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Willkommen in der Digitalen Schweiz

Swissinfo Redaktion

Die digitale Elite der Schweiz geht in die Offensive. Am 20. November 2017 trafen sich Politik, Wirtschaft und Wissenschaft an der ersten "Nationalen Konferenz Digitale Schweiz". Am 21. November machte die Branchenorganisation digitalswitzerland die Chancen der Digitalisierung für die Bevölkerung greifbar. Diese Dynamik ist zu begrüssen, auf die folgenden Taten kann man gespannt sein.

An der nationalen Konferenz stimmte die Schweizer Bundespräsidentin Doris Leuthard die Gäste auf den Tag ein. Es gelte, Vor- und Nachteile der Digitalisierung abzuwägen. Wer profitiert? Insgesamt sei die Digitalisierung – richtig umgesetzt – eine Chance. Wie das gehen sollte, verriet sie noch nicht.

Der Politikwissenschaftler Stefan KlauserExterner Link ist Projektleiter für «Digital Society» an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich.

In Estland wird online geheiratet, Steuern bezahlt und Firmen gegründet

Anschliessend zeigte Taavi Kotka, der frühere Informationsbeauftragte der estnischen Regierung, auf, was die Schweiz in den letzten 10-20 Jahren verpasst hat. In dieser Zeit hat sich Estland ganz dem Thema Digitalisierung verschrieben. Bereits vor 15 Jahren wurde in der Hauptstadt Tallinn kabelloses Internet für alle ausgerollt. Heute bekommen alle Estinnen und Esten eine digitale Identität bei Geburt. Diese dient dazu, verschiedenste Dienstleistungen des Staates im Internet in Anspruch nehmen zu können. So werden online neue Unternehmen gegründet, Formulare ausgefüllt, geheiratet, Steuern bezahlt, gewählt, usw.

Geben die Estinnen und Esten für diesen Komfort ihre Privatsphäre auf? Das Beispiel der Gesundheitsdaten widerlegt das zumindest teilweise. Zwar können Ärzte die Daten jederzeit abrufen, dabei entsteht aber ein Eintrag, dass die Daten vom betreffenden Arzt angeschaut wurden. Die Menschen haben jederzeit die Übersicht, wer sich Zugang zu ihren Daten verschafft hat.

Um mit den digitalen Entwicklungen mithalten zu können, setzen die Estinnen und Esten konsequent auf digitale Bildung. Kinder in der Schule lernen Programmieren, oft sogar schon im Kindergarten.

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In der Schweiz herrscht unaufgeregte «Aufbruchsstimmung»

In der Schweiz sieht das noch etwas anders aus. Zwar haben die hiesigen Politiker erkannt, dass es an der Zeit ist, die digitale Bildung der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Doch sind wir noch ein gutes Stück weit entfernt von einer digitalen Schweiz. Für Unternehmen gibt es mittlerweile die Plattform EasyGov.swiss. Darauf können Unternehmen gegründet und weitere administrative Abläufe vereinfacht werden.

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Mit weitergehenden Neuerungen von offizieller Seite tut man sich schwerer, insbesondere wenn es um den politischen Prozess geht. Ideen, die fordern, dass Bürgerinnen und Bürger im Internet in den politischen Prozess eingreifen können, werden oft als unsicher oder undemokratisch abgestempelt. Ältere Leute würden zudem von diesem Prozess ausgeschlossen, da sie den technologischen Fortschritt nicht zu nutzen vermochten.

Es gibt aber auch Stimmen, die sich optimistisch äussern: So betonte die Genfer Staatskanzlerin Anja Wyden Guelpa, dass die Digitalisierung insbesondere junge Menschen zurück in den politischen Prozess holen könne. Und diese seien weit weniger politisch aktiv als ältere. Es ginge nicht darum, die traditionellen Methoden zu ersetzen, sondern lediglich zu ergänzen.

Ist die Schweiz verloren?

Diskussionen um die richtige Strategie für die digitale Demokratie sind sicherlich nützlich. Wozu kann der Onlineraum genutzt werden? Um neue Ideen zu diskutieren, um Unterschriften zu sammeln oder gar abzustimmen? Die digitale Strategie der Schweiz, der Digitaldialog und die neuen Plattformen gehen in die richtige Richtung. In der Schweiz wird aber oft lange diskutiert. Taavi Kotka sagt gar: «Ihr seid verloren (screwed). Ihr redet, macht aber nichts.»

Publikum am Digitalen Tag
Der Digitaldialog ist beim Publikum beliebt. Stefan Klauser

Eine Idee wäre, dass der Bund die Digitalisierung von Gesellschaft und Politik in der Schweiz in Zusammenarbeit mit den Hochschulen forcieren würde, z.B. in sogenannten Digital Labs – digitalen Laboratorien, wo mit neuen Partizipationsmethoden experimentiert werden könnte. Das würde auch die Entwicklung von attraktiven digitalen Plattformen ermöglichen, die auf erweiterte Realität (siehe Box) und spielerische Umsetzungsformen setzen. Wie das aussehen könnte, werden wir im nächsten Artikel dieser Serie vorstellen.

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Weitere Themen für den öffentlichen Dialog über die Digitalisierung sind: Wer soll die Kontrolle über unsere Daten haben? Und wieviel Mitbestimmung wollen wir? Um diesen Dialog effizient führen zu können, muss ein gewisses digitales Wissen in der Bevölkerung vorausgesetzt werden können. Deshalb hat digitalswitzerland den Digitaltag ins Leben gerufen. In über 80 Veranstaltungen wird die Bevölkerung landesweit in die Möglichkeiten der digitalen Welt eingeführt. Der Digitalbezug der Events ist nicht immer gleich klar, etwa wenn Philip Morris die Menschen «Auf dem Weg in eine rauchfreie Zukunft» begleitet. Daneben hat der Tag durchaus Spannendes aus den Bereichen virtuelle Realität und Robotik zu bieten, etwa ein VR-Kino, Programmierklassen oder ein Workshop dazu, wie man die Weihnachtsbeleuchtung selbst steuern kann.

Erweiterte und virtuelle Realität («augmented reality» & «virtual reality»)

Unter erweiterter Realität versteht man die Erweiterung der Wahrnehmung mittels Computertechnologie. Man schaut z.B. durch das Mobiltelefon oder das Tablet und bekommt Informationen zum betrachteten Bildausschnitt, z.B. die Namen der Berggipfel. Bei der virtuellen Realität taucht man vollends in eine computergenerierte, virtuelle Welt ein. Meist mittels einer sogenannten VR-Brille kann man sich, ohne sich weg bewegen zu müssen, in jede erdenkliche Welt versetzen.


Die in diesem Artikel geäusserten Ansichten sind ausschliesslich jene des Autors und müssen sich nicht mit der Position von swissinfo.ch decken.

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