Wenn die letzte Reise über die Grenze führt
Eine Bestattung zu organisieren, ist naturgemäss nichts Angenehmes. Familienangehörige und dem Verstorbenen nahestehende Personen müssen nebst ihrer Trauer eine Reihe von Hindernissen bürokratischer und ökonomischer Art bewältigen. Diese häufen sich, wenn der Verstorbene nach seinem Ableben noch eine Landesgrenze zu überwinden hat.
Vergangenes Jahr sorgten bürokratische Fallstricke im Kanton Tessin für Gesprächsstoff. Einwohnern von Como und Umgebung war es nach der Schliessung des örtlichen Krematoriums im Jahre 2016 nicht möglich, Verstorbene ins nächstgelegene Krematorium nach Chiasso zu überführen. Die Krux an der Sache: die Landesgrenze dazwischen.
Wie einem Artikel der Tessiner Tageszeitung la RegioneExterner Link zu entnehmen ist, konnte die Angelegenheit im Dezember letzten Jahres nach langem Hin und Her bereinigt werden. Sie hat jedoch deutlich gemacht, dass Landesgrenzen für Familienangehörige bisweilen ein nicht unerhebliches Hindernis darstellen können. Wir haben mit zwei Sachverständigen gesprochen.
Zinksarg und Leichenpass
Die Aufgabe eines Bestattungsunternehmens besteht vor allem darin, die Angehörigen in der Trauerphase zu entlasten – was natürlich seinen Preis hat. Soll der Leichnam eines geliebten Menschen beispielsweise im Ausland zur ewigen Ruhe gebettet werden, fallen erhebliche Mehrkosten an.
Die Aufgabe eines Bestattungsunternehmens besteht vor allem darin, die Angehörigen in der Trauerphase zu entlasten – was natürlich seinen Preis hat. Soll der Leichnam eines geliebten Menschen beispielsweise im Ausland zur ewigen Ruhe gebettet werden, fallen erhebliche Mehrkosten an.
So darf gemäss Völkerrecht der Leichnam eines Angehörigen die Grenze nicht zuletzt aus hygienischen Gründen erst passieren, wenn er zuvor in einen Zinksarg gebettet wurde, der anschliessend luftdicht verschlossen (gelötet) und überdies in einen normalen Holzsarg gelegt wird.
Hinzu kommen administrative Verfahren, die bei allfälligen Grenzkontrollen gewährleisten, dass alles seine Ordnung hat und kein anderer als der Verstorbene selbst im Sarg liegt. Um den Leichnam in einen der Unterzeichnerstaaten des Berliner AbkommensExterner Link überführen zu können, zu denen auch die Schweiz und Italien gehören, bedarf es eines sogenannten Leichenpasses, der von der zuständigen Behörde ausgestellt wird.
Andere Kantone, andere Sitten
Ist der Tod in der Schweiz eingetreten, so können sich kostenmässig je nach Kanton beträchtliche Unterschiede ergeben. Während man im Kanton Thurgau für 50 Franken einen Leichenpass erhält, muss man in der Stadt Zürich inklusive Verlöten und Versiegeln des Sargs mit bis zu 400 Franken rechnen. In St. Gallen wiederum ist laut Michele Bagorda vom Schweizerischen Verband der Bestattungsdienste (SVB) für das entsprechende Prozedere eine Gebühr von 270 Franken zu entrichten.
Unter Berücksichtigung aller anfallenden Kosten kommt die letzte Reise eines Leichnams, der aus der Deutschschweiz nach Italien überführt wird, in der Regel auf mindestens 6000 Franken zu stehen.
Bagorda hat sich vor mehreren Jahren auf die Rückführung verstorbener italienischer Staatsangehöriger aus der Nordostschweiz nach Italien spezialisiert. Seiner Erfahrung nach besteht die grösste bürokratische Hürde darin, die für die Ausstellung des Leichenpasses erforderliche Todes- oder Sterbeurkunde zu beschaffen.
Das zuständige Zivilstandsamt benötigt in diesem Zusammenhang mehrere Dokumente, die nicht immer leicht beizubringen sind: «Zunächst einmal die Geburtsurkunde, bei verheirateten Personen die Heiratsurkunde. Ist ein Ehepartner bereits verstorben, bedarf es dessen Todes- oder Sterbeurkunde. Bei geschiedenen Paaren ist ein Scheidungsurteil mit Rechtsvermerk erforderlich. Und all diese Dokumente dürfen höchstens sechs Monate alt sein.»
In einem föderalistischen System wie der Schweiz bestehen je nach Kanton unterschiedliche Regelungen. «Ein Kollege in der Deutschschweiz, der unbedingt eine Todes- oder Sterbeurkunde benötigt, kann einem nur leidtun», meint Emiliano Delmenico vom Bestatterverband des Kantons Tessin (Stiof).
Das entsprechende Verfahren ist auch im Südkanton ziemlich langwierig. Bei Schweizer Staatsangehörigen muss mit fünf bis sieben Tagen gerechnet werden. «Da kann man sich lebhaft vorstellen, wie lange es dauert, wenn man dafür auf Dokumente aus Caltanisetta auf Sizilien angewiesen ist!», wettert Delmenico.
Im Kanton Tessin stellt das Zivilstandsamt in solchen Fällen eine Todesmeldung aus, die zwar rechtlich nicht denselben Stellenwert hat wie eine Todes- oder Sterbeurkunde, es der zuständigen Behörde (in diesem Fall die Gemeinde, in der die Person verstorben ist) jedoch erlaubt, den Leichenpass auszustellen und dadurch eine rasche Überführung der sterblichen Überreste zu ermöglichen.
Vereinfachung dank Berliner Abkommen
Diese Prozeduren mögen auf den ersten Blick kompliziert und kostspielig erscheinen, sind jedoch nichts im Vergleich zu Fällen, in denen der Verstorbene in ein Land gebracht werden muss, welches das Berliner Abkommen nicht unterzeichnet hat.
In einem solchen Fall muss die Familie oder das Bestattungsunternehmen die Botschaft oder das Konsulat kontaktieren, was die Abläufe je nach Land erschweren kann. So verlangen mehrere Staaten etwa eine Einbalsamierung des Leichnams. «Ich hatte mal einen Fall, bei dem sich die Rückführung eines Verstorbenen nach China über zwei Wochen hingezogen hat. Und das unter Mithilfe des Schweizer Konsulats», berichtet Delmenico.
Bezeichnend für den bürokratischen Spiessrutenlauf ist auch der Fall einer 64-jährigen indischen Touristin, die während ihrer Ferien in der Schweiz an einem Herzinfarkt verstarb.
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Tod einer Touristin – Schock und Spiessrutenlauf in der Schweiz
Die Zeiten ändern sich
Die grösste Ausländergemeinde in der Schweiz stellen die Italienerinnen und Italiener, doch nach Aussage der beiden Experten kommt es nur mehr selten vor, dass Staatsangehörige aus unserem südlichen Nachbarland, die schon lange in der Schweiz leben, in der alten Heimat beigesetzt werden möchten. Dabei kam es im Bestattungsunternehmen von Bagorda wie auch in jenem von Delmenicos Vater noch in den frühen 1990-er Jahren mehrmals pro Monat zu einem Leichentransport nach Italien.
Dieser Wandel ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass viele Italienerinnen und Italiener hier eine Familie gegründet haben und im fortgeschrittenen Alter keine intensiven Kontakte mit ihrem Heimatdorf mehr pflegen, wo die engsten Freunde und Bekannten inzwischen möglicherweise weggestorben sind.
Die Generation, die arbeitshalber in die Schweiz gekommen ist und traditionsgemäss den Wunsch hegte, in der Heimat beigesetzt zu werden, stirbt mittlerweile langsam aus. «Heutzutage äussern vor allem Staatsangehörige aus Balkanländern noch den Wunsch, im Todesfall in ihre Heimat überführt zu werden», präzisiert Delmenico.
Derzeit führt sein Unternehmen in Lugano pro Jahr rund ein Dutzend Leichentransporte nach Italien durch. Dabei handelt es sich fast durchwegs um Personen, die keinen ständigen Wohnsitz in der Schweiz hatten, sondern als Saisonniers, besuchs- oder ferienhalber hier weilten oder aber in ein Schweizer Spital eingeliefert worden waren.
Schluss mit der Bürokratie!
Für eine italienische Familie, die in der Schweiz einen lieben Angehörigen verloren hat, ist es wichtig, zu wissen, dass Kosten auf sie zukommen könnten, mit denen sie nicht gerechnet hat. Um wenigstens die Transportkosten zu senken, arbeitet Delmenico mit italienischen Kollegen zusammen, die ohnehin für die Bestattung zuständig sind.
«Wir kümmern uns um den Teil in der Schweiz, vor allem um die Formalitäten, und sie kümmern sich um den Transport», so Delmenico. «Wir Tessiner sind einfach nicht konkurrenzfähig. Das sieht man – so drastisch der Vergleich auch scheinen mag – schon daran, dass eine Pizza in einem italienischen Restaurant halb so viel kostet wie bei uns.»
Tatsächlich sind im Belpaese die Transportkosten tiefer. Um aber einen Leichnam nach Italien zu transportieren, ohne mit Sanktionen rechnen zu müssen, gilt es mehrere Dinge zu berücksichtigen.
Während in der Schweiz nicht geregelt ist, wie dick das Holz eines Transportsargs zu sein hat, ist dies in Italien der Fall: exakt 2,5 cm. Sodann muss der Metallsarg mit 24 Schrauben luftdicht verschlossen werden, während in der Schweiz vier Schrauben ausreichen. Auf dem Sarg muss ferner der Stempel des Herstellers prangen. «Anscheinend kann in Italien eine Bestattung nicht ohne den Stempel des Herstellers durchgeführt werden», sagt Delmenico.
All diese Probleme liessen sich durch die in der Schweiz weit verbreitete Feuerbestattung beheben. Allerdings gehört Italien zu den europäischen Ländern, die noch immer starke Vorbehalte gegenüber dieser Praxis haben. Und doch ist auch hier ein Wandel festzustellen, da in den vergangenen Jahren die Zahl der Kremationen auch in Italien deutlich gestiegen ist. Ein Zeichen dafür, dass praktische Überlegungen die Tradition langsam aufweichen?
(Übertragung aus dem Italienischen: Cornelia Schlegel)
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