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Die Wiedereingliederung ist für Rückkehrer nicht einfach

Rückkehrer müssen sich auch wieder an die Öffnungszeiten in der Schweiz gewöhnen. Keystone

Eine Stelle finden und sich in der neuen Arbeitsumgebung wohl fühlen: Das sind für viele Schweizer, die nach Jahren im Ausland in ihre Heimat zurückkehren, die grössten Hürden, die sie überwinden müssen. Sie können aber auch Kompetenzen in die Waagschale werfen, die sie aus dem Ausland mitbringen, z. B. etwas aus anderer Perspektive sehen zu können.

«Man muss damit rechnen, dass es schwierig sein wird, darf nicht erwarten, dass die Rückkehr einfach sein wird», erklärt Tiziana Campailla, die 2012 in die Schweiz zurückkehrte. «Ich hatte gedacht, dass ich mehr Hilfe erhalten, mehr willkommen geheissen würde, doch so war es nicht.»

Campailla ist eine von ungefähr 25’000 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, die jedes Jahr in ihr Heimatland zurückkehren. Während jeder Fall anders ist – einige haben einen Arbeitsplatz, wenn sie zurückkommen, andere folgen ihrem Gatten, ihrer Gattin – gibt es Leute wie Campailla, die eine Unterstützung begrüssen würden. Nach schwierigen Jahren im Zug der Wirtschaftskrise in Spanien hatte sie grosse Hoffnungen in ihre Rückkehr nach Genf gesetzt. Die Realität war dann jedoch ganz anders.

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Nach Angaben der Auslandschweizer-Organisation Externer Link(ASO) gibt es keine konkrete Anlaufstelle für Schweizerinnen und Schweizer, die in ihre Heimat zurückkehren. Zuerst müssen sie sich am neuen Wohnort in der Schweiz anmelden, und danach herausfinden, welche Dienstleistungen und Hilfestellungen lokal angeboten werden. In seltenen Fällen können ein Konsulat oder eine Botschaft im Ausland Unterstützung bieten für die Rückwanderung. Und die ASO hat ein Budget für kleinere Darlehen, um Rückwanderern zu helfen, in der Schweiz wieder Fuss zu fassen.

Campailla sagt, sie sei völlig unvorbereitet gewesen darauf, wie wenig Unterstützung sie gefunden habe, als sie wieder in der Schweiz war, sie habe mit einem grösseren Angebot gerechnet. Die Zeit, die sie mit einem Anstellungscoach verbrachte, habe weder zu einer Stelle, noch zu Vorschlägen geführt, wie sie ihr CV verbessern könnte. Auch hatte sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, da sie vor ihrer Rückwanderung in Spanien gearbeitet hatte.

«Es war schwierig, denn ich musste [in Genf] bei meinem früheren Arbeitgeber um Hilfe bitten», erklärt sie. «Bevor ich nach Spanien auswanderte, hatte ich beim Sozialamt gearbeitet, und weil ich Hilfe brauchte, landete ich schliesslich dort.»

Heute hat Campailla eine Teilzeitstelle, aber es hatte fast zwei Jahre gedauert, bis sie diese fand. Sie ist nicht sicher, wieso es so lange dauerte, vielleicht weil sie älter wird, oder weil ihre Zeit im Ausland von potentiellen Arbeitgebern nicht als positiv erachtet wurde. Sie nahm bei Personalvermittlungsagenturen auch eine gewisse Abneigung wahr, was ihre Zeit im Ausland anging.

«Für mich war die Zeit im Ausland eine grossartige Erfahrung, sie bewies, dass ich mich rasch an neue Situationen anpassen konnte, aber das entspricht überhaupt nicht dem, was die Leute hier denken», sagt sie. «Es ist wie als ob ich vor zu langer Zeit weggegangen wäre, vergessen hätte, wie die Dinge in meiner Heimat funktionieren und nicht – wie die Leute in der Schweiz – auch gearbeitet hätte.»

Thomas Wyssenbach untersuchte die Auswirkungen, die längere Auslandaufenthalte bei einer Rückwanderung in die Schweiz haben können: Er schrieb seine Bachelor-ArbeitExterner Link an der Fachhochschule Nordwestschweiz zu diesem Thema.

Mit Blick auf spezifische Hilfeleistungen ergab seine Befragung von Rückwanderern, dass jene, die klar auf Hilfe angewiesen waren, nicht herausfinden konnten, was angeboten wurde. Seine Untersuchung zeigte auch, dass potentielle Arbeitgeber bestenfalls neutral eingestellt sind, wenn es darum geht, dass Leute im Ausland gelebt haben.

«Aus Perspektive des Arbeitgebers wird in der Schweiz die Tatsache, dass jemand längere Zeit im Ausland verbracht hat, oft immer noch eher negativ betrachtet, und zwar in dem Sinne, dass dies eine Person ist, die das Leben geniessen kann, aber auch bald wieder losziehen könnte.»

Wyssenbachs Untersuchungen zeigten jedoch auch, dass Leute, die Zeit im Ausland verbracht haben, bei der Stellensuche auch etwas Einzigartiges haben, das für sie spricht. Er fand heraus, dass Leute, die den Mut hatten, die Schweiz zu verlassen und sich anderswo zu etablieren, oft gewisse Persönlichkeitszüge besitzen, die genau das sind, wonach viele Arbeitgeber heute suchen.

Nicht viel wert

«Leute, die ins Ausland ziehen, haben Qualitäten, die ihnen ermöglichen, in einer anderen Umgebung zu funktionieren», erklärt er. «Wer nicht für ein Leben im Ausland gemacht ist, kommt ziemlich rasch wieder zurück. Wer im Ausland bleibt, hat hingegen eine bestimmte Art von Charakter, und es sind genau diese Qualitäten, die in Stelleninseraten gefragt sind.»

Zu den Beispielen solcher Charakterzüge, die in der Studie aufgeführt werden, gehören interkulturelles Bewusstsein, Kommunikations- und Sprachkenntnisse, Flexibilität und der Wille, Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten.

Eine scheinbar ideale Situation also für Rückwanderer auf Stellensuche, ausser dass zu oft weder Rückwanderer noch potentielle Arbeitgeber sensibilisiert sind auf diese Aspekte, wie Wyssenbach bei seiner Studie herausfand.

«Leute, die in die Schweiz zurückkehren, sollten nicht nur damit argumentieren, dass sie im Ausland waren und gute Erfahrungen machten, sondern sie sollten konkret erklären, wie sie von diesen Erfahrungen profitiert und welche Kompetenzen sie erworben haben», rät er. «Die Tatsache allein, dass man Zeit im Ausland verbracht hat, ist nicht viel wert.»

Flexibel bleiben

Barbara Handschin konnte ihre im Ausland erworbenen Qualitäten erfolgreich verkaufen, nachdem sie gezwungen gewesen war, sich dort an eine völlig fremde Situation anzupassen.

Barbara Handschin und ihr Mann verbrachten vier Jahre in Boston, wo auch ihre Tochter geboren wurde. Barbara Handschin

2008 war sie ihrem Mann, der dort eine Stelle hatte, nach Boston gefolgt, wo sie von Grund auf neu anfangen musste, in einem neuen Land, einer neuen Stadt, mit einem spezifischen Schweizer Abschluss in klinischer Psychologie, der in den USA nicht anerkannt wurde. Sie machte daher ein Zertifikat in Pilates und suchte gleichzeitig weiter nach einer Stelle in der psychologischen Forschung. Schliesslich fand sie Arbeit bei einem Forschungsprojekt, das beide Bereiche kombinierte.

Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz zahlten sich diese Flexibilität und Erfahrung in verschiedenen Bereichen aus, und sie fand rasch eine ähnliche Arbeit am Universitätsspital Basel, wo sie die Auswirkung von körperlicher Bewegung auf Krebspatienten untersucht.

«Ich denke, es ist sehr wichtig, offen zu bleiben, und sich nicht zu sehr auf bestimmte Ideen zu fixieren», erklärt Handschin im Zusammenhang mit dem Wechsel von einem Land zum anderen und der Suche nach Arbeit. Doch trotz der relativen Leichtigkeit, mit der sie sich wieder im Schweizer Arbeitsmarkt integrierte, erklärt sie, die Rückkehr ihrer Familie in die Schweiz sei keineswegs permanent.

«Wir wussten irgendwie, dass es nicht einfach sein würde, aber es war härter, als wir erwartet hatten», sagt sie zur Wiedereingliederung, und bringt dabei soziale Unterschiede zur Sprache und «Intoleranz», die sie erfahren habe. «Es dauerte bis jetzt, bevor ich mich hier wieder heimisch und ziemlich gut fühlte, mehr als ein Jahr.»

«Vorerst haben wir uns entschieden, drei, vier weitere Jahre hier zu bleiben, danach wollen wir schauen, wo wir stehen und erneut einen Entscheid fällen.»

Gutes Arbeitsumfeld

Wyssenbach fand auch heraus, dass jene Rückwanderer mit ihrer Wiedereingliederung in der Schweiz am glücklichsten sind, die ein «Arbeitsumfeld gefunden haben, in dem sie so viele ihrer Kenntnisse wie möglich einbringen können und von Leuten umgeben sind, die ähnliche Erfahrungen machten». Erleichtert wird die Wiedereingliederung auch, wenn man im Rahmen der Arbeit regelmässig ins Ausland geschickt wird.

Claudia Dietschi hat sich dank ihrem Job und ihrem Netzwerk gut wieder in der Schweiz eingelebt. Claudia Dietschi

Das war bei Claudia Dietschi der Fall. Als sie sich nach 13 Jahren in Irland, Spanien und Asien entschied, in die Schweiz zurückzukehren, wusste sie, dass sie weiterhin in einem internationalen Umfeld arbeiten wollte. Nachdem sie für Unternehmen wie Google gearbeitet hatte, verlief der Übergang zu einer Stelle bei einer US-Technologiefirma in Zürich ziemlich nahtlos, vor allem weil sie im Rahmen ihrer Arbeit weiter regelmässig ins Ausland reist und Leute aus der ganzen Welt anstellt.

Sie ist aber nicht sicher, ob es ihr bei einem Schweizer Unternehmen auch so gut ergangen wäre, vor allem weil sie nach so vielen Jahren im Ausland mit den sozialen und beruflichen Erwartungen eines Schweizer Arbeitsplatzes überhaupt nicht vertraut ist.

«Ich wüsste nicht genau, wie damit umzugehen», sagt sie und verweist auf das Beispiel von Schweizer Kunden, die morgens um 7 Uhr E-Mails senden, während bei ihrer Firma aufgrund internationaler Zeitzonen die Arbeit erst später beginnt. «Auch die Tatsache, dass ich wirklich nicht sehr viel in einem deutschsprachigen Umfeld gearbeitet habe, könnte einschränkend sein.»

«Ich denke, dass ich die für mich richtige Stelle gefunden habe, denn ich kann die Fähigkeiten, die ich im Ausland erworben habe, nutzen und auf einer täglichen Basis anwenden.»

(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

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