Schwierige Aufgabe der Bestatter in Zeiten des Coronavirus
Der Tod ist Teil ihres Alltags. Aber selbst für professionelle Bestatter ist die Sterbebegleitung in Covid-19-Zeiten eine nicht alltägliche Herausforderung. Vor allem die auf wenige Angehörige beschränkten Bestattungsrituale sind eine prägende Erfahrung.
«In 33 Berufsjahren habe ich eine solch traurige Situation noch nie erlebt. Es ist vielleicht die dunkelste Seite dieser Pandemie – ich bekomme richtig Hühnerhaut», sagt Eros Bruschi, Chef des gleichnamigen Bestattungsunternehmens in Bellinzona, der Hauptstadt des Kantons Tessin. Das Tessin ist vom Coronavirus besonders stark betroffen.
Bruschi empfängt uns in seinem Büro. Er erzählt von seinen Erfahrungen in diesen Zeiten. Er spricht vom Schmerz, der Angehörige versteinern lässt, wenn sie ihren Verstorbenen das letzte Geleit geben.
Wie verläuft eine Bestattung in Coronavirus-Zeiten? Eros Bruschi berichtet, dass wegen der Massnahmen gegen die Pandemie nur die engsten Angehörigen anwesend sein können. Es sind Personen, welche die verstorbene Person nach der Einlieferung ins Spital nicht mehr besuchen und sehen konnten. Sie versammeln sich vor einem versiegelten und desinfizierten Sarg, müssen die notwendigen Abstände einhalten, auch untereinander.
Abschied ohne Trost
Während der kurzen Abdankungsfeier dürfen maximal fünf Personen anwesend sein. Sie bleiben meist starr vor dem Sarg stehen, im Schmerz vereint. Nach dem kurzen Moment des Abschieds geht jeder seinen Weg. Keine Umarmung. Kein abschliessender Trost. Nicht einmal ein Handschlag, so Eros Bruschi.
«Es passieren Dinge, die ich kaum beschreiben kann, weil sich mich innerlich aufwühlen», meint der Bestattungsunternehmer. Er spricht ganz leise, fast so, als ob er mit sich selbst sprechen würde. Viele Erlebnisse haben ihn erschüttert, «so sehr, dass ich mich sogar fragte, ob es für die Familienmitglieder nicht besser wäre, keine Abdankungsfeier durchzuführen.»
Anders reagiert sein Sohn Igor, ein Informatiklehrer, der zugleich in der Firma des Vaters arbeitet: «Zum Glück haben die Trauernden wenigstens diese letzte Gelegenheit, sich von ihrem geliebten Menschen zu verabschieden. Ich dachte stets: Wenn ich mich in dieser Situation befände, wäre es wichtig für mich, einem Verwandten wenigstens das letzte Geleit geben zu können.»
«Es ist an und für sich schon schmerzhaft, Trauer zu verarbeiten, aber wenn man von Familie, Freunden und Bekannten umgeben ist, findet man wenigstens Trost. Unter den gegenwärtigen Umständen wird Trauerenden aber auch dieses Ritual des Trostes vorenthalten», sagt Emiliano Delmenico, Direktor eines Familienbestattungsunternehmens www.cfl.chExterner Link in Lugano und Präsident des Tessiner Verbandes der Bestattungsunternehmen.
Die strengen Beschränkungen in Bezug auf die Teilnehmerzahl bei Begräbnissen gelten im Tessin für alle Verstorbenen, nicht nur für diejenigen, die an Covid-19 verschieden sind. In der Bestattungszeremonie gibt es aber einen wichtigen Unterschied: Der Sarg von Personen, die nicht am Coronavirus gestorben sind, darf im Aufbahrungsraum geöffnet bleiben. «Die Aufbahrung der Leiche ist jedoch zeitlich sehr begrenzt. Gewöhnlich ein paar Stunden, damit Verwandte und Freunde dem Verstorbenen die letzte Ehre erweisen können. Es dürfen nur wenige Personen gleichzeitig den Raum betreten», sagt Eros Bruschi.
Einige Bestattungsunternehmen, darunter die Delmenico-Gruppe, haben versucht, mit Live-Streaming eine zusätzliche Dienstleistung anzubieten, um Verwandten und Freunden die Möglichkeit zu geben, zumindest virtuell an der Abschiedsfeier teilzunehmen. Optimal sei auch dies nicht, aber vielleicht helfe es ein wenig.
Destabilisierende Umstände
Die Angst vor einer Ansteckung durch die Leichen der Verstorbenen mit Covid-19 hat die Bestattungsunternehmen und ihre Mitarbeitenden zu Beginn verunsichert. «Auf einige unserer Fragen hatten auch die Behörden keine Antworten», sagt Eros Bruschi. Zugleich wurde man im Tessin mit den dramatischen Bildern aus Italien konfrontiert, wo Militärwagen die Särge abtransportierten. «Manche Kollegen waren sogar der Meinung, dass es vielleicht besser wäre, ganz auf Bestattungen zu verzichten», meint Emiliano Delmenico.
Die Bestattungsinstitute haben im Einvernehmen mit den Behörden des italienischsprachigen Kantons strenge Vorschriften erlassen, um die Gesundheit der Angehörigen der Verstorbenen als auch der Bestattungshelfer zu schützen. Letztere schützen sich durch das Tragen von speziellen Overalls mit Kapuze, Handschuhen, Masken und Brillen. Die Leichen werden rasch in speziellen Säcken verschlossen und die Särge von aussen mit Silikon verschweisst und desinfiziert.
So regelt es der Bund
Gemäss den Vorschriften des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) ist eine Aufbahrung im offenen Sarg grundsätzlich möglich. Die Angehörigen haben aber den direkten Kontakt mit dem Leichnam zu vermeiden. Hierfür müssen geeignete Massnahmen wie Abschrankungen oder Aufbahrung hinter Glas getroffen werden.
«Verstorbene Personen übertragen das neue Coronavirus nicht. Möglicherweise kann es am Leichnam aber noch infektiöse Flüssigkeit geben. Im Umgang mit dem Leichnam sollte man daher vorsichtig sein», schreibt das BAG weiter. Leichen können erdbestattet oder kremiert werden. Auch Einbalsamierungen sind möglich.
Es ist nur eine Bestattung oder Abdankungsfeier im engsten Familienkreis möglich. Die Familie entscheidet, wer zum engsten Kreis gehört. Bis maximal 20 Personen dürfen daran teilnehmen; je nach Familiengrösse (Anzahl Geschwister oder Kinder) können es ausnahmsweise auch mehr sein. Für Bestattungen im engsten Familienkreis braucht es keine Bewilligung. Aber die Teilnehmenden müssen dabei zwingend die Hygiene- und Verhaltensregeln einhalten.
Die Kantone können strengere Vorschriften erlassen, was das Tessin getan hat. Aber auch hier wurde die Berechtigung zur Teilnahme an Beerdigungszeremonien vom «engen Familienkreis» inzwischen auf den «Familienkreis» ausgedehnt. Die Zahl der Teilnehmer hängt neu vom verfügbaren Platz am Bestattungsort ab. Erlaubt ist eine Person auf vier Quadratmeter.
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