Die Schweiz will mehr für die Biodiversität tun
Mit öffentlichen Veranstaltungen zum internationalen Jahr der Biodiversität 2010 hofft die Schweiz, ihre angeschlagene Umweltschutz-Bilanz aufpolieren zu können. Ein Bericht der OECD von 2007 wirft ein schlechtes Licht auf die Schweiz.
Der Umweltbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) war zum Schluss gekommen, dass in keinem anderen europäischen Land so viele Tiere und Pflanzen bedroht oder ausgestorben sind wie in der Schweiz.
Zum UNO-Jahr der Biodiversität wollen das schweizerische Umweltdepartement und verschiedene Nichtregierungs-Organisationen eine Reihe von Veranstaltungen durchführen.
Damit soll der Öffentlichkeit erklärt werden, was man unter Biodiversität versteht und wie sie in der Schweiz aufgewertet werden kann. Das Programm wird am 12. Januar bekanntgegeben.
Nationale Strategie
Parallel dazu wird eine landesweite Strategie zum Schutz der Artenvielfalt entwickelt, welche 2011 ins Parlament kommen soll. Das Fehlen eines nationalen Aktionsplans war einer der Hauptkritikpunkte im Bericht der OECD zur Schweizer Umweltpolitik.
«Es stimmt, dass die OECD die Biodiversität als Schwachpunkt in der Schweizer Umweltpolitik bezeichnete», sagt Elisabeth Maret, Informationsbeauftragte im Bundesamt für Umwelt (BAFU), gegenüber swissinfo.ch.
«Es ist klar, dass hier Handlungsbedarf besteht. Klar ist auch, dass die Artenvielfalt längerfristig nicht garantiert ist. Auf dem Gebiet der Biodiversität und Ökosysteme haben wir seit dem 19. Jahrhundert viel verloren, insbesondere an Lebensraum.»
Über 220 Arten in Flora und Fauna wurden in den letzten 150 Jahren ausgelöscht oder sind verschwunden. Fast die Hälfte der hiesigen Tierwelt steht gegenwärtig auf der roten Liste bedrohter Arten, und über ein Drittel der Farne und Blumen, sowie Moose und Flechten werden als «gefährdet» eingestuft.
Maret gibt aber zu verstehen, dass es infolge von Urbanisierung und Bevölkerungswachstum auch anderorts auf dem Planeten zu ähnlichen Entwicklungen gekommen sei. Die Lage in der Schweiz habe sich in den letzten 15 Jahren dank ergriffenen Massnahmen jedoch stabilisiert.
Verbindliche Massnahmen
Die nationale Strategie wird von der Regierung zusammen mit Interessensgruppen entwickelt. Sie sieht verbindliche Massnahmen vor und hat zwei Hauptziele im Visier: die dauerhafte Erhaltung der Biodiversität und deren Fähigkeit, sich Veränderungen anzupassen.
«Es ist von grosser Wichtigkeit, dass die Schweiz diese Strategie umsetzt», erklärt Roland Schuler von ProNatura.
«Sie bildet die Grundlage für alle Aktivitäten des Bundesrats in Bezug auf die Biodiversität: des Zeitrahmens sowie der Bereiche. Im Vergleich zu anderen Ländern Europas wird sie relativ spät entwickelt. Deshalb hoffen wir sehr, dass sie in Kraft tritt und griffige Aktionen umreisst.»
Laut Schuler führte in der Vergangenheit ein allgemeiner Mangel an Kenntnissen über Biodiversität zu einem Fehlen an politischem Willen, einen koordinierten Aktionsplan zu entwickeln. Deshalb sei auch zu wenig Geld dafür zur Verfügung.
«Das ist ein schrecklicher Mix, wenn man aktiv werden will. Die Öffentlichkeit und auch die Politiker sind sich nicht wirklich bewusst, was die Biodiversität für die Leute bedeutet und wie ihr Rückgang langfristig unser Leben beeinträchtigen wird.»
Nachhaltigkeits-Preis
Ein Studie des BAFU zur Biodiversität hatte jüngst herausgefunden, dass eine Mehrheit der Leute den Ausdruck zwar kennt, seine Bedeutung aber nicht voll versteht, sondern glaubte, es gehe lediglich um den Beschrieb verschiedener Arten.
Das Jahr der Biodiversität zur landesweiten Förderung der Thematik beeinhaltet spezielle Aktivitäten in Zoos, Führungen und Exkursionen. Zudem ist der Kongress «Natur» im Februar in Basel der Biodiversität gewidmet. Im weiteren wird zum ersten Mal der Schweizer Nachhaltigkeitspreis «Prix NATURE» verliehen.
«Ziel dieses Jahres ist es, dass alle über Biodiversität sprechen, auch die Leute auf der Strasse, nicht nur die Experten. Wir haben den Eindruck, dass es in der Schweiz gut steht um die Artenvielfalt. Das ist aber bei Weitem nicht der Fall», erklärt Daniela Pauli, Geschäftsleiterin des Forums Biodiversität Schweiz, eine der Partner-Organisationen.
«Wir hoffen, die Leute wissen nach diesem Jahr, dass die Biodiversität in der Schweiz bedroht ist und wichtig ist für unser Leben. Es geht nicht nur um seltene Pflanzen oder Tiere. Artenvielfalt betrifft uns in allen Aspekten unseres Lebens.»
Jessica Dacey, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Gaby Ochsenbein)
Das Bundesamt für Natur beschreibt Biodiversität als die natürliche Vielfalt der Gene, Arten und Ökosysteme.
Der Erhalt der Biodiversität sei eine moralische Verpflichtung, aber auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Ein Drittel der menschlischen Nahrung komme von Pflanzen, die durch wilde Lebewesen befruchtet würden. Natürliche Ökosysteme sorgten für eine gute Qualität des Trinkwassers.
Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Biodiversität seien bereits erkennbar – gewisse Lebewesen in den Bergen hätten sich um durchschnittlich 13 Meter in höhere Lagen zurückgezogen.
Ein nationales Biodiversitäts-Monitoring, das 2001 lanciert wurde, zeigt, dass mediterrane Arten, wie zum Beispiel gewisse Schmetterlingsarten, sich in alpinen Regionen ansiedeln.
Die Vereinten Nationen haben 2010 zum internationalen Jahr der Biodiversität erklärt.
Der Veranstaltungskalender für die Schweiz wird am 12. Januar von Umweltminister Moritz Leuenberger in der Hauptstadt Bern bekannt gegeben.
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