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Die Schweiz sammelt für hungernde Menschen in Ostafrika

Hütte und Wüstenlandschaft in Borena im Süden Äthiopiens
Wolken am Himmel, aber jahrelang kein Regen mehr: In Borena im Süden Äthiopiens hat es seit 2020 keinen Niederschlag mehr gegeben. Obs/stiftung Menschen Fuer Menschen Schweiz

Am Horn von Afrika leiden die Menschen derzeit unter einer der schlimmsten Dürren seit über 40 Jahren, während die Lebensmittelpreise explodieren. Die Glückskette, der "humanitäre Arm" des öffentlich-rechtlichen Schweizer Radios und Fernsehens, organisiert am Mittwoch einen Sammeltag, um die Hilfe vor Ort auszuweiten.

Der Süden Äthiopiens ist eines der Gebiete, die am stärksten von der aussergewöhnlichen Dürre betroffen sind. Eine Folge des Klimawandels: «Hier hat es seit 2020 überhaupt nicht mehr geregnet, obwohl es normalerweise zwei Regenzeiten pro Jahr gibt», sagt Amélie Courcaud, Einsatzkoordinatorin des Schweizerischen Roten Kreuzes in dem Land.

Die Folgen sind verheerend in dieser von Natur aus trockenen Region, in der die Bevölkerung von der Weidewirtschaft lebt. Die Ernten bleiben aus, die Herden werden stark dezimiert.

In der Gegend von Borena, wo normalerweise viele Nutztiere weiden, «gibt es fast nichts mehr», sagt die Vertreterin der NGO. Die lokalen Behörden schätzen, dass 87% der Rinder verendet sind, was auch die Milch- und Fleischproduktion stark beeinträchtigt. Lebensmittel sind knapper und damit teurer geworden.

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«Etwas mehr als sieben Millionen Menschen in Äthiopien benötigen dringend Nahrungsmittel», sagt Courcaud. Die unsichere Ernährungslage beginnt sich auf die Gesundheit der Menschen auszuwirken. Es werden immer mehr Fälle von schwerer Unterernährung bei den am stärksten gefährdeten Gruppen beobachtet: Kleinkinder, schwangere Frauen und ältere Menschen. Der Zugang zu sauberem Trinkwasser ist noch schwieriger als sonst, was zu Cholerafällen führt.

Die Auswirkungen der Dürre werden durch zahlreiche Binnenflüchtige und eine schwache Wirtschaft verschlimmert, die kurz hintereinander unter der Covid-Pandemie und nun auch unter der hohen Inflation leidet. Wie viele afrikanische Länder ist Äthiopien für die Einfuhr von Getreide stark von der Ukraine abhängig. Die Invasion im Land liess die Verfügbarkeit zu einer Lotterie werden und die Preise stark ansteigen.

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«Im Februar kostete ein Kilo Weizen umgerechnet einen halben Schweizer Franken», sagt Courcaud. «Im Juni stieg der Preis auf 1,15 Franken, und heute sind es fast 2 Franken.» Der Preis für Mais, der als Tierfutter benötigt wird, sei um 60% gestiegen, so die Rotkreuz-Koordinatorin.

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Aufruf zur Aufstockung der Hilfe

Hilfsorganisationen warnen, dass die Lage am gesamten Horn von Afrika, also in Äthiopien, aber auch in Somalia und Kenia, kritisch ist. «Dies ist eine Katastrophe, wie wir sie in den letzten 40 Jahren noch nie gesehen haben», warnten mehrere Aussenstellen von UNO-Organisationen in einem gemeinsamen, am 18. November verbreiteten BeitragExterner Link.

In den drei Ländern leiden mindestens 36 Millionen Menschen unter den Auswirkungen der lang anhaltenden Dürre, und fast 21 Millionen Menschen befinden sich in einer Situation hoher Ernährungsunsicherheit, dem letzten Stadium vor einer Hungersnot.

«Dennoch liegt die Aufmerksamkeit der Welt woanders», beklagten die UNO-Offiziellen. Amélie Courcaud stimmt zu: «Die Aufmerksamkeit der Geberländer und der Öffentlichkeit ist auf die Krise in der Ukraine gerichtet.»

Die UNO ist der Ansicht, dass «die Welt es sich nicht leisten kann, die Dürre am Horn von Afrika zu ignorieren». Sie ruft dazu auf, die humanitäre Hilfe «erheblich» zu erhöhen.

Als Reaktion auf diese «vergessene Krise» startet die Glückskette, die bereits verschiedene Projekte vor Ort finanziert, am Mittwoch, 23. November, in der Schweiz einen Tag der SpendensammlungExterner Link.

Die Glückskette ist eine humanitäre Stiftung, die mit dem öffentlich-rechtlichen Schweizer Medienhaus SRG (zu dem auch swissinfo.ch gehört) verbunden ist und zusammen mit Partnerorganisationen Mittel zur Hilfe an Notleidende in aller Welt sammelt.

Wie spenden?

Spenden können online direkt auf der Website der GlücksketteExterner Link oder auf das Postkonto CH82 0900 0000 1001 5000 6 mit dem Vermerk «Hunger in Ostafrika» getätigt werden. Seit der Eröffnung eines Kontos für die Dürre in Afrika im April hat die Glückskette nach eigenen Angaben bereits mehr als 1,8 Millionen Franken an lokale Projekte vergeben.

Diese Hilfe wird von verschiedenen Schweizer NGOs geleistet, die Partner der Stiftung sind, darunter das Rote Kreuz, Helvetas oder auch Caritas.

Aufruf zur Sammlung
Die Glückskette ruft zu Spenden auf. Glückskette

Die Glückskette wurde 1946 in Lausanne im öffentlich-rechtlichen Radio der französischen Schweiz unter dem Namen «Chaîne du Bonheur» ins Leben gerufen. Die Idee breitete sich bald auf die beiden anderen Sprachregionen aus – «Glückskette» in der Deutschschweiz und «Catena della Solidarietà» in der italienischsprachigen Schweiz.

Zunächst handelte es sich um regelmässige Radiosendungen, mit denen Spenden für humanitäre Zwecke gesammelt werden sollten. 1983 wurde die Glückskette als eigenständige Stiftung gegründet, blieb aber mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Schweiz verbunden, dessen «humanitärer Arm» sie wurde. Die Aktionen der Glückskette werden über die verschiedenen Sender verbreitet.

Die gesammelten Spenden werden an rund 20 Partner-NGOs verteilt. Die Projekte konzentrieren sich vor allem auf langfristige Massnahmen wie den Wiederaufbau nach einer Katastrophe in der Schweiz oder im Rest der Welt.

Seit ihrer Gründung hat die Glückskette mehr als 250 Sammelaktionen organisiert und 1,7 Milliarden Franken an Spendengeldern gesammelt. Damit ist die Glückskette die grösste Geldgeberin der Schweiz für humanitäre Hilfe.

Anpassung und Resilienz werden finanziert

Das Projekt in Äthiopien, welches das Rote Kreuz dank der Finanzierung durch die Glückskette durchführt, konzentriert sich vor allem auf den Zugang zu Nahrung, Trinkwasser, Medikamenten und Hygiene, sagt Courcaud.

Das Rote Kreuz verteilt in erster Linie Wasseraufbereitungssets, aber auch direkt Geld an rund 3000 Familien. Sie werden dabei begleitet, das Geld bestmöglich zu nutzen. Die begünstigten Familien werden nach verschiedenen Kriterien der Gefährdung ausgewählt, wie etwa Einkommensniveau oder falls pflegebedürftige Personen im Haushalt leben.

«Wir zahlen ihnen in drei Raten den Gegenwert von 350 Schweizer Franken», sagt die Koordinatorin. «Mit diesem Betrag können sie Lebensmittel und Hygieneartikel kaufen und ihre Grundbedürfnisse für mehrere Monate decken.»

Die Organisation bekämpft auch die Verbreitung von Krankheiten, indem sie sich um die Verbrennung der zahlreichen Tierkadaver kümmert – eine entscheidende und zugleich heikle Aufgabe in einer Region, in der die Menschen zusammen mit ihren Tieren leben.

Das Rote Kreuz hätte die Kapazitäten, die Hilfe auf mehr Menschen auszudehnen, sagt Courcaud. Aber es fehle derzeit die Finanzierung dafür. Mit mehr Spenden könnte die Organisation über die Nothilfe hinausgehen, den «Überlebensmodus» verlassen und längerfristige Massnahmen ergreifen. Etwa, indem sie Familien dabei helfe, sich an künftige Krisen anzupassen, fügt sie hinzu.

>> Klimawandel, politische Instabilität, hohes Bevölkerungswachstum: Prof. em. Hans Hurni der Universität Bern ordnet die Situation in Ostafrika ein:

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Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub

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