Zweite Covid-Welle führt zu hoher Übersterblichkeit
Ende Oktober verzeichnete die Schweiz eine aussergewöhnlich hohe Zahl von Todesfällen. Dies zeigen am Dienstag veröffentlichte Daten des Bundesamts für Statistik (BFS). Diese Übersterblichkeit, von der ältere Menschen betroffen sind, wird durch die zweite Welle des Coronavirus verursacht.
Wie bereits im Frühling dieses Jahres hat die Zahl der Todesfälle in der Schweiz in den letzten Wochen unter den Seniorinnen und Senioren ungewöhnliche Ausmasse angenommen. In der Woche vom 25. Oktober bis zum 1. November prognostizierte das BFS für die über 65-Jährigen im Normalfall 1124 Todesfälle. Es waren schliesslich 1485 Todesfälle, 361 mehr als erwartet worden sind.
Die deutliche Überschreitung der vom BFS erwarteten oberen Sterblichkeitsgrenze nennt man Übersterblichkeit. Nun überschreitet die Kurve die zweite Woche in Folge diese Obergrenze, die auf der Grundlage der zu dieser Jahreszeit üblicherweise erfassten Todesfälle berechnet wurde. In der Altersgruppe der unter 65-Jährigen wird derzeit keine übermässige Sterblichkeit beobachtet.
«Anstieg folgt Neuinfektionen»
Es überrascht nicht, dass das BFS diese Übersterblichkeit auf die Covid-19-Pandemie zurückführt. «Wie bei der Ankunft der ersten Welle von Sars-CoV-2 Anfang März 2020 folgt die Zunahme der Todesfälle jener der Neuinfektionen mit Covid-19 mit einer Verzögerung von etwa zwei Wochen», schreibt das BFS.
Auf dem Höhepunkt der ersten Welle Anfang April wurden 46% mehr Todesfälle als erwartet verzeichnet. Dies trotz des teilweisen Lockdowns, der die Epidemie seit Mitte März abgebremst hatte.
So hohe Werte waren in den letzten Jahren nie erreicht worden. Die tödlichste Woche vor der Pandemie war der Winter 2015, als ein schwerer Grippeausbruch Mitte Februar 29% mehr Tote forderte als erwartet. Der Kontext war aber ein ganz anderer, da zu diesem Zeitpunkt keine ausserordentlichen Massnahmen ergriffen worden waren.
Zweite Welle weniger ungleichmässig
In diesem Frühling traf die Epidemie vor allem drei Kantone besonders hart: Tessin, Genf und Waadt. Diese Kantone verzeichneten noch nie dagewesene Spitzenwerte bei der Übersterblichkeit.
Obwohl nach wie vor erhebliche regionale Unterschiede bestehen, wirkt sich die zweite Welle weniger ungleichmässig auf das Land aus als die erste. Dies lässt sich an den Sterblichkeitszahlen ablesen.
In fünf der sieben Hauptregionen des Landes kommt es zu abnormalen Todeszahlen. Nur der Nordwesten (Aargau, Basel-Stadt, Basel-Landschaft) und Zürich verzeichnen vorerst keine Übersterblichkeit. Regionen, die in diesem Frühjahr relativ unversehrt geblieben waren, wie die Zentralschweiz und besonders der Kanton Schwyz, weisen nun ebenfalls eine Übersterblichkeit auf.
Aber in der Westschweiz ist die Übersterblichkeit am grössten, mit den Kantonen Freiburg und Wallis an der Spitze. In der Woche vom 25. Oktober bis zum 1. November zählten diese beiden Kantone doppelt so viele Todesfälle als erwartet. Der Kanton Waadt bleibt vorerst innerhalb des erwarteten Rahmens.
Nur der Anfang?
Wird die zweite Welle tödlicher sein als die erste? Es ist zu früh, dies zu wissen. Denn die Zahlen für Oktober 2020 widerspiegeln nur den Beginn der zweiten Welle. Es gibt jedoch einige Indikatoren, die Anlass zur Sorge geben. So hat die Zahl der Krankenhaus-Einweisungen jene dieses Frühlings bei weitem übertroffen – derzeit gibt es etwa 3800 hospitalisierte Patientinnen und Patienten im Vergleich zu 2400 auf dem Höhepunkt der ersten Welle. Das schürt die Angst vor weiteren Todesfällen.
Glücklicherweise konnte das Patientenmanagement verbessert werden. Dies könnte die Zahl der Todesfälle zum Teil begrenzen. «Die grosse Revolution war die Entdeckung, dass Steroide, namentlich Dexamethason, eine signifikante Wirkung haben und die Sterblichkeit von Patientinnen und Patienten mit schwerem Covid um etwa 15% senken können», sagte Professor Thomas Agoritsas vom Universitätsspital Genf (HUG) letzte Woche in einem Video auf TwitterExterner Link.
Trotz dieser Fortschritte wird erwartet, dass die hohe Übersterblichkeit bis Anfang November anhalten wird. Seit dem 1. November, dem letzten Tag, der in den BFS-Daten berücksichtigt wurde, meldete der Bund mehr als 440 neue Todesfälle aufgrund von Covid-19.
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