Laptops im Schulzimmer spalten die Schweiz
Die Schulbehörden des Kantons Freiburg wollen, dass die Schülerinnen und Schüler, die ab Herbst neu die Mittelschule besuchen, einen eigenen Laptop mitbringen. Das Projekt, eine Premiere in der französischsprachigen Schweiz, könnte wegen des grossen Widerstands verschoben werden. In der Deutschschweiz verläuft diese Entwicklung viel reibungsloser.
Das Freiburger ProjektExterner Link läuft unter dem Titel BYOD (Bring Your Own Device oder auf Deutsch «Bring dein eigenes Gerät mit»). Es sieht vor, dass alle Jugendlichen, die neu in die Sekundarstufe II eintreten, einen eigenen Computer haben müssen. Die Massnahme soll zu Beginn des neuen Schuljahres im September 2020 in Kraft treten. Sie betrifft insgesamt 73 erste Klassen in den Gymnasien, Handelsmittelschulen und Fachmittelschulen des Kantons.
Das Projekt stösst jedoch auf starken Widerstand. Eltern und Lehrpersonen haben eine PetitionExterner Link gestartet, für die schon mehr als 1500 Unterschriften zusammenkamen.
Populärer Aufstand
Die Leserbrief-Seite «Forum» in einer kürzlichen Ausgabe der Freiburger Tageszeitung La Liberté gab einen Hinweis auf die Stimmung in der Frage. Alle veröffentlichten Beiträge waren negativ.
«Ich gebe zu, dass die Kosten, die ein persönlicher Computer für meine Tochter mit sich bringt, eine konkrete Sorge sind. Das gilt auch für ihre Gesundheit und die aller Schülerinnen und Schüler», schreibt ein Elternteil.
«Das zentrale Element bei der Vermittlung von Wissen ist die pädagogische Beziehung zwischen dem Lehrer und seinen Schülern. Diese Beziehung durch ein weiteres Medium zu ergänzen, kann diese nur schwächen», schreibt seinerseits ein Lehrer.
Die Kritiker prangern vor allem Gesundheitsrisiken, eine negative Auswirkung auf die Qualität des Unterrichts, aber auch die Kosten dieser Massnahme an. «Anstatt zusätzliche Computerräume zur Verfügung zu stellen, beschliesst die Regierung, die Kosten auf die Schülerinnen und Schüler der ersten Klassen abzuwälzen, die nun verpflichtet sind, ihre eigenen Computer kaufen», heisst es zum Beispiel in der Petition.
Der Gnadenstoss könnte allerdings von der Freiburger Sektion des Klimastreiks kommen. Die Bewegung hat eine VolksmotionExterner Link lanciert, die ein dreijähriges Moratorium fordert. Im Text heisst es insbesondere, dass «mehr digitale Umweltverschmutzung und mehr Konsum keine konstruktive Antwort auf die Mobilisierung der Jugend für das Klima ist».
Wenn die Volksmotion zu Stande kommt – was kaum zu bezweifeln ist, da es dazu nur 300 Unterschriften von Bürgerinnen und Bürger braucht – wird sich das kantonale Parlament (Grosser Rat) damit befassen müssen. Angesichts des vorherrschenden Klimas ist es möglich, dass es eine Mehrheit für das Moratorium geben wird.
François Piccand, Verantwortlicher des kantonalen Amts für Unterricht der Sekundarstufe II, hatte nicht mit einem solchen Aufschrei gegen ein Projekt gerechnet, das er als bescheiden einstuft. Umso mehr als in der Deutschschweiz in dieser Frage alles in Ruhe abläuft. Ein Interview.
swissinfo.ch: In den Medien berichten Lehrerinnen und Lehrer, sie seien nicht konsultiert worden und bezeichnen die Pflicht für die Benutzung eigener Laptops im Unterricht als «Diktat» des Staates. Verstehen Sie ihre Ängste?
François Piccand: Nicht wirklich, denn das Projekt lässt den Lehrpersonen viel Spielraum. Die Schülerinnen und Schüler werden zwar ihren eigenen Computer mitbringen müssen, aber die Lehrperson wird entscheiden, wann es angebracht ist, ihn zu benutzen. Es besteht keine Verpflichtung zum Einsatz der Computer. Der Unterricht wird gemischt sein: Computer und Buch können nebeneinander existieren und sich ergänzen.
Das BYOD-Projekt bringt jedoch Veränderungen, neue Methoden und Innovationen mit sich. Und dies könnte einigen Lehrer oder Lehrerinnen Angst machen.
«In gewissen Fällen werden Laptops auch kostenlos zur Verfügung gestellt werden.»
François Piccand
swissisnfo.ch: Laptops haben ihren Preis. Man kann die Bedenken bezüglich der Kosten verstehen…
F.P.: Es stimmt, der Preis ist ein Element, das bei einigen Eltern recht stark ins Gewicht fällt. Aber man muss das nuanciert betrachten. Zunächst einmal haben viele Schüler und Schülerinnen in diesem Alter bereits einen Laptop. Eine vor vier Jahren durchgeführte Studie zeigte, dass 83% von ihnen im letzten Schuljahr schon einen eigenen Laptop hatten.
Für all jene, die einen Computer kaufen müssen, haben wir jedoch günstige Kaufangebote ausgehandelt. Wir wollen auch Massnahmen umsetzen, damit Eltern mit begrenzten finanziellen Mitteln ihrem Kind einen Computer zur Verfügung stellen können. In gewissen Fällen werden Laptops auch kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
Zudem ist zu beachten, dass der Einsatz eines Computers bestimmte andere Kosten reduzieren könnte, wie zum Beispiel den Kauf von Büchern.
swissinfo.ch: Der Widerstand geht jedoch weit über den Preis und die Organisation der Schulstunden hinaus.
F.P.: Es gibt in der Tat noch viele andere Fragen. Es wird ein Rückgang der Qualität des Unterrichts befürchtet. Dann gibt es Leute, die denken, dass die Kinder zu digitalen Idioten werden. Und es gibt Befürchtungen im Zusammenhang mit der Zeit, die vor dem Bildschirm und in einer WiFi-Umgebung verbracht wird.
Tatsächlich ist die Menge der Befürchtungen rund um dieses Projekt beeindruckend. Es geht weit über das hinaus, was eine Entwicklung im Normalfall nach sich zieht. Und es geht ja hier nicht um eine Revolution. Was zum Beispiel den Aspekt Gesundheit angeht: Wir haben in den Klassenzimmern schon seit langer Zeit WiFi-Netze. Aber um dieses aktuelle Projekt haben sich viele Befürchtungen herauskristallisiert, was nun seine Umsetzung offensichtlich erschwert.
swissinfo.ch: In der Deutschschweiz wird BYOD bereits in rund 50 Schulen in 13 Kantonen umgesetzt, ohne dass es zu einem Psychodrama kam. Wie lässt sich das erklären?
F.P.: Dieser Unterschied ist ziemlich schwer zu verstehen. In der Deutschschweiz ist BYOD ein System, das sich weiter ausbreitet und schon fast zur Norm geworden ist, während es in der Westschweiz die Gemüter erhitzt.
Man sieht dies auch im Kanton Bern. So wirft BYOD am französischsprachigen Gymnasium in Biel zahlreiche Fragen auf, während es in vielen deutschsprachigen Berner Gymnasien ruhig über die Bühne geht. Man kann zwar nicht von einer digitalen Kluft zwischen den beiden Regionen sprechen, aber sicher von einer unterschiedlichen Gesamtwahrnehmung.
Natürlich gab es auch in der Deutschschweiz Debatten, aber diese waren nie so hitzig. Ich bin überzeugt, dass es in der Deutschschweiz eine pragmatischere Seite gibt, wo die Informatik einfach als Werkzeug betrachtet wird, und man versucht, das Beste aus diesem herauszuholen.
In der Westschweiz hingegen scheinen die mit der digitalen Technik verbundenen Risiken sehr viel mehr Gewicht zu haben als die Chancen. Das sind ganz erstaunliche Unterschiede, die sich durch das Thema allein nicht erklären lassen.
swissinfo.ch: Und wie sieht es im italienischsprachigen Teil des Landes aus?
F.P.: Es gibt dort bisher noch kein BYOD-Projekt. Aber es wird interessant sein. Wir werden dann sehen, ob dieses Problem mit der Informatik lateinisch oder einfach ein Problem der Romandie ist.
(Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch)
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