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Das «Mea Culpa» der Schweizer Bischöfe

Über eine schwarze Liste für sexuell fehlbare Geistliche entscheidet die Schweizerische Bischofskonferenz (SBK) im Juni, sagt SBK-Präsident Norbert Brunner. Keystone

Angesichts der sexuellen Übergriffen von Priestern wird in der Schweiz die Forderung nach einer schwarzen Liste für pädophile Priester oder einer Anzeigepflicht der Kirche laut. Die Schweizer Bischofskonferenz entschuldigt sich vorerst für ihre Fehler.

Die Schweizer Bischöfe geben zu, dass sie das Ausmass der Situation rund um die sexuellen Übergriffe in der Seelsorge unterschätzt haben. Sie rufen sowohl die Opfer als auch die Täter auf, sich zu outen.

Dies geht aus einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung der Schweizer Bischofskonferenz hervor. Die Verantwortlichen in den Diözesen und Ordensgemeinschaften hätten Fehler gemacht, heisst es in diesem elf Punkte umfassenden Papier. Die Bischofskonferenz bittet für diese Fehler um Entschuldigung.

«Beschämt und bestürzt»

Die Mitglieder der Schweizer Bischofskonferenz seien beschämt und tief bestürzt über die Fälle von sexuellen Übergriffen in der Seelsorge, heisst es weiter.

Man ermutige alle, die Übergriffe erlitten hätten, sich bei den Opferberatungsstellen oder den diözesanen Ansprechstellen zu melden und gegebenenfalls Anzeige zu erstatten.

Es sei wichtig, dass vorbehaltlose Transparenz in die Vergangenheit gebracht werde, schreiben die Bischöfe.

Alle Seelsorger und Seelsorgerinnen, Ordensleute, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Pfarreien, in Schulen und in anderen Einrichtungen in kirchlicher Verantwortung, die Übergriffe begangen hätten, sollten sich ihrer Schuld stellen und beim zuständigen Verantwortlichen melden.

Entscheid über «Schwarze Liste» im Juni

Über eine mögliche schwarze Listen für sexuell fehlbare Geistliche wollen die Schweizer Bischöfe erst an der ordentlichen Sitzung der Bischofskonferenz im Juni entscheiden. In einem Konsultativ-Verfahren lehnten sie die Einberufung einer Sondersitzung ab.

Das erklärte Norbert Brunner, der Präsident der Schweizerischen Bischofskonferenz (SBK) und Bischof von Sitten, am Mittwoch an einer Medienkonferenz in Bern. Die unmittelbare und dringende Aufarbeitung der bekannten Fälle geschehe in den Bistümern. Sie sei angemessen.

Der Entscheid über die Einführung der Liste brauche eine gute Vorbereitung. Er werde sicher ein Haupttraktandum an der ordentlichen SBK-Sitzung. Brunner, der sich unmittelbar nach dem Vorschlag gegen die Idee gestellt hatte, verhehlte seine anhaltende Skepsis nicht. Eine Liste könne immer nur so gut sein, wie die Informationen, die sie enthalte.

«Sexuelle Übergriffe verhindern»

Wichtig für ihn und die anderen Verantwortlichen sei die umfassende Information unter allen Beteiligten. Oberster Zweck dabei müsse das Verhindern sexueller Übergriffe durch Geistliche und das Ausschalten von Rückfällen sein. Die Kirche müsse garantieren können, nur integre Mitarbeiter zu beschäftigen.

Laut Brunner sind aktuell 60 Fälle sexueller Übergriffe durch Geistliche bekannt. Weitere Angaben des von der Kirche eingesetzten Fachgremiums lägen ihm nicht vor, erklärte er am Mittwoch.

Der Einsiedler Abt Martin Werlen hatte die Sondersitzung zur Beratung der Listen vorgeschlagen. Sukkurs erhielt die Forderung nach der Liste am Wochenende von Bundespräsidentin Doris Leuthard. Zudem befürworteten in Umfragen 80 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer eine Liste für pädophile Priester.

Anzeigepflicht wird geprüft

Die Schweizer Bischöfe prüfen eine Anzeigepflicht gegen Priester, die sexuelle Übergriffe begangen haben. Bisher verzeigten die geistlichen Oberen Priester nur in schweren Fällen und bei Wiederholungsgefahr selbst.

Die Frage, wie mit Anzeigen an die weltlichen Behörden umzugehen sei, werde vertieft angegangen, erklärte Norbert Brunner.

Dabei verwies er auf die Direktiven seines Gremiums für Fälle sexuellen Missbrauchs. Dort steht, dass die erste Ansprechperson der kirchlichen Vorgesetzten immer das Opfer sein muss. Dieses soll in erster Linie selber Anzeige erstatten. Der Fehlbare wird zu einer Selbstanzeige ermuntert. Erst als dritten Schritt – bei einem schweren Delikt und Wiederholungsgefahr – sehen die Direktiven eine Anzeige durch den Bischof oder Ordensoberen vor.

Wie Bischof Brunner sagte, sollen diese Punkte angeschaut werden, ob sie einer Ergänzung und Präzisierung bedürfen. Diese Ergänzung könnte dann durchaus in Richtung einer Anzeigepflicht gehen.

Brunner äusserte sich auch in Bezug auf die Weihe verheirateter Männer zu Priestern. Diese sollte nicht in die Diskussion um sexuellen Missbrauch in der Kirche eingebracht werden, sagt er. Das Thema habe ebensowenig einen Zusammenhang mit dem Missbrauch wie der Zölibat.

«Konkretere Massnahmen»

Für den christlichdemokratischen Nationalrat Jacques Neirynck konzentriert sich die Erklärung der Schweizerischen Bischofskonferenz zu stark auf die Entschuldigung.

«Ich hätte es bevorzugt, wenn die Bischofskonferenz konkretere Massnahmen vorgeschlagen hätte», sagte Neirynck gegenüber swissinfo.ch.

Laut Neirynck müssen die fehlbaren Geistlichen aus dem Klerus ausgeschlossen werden und braucht es bei Missbrauchsfällen eine Anzeigepflicht. Er kritisiert, dass keine dieser beiden Massnahmen in die Erklärung aufgenommen wurde.

«Die Menschen erwarten Taten und eine Kirchenpolitik, die verhindert, dass sich solche Fälle wiederholen», so Neirynck.

swissinfo.ch und Agenturen

Ein Grossteil der Schweizer Bevölkerung möchte offenbar, dass die Katholische Kirche sexuell fehlbare Priester auf einer schwarzen Liste vermerkt. Dies ergab eine Umfrage bei rund 600 Personen in der Schweiz, die das Meinungsforschungs-Institut Demoscope im Auftrag des SonntagsBlick und der Tessiner Wochenzeitung Il Caffé durchführte.

80% der Befragten möchten demnach eine schwarze Liste, 14% sagten dazu «Nein». 6% der Befragten konnte keine Angabe machen. Die Antworten seien unabhängig davon, ob die Befragten katholisch seien oder nicht, betonte der SonntagsBlick.

Weiter sprachen sich 92% der Befragten gegen das Zölibat aus. Nur 5% halten die Verpflichtung der katholischen Priester zur Ehelosigkeit nach wie vor für richtig.

Neun von zehn Befragten möchten weiter eine Anzeigepflicht bei sexuellen Übergriffen. Ein Priester, der ausserhalb der Beichte von einem Kindsmissbrauch durch einen Kollegen erfährt, soll demnach die Pflicht haben, diesen beim Staat anzuzeigen. 10% der Befragten wollten von einer solchen Pflicht nichts wissen.

Weiter wollten die beiden Zeitungen wissen, ob sich angehende Priester einem psychologischen Test unterziehen sollten, um den Kindsmissbrauch zu bekämpfen. 57% der Befragten antworteten positiv auf die Frage. 37% halten dies für den falschen Weg.

Die Katholische Kirche in der Schweiz lanciert eine Image-Kampagne. Plakate mit dem Slogan «Mehr Good News» sollen an Kirchen aufgehängt werden.

Die Bischofskonferenz hatte die Kampagne bereits im November beschlossen. Sie soll nun trotz der bekannt gewordenen Missbrauchsfälle realisiert werden.

Mit dem Slogan «Mehr Good News» wolle die Katholische Kirche gerade inmitten «dieser Vorkommnisse» zeigen, dass sie die gute Botschaft von Gott verbreite.

Die 5000 Plakate werden spätestens nach Ostern an die 2000 katholischen Pfarreien in der Schweiz verschickt.

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