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«Der Stoff, aus dem Fussballerträume sind»

Haris Seferovic schenkt der Schweiz den Sieg – 10 Sekunden vor Abpfiff. Keystone

Der Auftakt an der Fussball-Weltmeisterschaft in Brasilien ist der Schweizer Nationalmannschaft gelungen. Das späte 2:1 gegen Ecuador führte bei den Fans zu Freudensprüngen. Doch die Presse hält den Ball flach: Für Ottmar Hitzfelds Team ortet sie noch grosses Steigerungspotenzial.

«Ein perfekter Fussballabend ‹last minute'», «Ottmar Hitzfeld wechselt den Sieg ein», «Ein zweiter Sieg muss her – unbedingt!», «Freude herrscht!», «Die Träumer dürfen weiter hoffen», «Hitzfelds goldenes Händchen», «Die Bekämpfung der Langsamkeit», «Schweiz im Orbit!», «Haltet den Ball flach!». So und ähnlich titeln am Montag die Schweizer Zeitungen.

Es war in den letzten Sekunden der letzten Minute der Nachspielzeit, als Haris Seferovic die Schweiz in Brasilia mit seinem Siegestor gegen Ecuador erlöste. Ein Zittersieg für die Nati, doch die drei Punkte wogen schliesslich alles auf.

«Es ist der Stoff, aus dem die Fussballerträume sind: in der letzten Minute eines wichtigen WM-Spiels das Siegestor erzielen», schreibt die Neue Luzerner Zeitung. Ausgerechnet «Seferovic, hinter dessen Nomination für die WM ein grosses Fragezeichen gesetzt worden ist, darf dieses gewaltige Hochgefühl erleben. 2:1 in der 93. Minute im Startspiel gegen Ecuador – und eine ganze Nation jubelt und feiert mit».

Es gebe aber keine Berechtigung, «sich auf die drei Punkte etwas einzubilden». «Offensiv fehlte ein Plan, eine konkrete Vorstellung vom Weg zum Erfolg. Da war keine Kreativität, keine Inspiration, nichts.»

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Das teuerste Schweizer Team aller Zeiten

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Raffaele Poli ist der Leiter des Fussballobservatoriums im Internationalen Zentrum für Sportstudien (CIES) in Neuenburg. Er hat den Wert der Schweizer Nationalmannschaft auf 159 Millionen Franken berechnet. So viel müsste jemand locker machen, wenn er die Mannen in Rot-Weiss kaufen möchte. Noch nie war eine Schweizer Nati auf dem Transfermarkt so viel Wert wie die…

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Flatterhaft

Die Schweiz sei «hypernervös» in den Match gestartet», schreibt die Aargauer Zeitung. «Was zu einer abartig hohen Fehlerquote führte.» Es sei «ziemlich unansehnlich» gewesen, «was die Schweizer Nati in der ersten Halbzeit bot. Aber, sie hat gewonnen. Wie sie das geschafft hat, interessiert in der Endabrechnung nicht».

Das 2:1 gegen Ecuador sei «die halbe Miete für den Einzug in die Achtelfinals. Trotzdem besteht kein Grund zur Euphorie. Denn die Schweizer Nationalmannschaft ist in ihrem WM-Auftaktspiel vieles schuldig geblieben. Insbesondere die Bestätigung, die beste Nati aller Zeiten zu sein».

«Etwas Besseres konnte der Schweizer Fussballnationalmannschaft nicht passieren», kommentiert die Basler Zeitung. «Ohne gut zu spielen, ohne zu überzeugen, gewann sie ihr erstes WM-Spiel gegen Ecuador.»

Die Nati habe Mühe gehabt, «ihre Nerven zu beruhigen. Die einfachsten Zuspiele misslangen, eine Halbzeit lang fehlte es schlicht an allem, was es auf diesem Niveau braucht».

Lange Zeit habe die Hitzfeld-Elf die «nötige Laufbereitschaft» vermissen lassen, so das Oltner Tagblatt. «Während der ersten 45 Minuten war der jeweils ballführende Schweizer Spieler der wohl ärmste Mann auf dem Spielfeld. Wo soll der Ball hin, wenn ihn keiner will?»

Es sei eine schwierige Partie für das Nationalteam gewesen, kommentiert die Neue Zürcher Zeitung. «Es lag 0:1 im Rückstand, fand nicht zu seinem Spiel und enttäuschte vor allem in der ersten Halbzeit mit einer nervösen, fehlerhaften Spielweise. Eine Qualität allerdings bewies Hitzfelds Team bis kurz vor dem Abpfiff – den Willen, sich nicht aufzugeben und bis zum Ende den Sieg zu suchen.»

Für das St. Galler Tagblatt waren Hitzfelds Spieler «in der ersten Viertelstunde schlicht nicht präsent». «Wieso dürfen Hitzfeld und seine Spieler trotzdem weiter träumen? Weil für eine Mannschaft, die an einer WM mit einem derart bescheidenen Auftritt drei Punkte gewinnt, sehr vieles möglich ist.»

Behramis Verdienst

«Diese Erlösung, diese Überraschung, diese Freude!», schreibt der Blick. «So darf es weitergehen, liebe Nati. Wenn es so endet, dürft ihr uns auch mal ein bisschen zappeln lassen.»

Den «Superstart» habe «eine der unglaublichsten Szenen der Schweizer Fussball-Geschichte» gebracht, so der Kommentator: «Welch ein Finale! Es läuft schon die 93. Minute. Ecuador hat den Siegtreffer auf dem Fuss. Arroyo mit der Grosschance. Doch Valon Behrami wirft sich im Strafraum heroisch in den Schuss, blockt das Geschoss. Und steht sofort wieder auf, nimmt das Heft selbst in die Hand. Behrami bläst zum finalen Angriff. Er spurtet Richtung gegnerisches Tor.»

Dank dem Vorteil, welcher der Schiedsrichter nach einem anschliessenden Foul an Behrami laufen lässt, kann dieser nach einer Rolle den Ball weiterspielen. Nach einigen Pässen kommt die Flanke auf Haris Seferovic. Dieser «haut den Ball ins Netzdach. Ein Traumgoal, das genau so wie dem Torschützen auch Vorbereiter Behrami gehört und auch ein bisschen dem Schiri».

Der Blick ist nicht das einzige Blatt, das Behramis Leistung hervorstreicht. «Der Siegeswillen Behramis entreisst die Schweiz der ecuadorianischen Falle», schreibt L’Express-L’Impartial. Der Tessiner habe mit einem Schlag den Knoten lösen können, der die Mannschaft im Griff gehabt habe.

Auch der Corriere del Ticino ist überzeugt, dass Behrami und «seine heldenhafte Entwurzelung des Balls» massgeblich zum Siegtreffer der Nati beigetragen haben. Das Goal von Seferovic habe «das Verdienst, wie ein Schwamm» alle Bedenken auszuwaschen und «die taktische Leitung des Spiel von Hitzfeld» zu ehren.

Luft nach oben

«Ottmar Hitzfeld hat sich für seine Abschiedstournee einen erfolgreichen Start gewünscht. Er hat ihn erhalten», schreibt Die Südostschweiz. «Der nach der WM zurücktretende Schweizer Nationaltrainer hat sich aber auf sein Team und seinen Instinkt verlassen können. Admir Mehmedi und Haris Seferovic wechselte er ein. Beide trafen.»

Der Sieg sei das einzige, was zähle. Doch gewonnen habe man noch nichts, wenn man an die WM vor vier Jahren in Südafrika denke. Dort stand die Schweiz trotz dem Sieg gegen den späteren Weltmeister Spanien schliesslich mit leeren Händen da.

«Das darf nicht nochmals passieren. Ein zweiter Sieg muss her – unbedingt!» Luft nach oben sei noch da, so der Kommentator. Fürs Erste aber sei «der grösste Druck weg. Drei Punkte sind im Trockenen und die Achtelfinals zum Greifen nahe».

Auf dem Weg dorthin gebe es aber noch einige Baustellen, glaubt das Oltner Tagblatt: «Die Abwehr war in der Rückwärtsbewegung zwar sicher, zeigte in der Angriffsauslösung aber viele Defizite. Vorne braucht es mehr Laufbereitschaft und Varianten, das Spiel der Schweizer war viel zu statisch und berechenbar.»

«Ein Sieg im letzten Gruppenspiel gegen Honduras dürfte die Qualifikation für die Achtelfinals bedeuten», schreibt die Aargauer Zeitung. «Doch die Schweiz tut gut daran, schon im nächsten Spiel gegen Frankreich zum Steigerungslauf anzusetzen. Denn irgendwann kommen auch Gegner, welche die Qualität haben, eine Darbietung wie die gestrige gnadenlos zu bestrafen.»

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