Die «Samichlaus»-Tradition soll weiterleben
Während Weihnachten immer kommerzieller wird, kämpft der St. Nikolaus-Brauch, der am 6. Dezember gefeiert wird, gegen diesen Trend an. Der Samichlaus, wie er in der Deutschschweiz heisst, verteilt den Kindern Nüsse und Früchte und erteilt Ratschläge.
In der angelsächsischen Tradition spielt es sich ganz anders ab: Da bringt der Weihnachtsmann, ein stets fröhlicher alter Mann, Geschenke und füllt selbstgestrickte Strümpfe, die am Weihnachtstag geöffnet werden.
Der Unterschied zwischen den beiden Bräuchen ist heutzutage aber nicht mehr so klar, insbesondere in den Städten. Aus diesem Grund hat die Römisch-Katholische Kirche im Kanton Aargau am 12. November in Wislikofen die erste Samichlaus-Synode veranstaltet.
Teilnehmer waren Freiwillige, die sich jedes Jahr als St. Niklause verkleiden, um dann in den Tagen um den 6. Dezember Kinder zu besuchen.
«Es ging darum, ihre Arbeit zu würdigen, vor allem im Europäischen Jahr der Freiwilligenarbeit», erklärt Organisatorin Claudia Mennen gegenüber swissinfo.ch.
Der Anlass war so begehrt, dass die 90 Plätze schnell vergeben waren und rund 40 Samichläuse abgewiesen werden mussten.
Ein Bischof
Der Brauch hat seinen Ursprung im 4. Jahrhundert, wo Bischof Nikolaus von Myrna, das heute auf dem Gebiet der Türkei liegt, als Schutzpatron der Kinder wirkte. Deshalb verkleiden sich die Samichläuse häufig als Bischof, inklusive Bischofsmütze und Bischofsstab. Sie tragen nicht immer Rot, haben aber einen weissen Bart.
Der Weihnachtsmann, mit rot-weissem Umhang, sei eher ein Marketing-Instrument aus den USA, obwohl sein Ursprung beim St. Nikolaus liege, sagt Mennen. Solche Weihnachtsmänner sind auch in einigen Regionen der Schweiz zu sehen, etwa in Zürich. Der St. Nikolaus ist mit dem britischen Pendant, dem Weihnachtsmann, austauschbar geworden.
«Auf dem Land hingegen kennen die Leute den Unterschied zwischen dem St. Nikolaus und dem Weihnachtsmann», erklärte Mennen. «Die meisten Familien stehen unter weniger Stress als in den Städten und den Agglomerationen, wo es unterschiedliche Familienformen wie Alleinerziehende oder Patchwork-Familien gibt.»
Der St. Nikolaus-Brauch werde weniger gelebt. «Wir müssen die Botschaft rüberbringen», so die Organisatorin der Synode.
Herausforderungen
Diese Einschätzung stimmt auch mit den Erfahrungen von Marcel Campana überein, der seit 16 Jahren für die katholische Pfarrei St. Urban in Winterthur als Samichlaus unterwegs ist und an der Synode teilnahm. Ausländische Familien hätten teils noch nie vom Samichlaus gehört.
«Zu beobachten ist das auch in italienischen Familien, die eine völlig andere Tradition haben», sagt er gegenüber swissinfo.ch.
«Letztes Jahr war ich in einer Familie, wo die Mutter aus Vietnam stammte. Das kleinste der vier Kinder hatte praktisch keine Ahnung vom St. Nikolaus, die Älteren kannten ihn von ihren Freunden und aus der Schule.»
Für Campana war die Synode auch ein guter Ort, um mit «Kollegen» Erfahrungen auszutauschen. Er nahm an einem Workshop teil, wo es darum ging, wie man einen Besuch in einem Kindergarten durchführt.
Bei anderen Sitzungen gab es Ratschläge, wie man mit schwierigen Kindern umgehen oder auf welche Art man die traditionelle Geschichte vom St. Nikolaus erzählen soll.
Dies ist ein wesentlicher Teil eines jeden Samichlaus-Besuchs: «Die Kinder sagen ein St. Nikolaus-Gedicht auf oder spielen ein Lied auf ihrem Instrument, darauf liest der Samichlaus eine Geschichte über Probleme vor, die Kinder allenfalls ihren Eltern bereiten, wie etwa mangelnde Mithilfe im Haushalt, weil sie lieber draussen spielen», sagt Rolf Wüst.
Wüst ist Organisator der Samichlaus-Gruppe von Wohlen im Kanton Aargau, die in diesem Jahr ihren 70. Geburstag feiert.
Lob und Vertrauen
Heute müssen die Kinder nicht mehr Angst haben, dass sie vom St. Nikolaus und seinem Gehilfen, dem Schmutzli, wie er in der Deutschschweiz heisst, bestraft werden.
«Ein guter Samichlaus lobt die Kinder und sucht eher nach den guten als den schlechten Dingen», sagt Wüst, der auch an der Synode dabei war, im Gespräch mit swissinfo.ch. Er sollte aber genug Vertrauen gewinnen, um den Kind aufzuzeigen, wo es sein Verhalten verbessern könnte.
Obwohl zahlreiche Synodal-Teilnehmer aus der Deutschschweiz stammten, wird der St. Nikolaus-Brauch auch in den französischsprachigen Gebieten begangen, insbesondere in den katholischen Kantonen.
In Freiburg mit seinem Schutzpatron St. Nicolaus gibt es einen speziellen Festumzug. Dieser Anlass zieht jedes Jahr Zehntausende von Zuschauern an.
Das Brauchtum bleibt also trotz der Herausforderungen erhalten. Campanas Kinder, die heute erwachsen sind, sind in diesen Tagen als Schmutzlis unterwegs, Wüsts Organisation hat jedes Jahr rund 220 Besuche zu absolvieren.
«Der St. Nikolaus ist in der hektischen Zeit von heute ein Vorbote von Weihnachten», so Wüst. «Es ist sehr wichtig, dass ein Meilenstein gelegt wird und diese Tradition am Leben erhalten wird.»
St. Nikolaus: Im 4. Jahrhundert Bischof in Myrna (heute Türkei). Er half den Armen. St. Nikolaus-Tag ist der 6. Dezember. An diesem Tag bringt der Samichlaus den Kindern Nüsse, Früchte und Schokolade.
Weihnachtsmann: Ursprünglich in christlicher und europäischer Tradition, hat aber ein modernes Image als fröhlicher Mann in Rot und Weiss, kommt aus dem Viktorianischen Zeitalter in den USA. Besucht die Leute am Heiligen Abend, am Tag vor Weihnachten. Er kommt durchs Kamin in die Wohnungen, wo er Geschenke hinterlässt und die Strümpfe der Kinder füllt. Er fährt auf einem Schlitten, der von Rentieren und Elfen gezogen wird. Die Leute stellen dem Weihnachtsmann Hackfleisch-Pasteten und Brandy bereit.
Santa Claus: Basiert auf dem holländischen Sinterklaas (St. Nikolaus) und kommt aus den USA. Heute austauschbar mit dem Weihnachtsmann.
Weihnachten wird in der Schweiz am 24. Dezember, am Heiligen Abend, in der Familie gefeiert. In der Regel sehen die Kinder dann den mit Kerzen beleuchteten und geschmückten Weihnachtsbaum zum ersten Mal.
Gemäss Tradition wird den Kindern in katholischen Gegenden erzählt, die Geschenke seien ihnen vom Christkind (deutsch), vom Petit Jésus (französisch) oder vom Gesu Bambino (italienisch) gebracht worden. Aber heutzutage kennen die Kinder auch den Weihnachtsmann sehr gut.
(Übertragung aus dem Englischen: Gaby Ochsenbein)
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