Neue Hoffnung für Schweizer Bankkunden im Ausland
Der Angriff auf die überhöhten Bankgebühren für Auslandschweizer sitzt. In Bern wurde zu lange nicht erkannt, worin deren eigentlicher Affront besteht. Jetzt dämmert es der Politik. Und die Postfinance hat Grund zu verhandeln. Eine Analyse.
Es gibt im Leben eines Schweizer Bürgers nur Weniges, das ihn so in die Gesellschaft integriert wie ein Bankkonto. Wird ein Schweizer 18, spricht ihm der Staat das Vertrauen aus in Form von Wahlrecht, Mündigkeit und Fahrausweis – und die Bank in Form der Kreditkarte. Es ist, wie wenn ein grosser Kreis von Menschen dem Heranwachsenden sagen würde: Wir halten dich für klug, vernünftig und gross, du darfst nun dein eigenes Leben führen.
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Druck gegen hohe Postfinance-Gebühren nimmt zu
Männer erhalten mit 20 auch noch eine Waffe in die Hand, oder das Steuer eines Truppentransporters, sie dürfen das Gewehr mit nach Hause nehmen. Und alle im Land dürfen ihre Steuern selbst deklarieren. Mehr Vertrauen kann ein Staat einem einzelnen Bürger nicht aussprechen.
Vertrauensentzug – die eigentliche Kränkung
Das wahre Schweizer Initiations-Instrument ist aber das Sparbüchlein, heute das Patenkonto. Damit wurden Generationen junger Menschen darauf vorbereitet, dass sie dereinst einer Bankbeziehung würdig sein sollen. In einem Land, in dem alle Häuser zu einem grossen Teil im Besitz der Banken sind, gehört dies zur Grundausstattung: Mit Geld umgehen können, Schulden machen, Schulden bezahlen.
Inzwischen wirken die horrenden Gebühren wie ein Geschäftsmodell. Sämtliche Banken taten es einander nach.
Mit 18 also kommt die Kreditkarte, sie sagt: Wir vertrauen dir. Die eigentliche Kränkung, die ein Bankkunde erlebt, wenn seine Kundenbeziehung hinterfragt oder verunmöglicht, seine Kreditkarte nicht erneuert wird, ist der Entzug dieses Vertrauens, und diese Kränkung ist gross, sie sagt: Du kannst mit Geld nicht umgehen, du bist für unser Geschäft nicht gut genug.
Es geht den Auslandschweizern nicht ums Geld. Das wurde zu lange verkannt.
Und dennoch ist Geld ein Argument, wenn es nun darum geht, dass Schweizer Bankkunden im Ausland nicht benachteiligt bleiben sollen. Es ist im digitalen Zeitalter nicht einzusehen, dass eine Kundenbeziehung im Ausland mehr kosten soll als eine solche im Inland. Doch die Banken verfahren und argumentieren nach dem Verursacherprinzip. Auslandkonti erfordern mehr Prüfung, sagen sie, jemand muss dies bezahlen. Also der Kunde?
Mit horrend hohen Kontoführungsgebühren, Sonderbelastungen und – was es auch gab – Kontosaldierungs-Gebühren von 500 Franken? Die Argumentation hinkt, denn Verursacher der Zusatzkosten sind nicht die Kunden. Verursacher ist der Regulator, der Gesetzgeber. Verursacher ist der Staat.
In einem Land, in dem alle Häuser zu einem grossen Teil den Banken gehören, gehört dies zur Grundausstattung: Mit Geld umgehen können, Schulden machen, Schulden bezahlen.
Denn alles begann mit dem Druck der USA auf den Bankenplatz Schweiz im Jahr 2008. Offiziell kommuniziert haben die Banken kaum je etwas. Aber alle Schweizer, die im Ausland lebten, bekamen es zu spüren: Die Kontogebühren stiegen, der Papierkram wuchs. Aus Vertrauen wurde Misstrauen, man war nicht mehr willkommen.
Das neue Regime wurde begründet mit «neuen regulatorischen Anforderungen». Es äusserte sich zunächst in überbordenden Massnahmen, aus denen die schiere Panik sprach, in welche die Banken nach dem Dammbruch im Geschäft mit US-Kunden verfallen waren. Aus Angst vor Bussen machten sich alle daran, ihre Kundenstämme zu säubern. Sie taten es gründlich, es war aufwändig, darum verlangten sie dafür Geld.
Der Ärger war berechtigt
Inzwischen wirkt es wie ein Geschäftsmodell. Sämtliche Banken taten es einander nach. Sie trieben die Gebühren in nicht mehr nachvollziehbare Höhen. Was es für die Betroffenen bedeutete, bekamen die Kundenberater in Form von verzweifelten Briefen oder erzürnten Anrufen wohl mit. Die Branche insgesamt aber ignorierte den Ärger schnöde. Dabei war dieser berechtigt.
Getragen von dieser Überzeugung haben Parlamentarier nun sowohl im Ständerat wie auch im Nationalrat Vorstösse lanciert. Sie sollen die Banken verpflichten, die Benachteiligung der Auslandschweizer zu beenden. Im Visier waren zunächst die systemrelevanten Grossbanken – für sie garantiert im Krisenfall der Staat. Jetzt richtet sich der Fokus auf die Postfinance – sie ist als Tochter der staatlichen Post zwar kein Staatsbetrieb, aber vom Bund reguliert.
Die Postfinance steht unter Druck
Postfinance hat allen Grund zu verhandeln, denn sie darf keine Kredite vergeben und leidet darunter. Sie umgeht dieses Kreditverbot zwar durch Partnerschaften mit andern Banken, gerne wäre sie aber eine vollwertige Bank mit weniger Regeln vom Bund. Das Kreditverbot gefährde «die Profitabilität und Rentabilität substanziell», klagte Postfinance-CEO Hansruedi Köng kürzlich. Postfinance verfolgt also ein vitales Ziel, über das nur die Politik, der Bundesrat, entscheiden kann. Die Ausgangslage, um nach beinahe zehn Jahren der Lähmung endlich Bewegung ins Dossier zu bringen, ist somit perfekt.
Perfekt ist auch der Zeitpunkt. Im laufenden Abstimmungskampf um die Rentenreform 2020 sind die Auslandschweizer gerade zu einer Grösse geworden. Die von der FDP-Präsidentin Petra Gössi angestossene Debatte um die Auslandrenten haben den schlafenden Riesen geweckt. 750’000 Bürger, 150’000 eingeschriebene Wähler, das reicht, um jede Abstimmung zu kippen. Dieser Macht ist man sich in Bern nach langem wieder einmal bewusst geworden. Keine Partei will es sich jetzt leisten, einen Auslandschweizer vor den Kopf zu stossen.
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