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Deutsche Diskussion über Schweizer Rasergesetz

Raser werden in der Schweiz härter angepackt als im Ausland. David Adair/Ex-Press

Der Fall eines deutschen Autofahrers, der wegen stark überhöhter Geschwindigkeit sein Auto in der Schweiz abgeben musste, schlägt hohe Wellen im Nachbarland. Tausende diskutieren auf Nachrichtenportalen und sozialen Netzwerken über härtere Strafen für Temposünder.

Mehr als 700 Leserkommentare auf Spiegel OnlineExterner Link, über 350 auf dem Nachrichtenportal von T-OnlineExterner Link, über 250 auf MOTORTALK.netExterner Link, einem Netzwerk für Autoenthusiasten, sowie mehrere Hundert auf Facebook. Tausende von Deutschen diskutieren seit Sonntagabend ein Schweizer Gesetz zur Verkehrssicherheit. In zwei Online-Umfragen haben mehr als 180’000 Nutzer darüber abgestimmt, ob sie es richtig finden und ob sich das Modell auch für Deutschland eignen würde.

Es geht dabei um das sogenannte Rasergesetz,Externer Link das im Rahmen des Verkehrssicherheits-Programms Via sicura beschlossen wurde und seit Anfang des vergangenes Jahres in Kraft ist. Demnach kann bei einer groben Verkehrsregelverletzung wie krassen Geschwindigkeitsübertretungen das Fahrzeug von der Polizei eingezogen werden.

Das am 1. Januar 2013 in Kraft getretene Massnahmenpaket Via sicuraExterner Link lässt bei Raserdelikten neben der Beschlagnahmung von Fahrzeugen auch den lebenslänglichen Führerausweisentzug zu sowie Freiheitsstrafen bis zu vier Jahren.

Ein Raserdelikt liegt vor, wenn die vorgeschriebene Geschwindigkeit wie folgt überschritten wird:
• in der 30km/h-Zone: um 40 km/h
• innerorts (50km/h): um 50km/h
• ausserorts (80km/h): um 60km/h
• auf Autobahnen (120km/h): um 80 km/h 

(Quelle: Bundesamt für Strassen Astra)

Und genau das ist am Sonntagmorgen einem deutschen Mercedesfahrer im Aargau passiert. Auf der Autobahn A1 bei Spreitenbach im Kanton Aargau ist der 59-Jährige mit stark überhöhter Geschwindigkeit erwischt worden. Die Polizei hat 215 Kilometern pro Stunde gemessen, was nach Abzug der Toleranzschwelle (7 km/h) immer noch 88 Kilometern pro Stunde zu schnell ist.

Den Rasern das Handwerk legen

«Das Fahrzeug wurde gemäss Schweizer Verkehrsgesetz eingezogen», erklärte eine Sprecherin der Kantonspolizei Aargau. Zudem wurde der Fahrer festgenommen und vom Staatsanwalt verhört, befindet sich mittlerweile aber wieder auf freien Fuss. Denn, wer mehr als 80 Stundenkilometern auf eidgenössischen Autobahnen zu schnell ist, begeht eine «krasse» Übertretung und wird als «Raser» eingestuft.

In Deutschland existiert weder ein generelles Tempolimit auf Autobahnen noch solche harten Strafen. Daher machte die Nachricht schnell die Runde. Eine Meldung der Agentur dpa ist in vielen grossen Nachrichtenportalen erschienen, und weitere Artikel dazu folgten. «Wenn Dein Auto plötzlich der Schweiz gehört», titelt das Handelsblatt OnlineExterner Link und informiert über Schweizer Verkehrsregeln und Bussen. «Schweizer Polizei nimmt Raser Luxus-Auto weg», heisst es bei Focus Online. Und Spiegel Online bringt insgesamt drei Artikel zu dem Thema, einer davon mit dem Titel „»Es soll schmerzen – harte Strafen gegen Raser in der Schweiz».

Spiegel Online richtet sich dabei auch an die Leser und fragt: «In der Schweiz nimmt die Polizei Rasern das Auto weg – der Staat darf es dann verkaufen. Ein Modell auch für Deutschland?» Die Beteiligung ist gross und deutlich höher als bei anderen Umfragen. Bis am Mittwoch Morgen haben mehr als 163’000 Nutzer über die Frage abgestimmt. Das Ergebnis ist eindeutig: Mehr als 60 Prozent der Umfrageteilnehmer antworten mit Ja. Nur so könne Rasern das Handwerk gelegt werden. 20 Prozent finden die Maßnahme als zu hart, aber befürworten höhere Geldstrafen. Und nur knapp 17 Prozent antworten mit einem kategorischen Nein und sehen das Einziehen des Fahrzeuges als nicht vereinbar mit dem Rechtsstaat an.

Deutschland hat ein weniger restriktives Strassengesetz als die Schweiz. Wer dort ausserorts eine Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 70km/h begeht, zahlt eine Busse von 600 Euro. Zudem wird ihm der Führerschein für drei Monate entzogen.

Aber nicht nur die Schweiz zieht Autos ein, auch andere Länder sehen dies vor, allerdings nicht bei Tempoexzessen. In Deutschland kann dies eintreffen, wenn ein Fahrer ohne Führerschein oder unter Drogeneinfluss unterwegs ist.

In Italien und Dänemark müssen betrunkene Autofahrer damit rechnen, dass ihnen der Staat das Auto wegnimmt.

(Quelle: Österreichischer Automobil-, Motorrad- und Touringclub ÖAMTC)

Ähnlich verläuft auch eine Umfrage beim Internetportal T-Online, einem der reichweitenstärksten Webauftritte im deutschsprachigen Internet. Über 20’000 Nutzer beantworten die Frage: «Was halten Sie von der Strafe der Schweizer Polizei?». Auch hier ist das Ergebnis klar: 75 Prozent der Teilnehmer findet es richtig: «Wer derartig rast, dem gehört das Auto abgenommen.» Lediglich ein Viertel findet die Strafe zu hoch.

Darf der Staat Privateigentum konfiszieren?

Ähnlich lebhaft geht es in den Kommentarspalten der Nachrichtenportale als auch auf den sozialen Netzwerken zu. Bei Spiegel Online sind viele zustimmende Leserkommentare zum Schweizer Gesetz zu finden. «Weiter so, liebe Schweizer. Ihr seid im Gegensatz zu uns auf dem richtigen Weg», schreibt dort einer der Nutzer. Ein Anderer meint: «Daran sollte sich unsere Politik ein Beispiel nehmen. Ich bin nicht für Geschwindigkeitsbeschränkung, aber wer sie so ignoriert, hat nichts anderes verdient.»

Kritik entzündet sich vor allem an der Inbesitznahme privaten Eigentums. «Ich kann ja drastische Strafen verhängen wie Bussgelder, Gefängnisstrafen etc. Aber Eigentum einziehen, um es dann zu verkaufen und das Geld einstecken? Sanktionierter Diebstahl? Tolle Rechtsauffassung!», schreibt ein Nutzer, stellvertretend für viele andere Kommentare.

Während die meisten Foristen das Schweizer Gesetz für fortschrittlich und vorbildlich halten, sehen sie die Schweizer Autofahrer deutlich kritischer. «Sobald die deutsche Grenze passiert wurde, geben sie Gas was das Zeug hält», schreibt ein Nutzer auf Spiegel Online. Und ein Anderer ergänzt: «Wenn wir das hier in Deutschland mit den Schweizern machen würden, wären die Hälfte der schweizerischen Touristen ihre Autos los.»

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