruption nachweisen können, aber als Fifa-Präsident müsse er davon gewusst haben.

Laut jüngsten Enthüllungen der britischen Sunday Times hatte der Katarer Mohammed bin Hammam die Vergabe der WM 2022 zugunsten seines Landes mit 5 Mio. Dollar beeinflusst. Damit habe der Geschäftsmann vor allem Stimmen aus Afrika gewonnen.

Bin Hammam, Ex-Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees und 2010 Herausforderer Sepp Blatters, ist vorbelastet, wurde er doch wegen Korruption aus dem Gremium ausgeschlossen.

(Übertragung aus dem Englischen: Renat Kuenzi)

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