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Ein Schliessfach für digitale Daten

So muss man sich digitale Schliessfächer vorstellen: gekühlte Servertürme (Imagepoint) Martin Schwabe

Was geschieht mit den digital gespeicherten Daten und Passwörtern, wenn man von der Strassenbahn überrollt wird? Das Leben im digitalen Zeitalter wirft neue Fragen auf. Eine junge Firma in Zürich bietet Lösungen dazu an.

Seit Mitte der 90-er Jahre wird unser Leben ständig digitaler. Briefe werden per E-Mail verschickt, Zahlungen via Intenet erledigt. Dafür braucht es Passwörter oder Codes, die strenger Geheimhaltung unterliegen und oft gar nirgends festgehalten sind und auf die im Notfall niemand Zugriff hat.

Bei der Firma DSwiss in Zürich kann man ein digitales Schliessfach mieten, um wichtige, digital gespeicherte Daten sicher abzulegen. Es kann sich um Passwörter, Bilder, Texte, Musikstücke, Filme, Verträge, usw. handeln. Ein digitales Schliessfach ist nichts anderes als ein Stück Speicherplatz auf einem Server. Der Speicherplatz ist wie ein E-Mail-Konto verwaltbar.

Speziell an den digitalen Schliessfächern ist, dass ihr Inhalt im Todesfall jemandem vererbt werden kann. Jedes eingelagerte Dokument wird mit einem eigenen Schlüssel derart codiert, dass es einzeln verschiedenen Erben zugänglich gemacht werden kann. Der Inhaber des Schliessfachs erhält neben seinem persönlichen Zugang auch einen Aktivierungscode, den er einer andern Person anvertraut. Mit diesem Code kann die Vertrauensperson im Notfall die Vererbungsfolge auslösen.

Keine Testamentvollstrecker

Die Daten im digitalen Schliessfach können im Todesfall bis zu zwanzig Personen zugeteilt werden, überlappend oder einzeln. «Testamentvollstrecker sind wir jedoch nicht. Ein Testament muss nach wie vor von Hand geschrieben werden», sagt Tobias Christen, der Co-Geschäftsführer von DSwiss, «wir bieten nur einen Aufbewahrungsort für digital gespeicherte Daten an.»

Verstirbt die Inhaberin oder der Inhaber des Schliessfaches, muss die Vertrauensperson den Aktivierungscode eingegeben. Damit wird die Vererbungsabfolge gestartet.

«Der Besitzer des Schliessfachs hat zu Lebzeiten eine Frist eingegeben, die verstreichen muss, bevor die Erben benachrichtig werden. Wir versuchen dann, ihn in dieser Frist telefonisch und per E-Mail zu erreichen. Verstreicht die Zeit, die er selbst gesetzt hat, ohne dass er sich bei uns meldet, gehen wir davon aus, dass er tatsächlich verstorben oder handlungsunfähig ist. Dann bekommen die Erben die Daten oder die Passwörter in einem für sie eröffneten E-Mail-Account zugestellt.»

Meldet sich der Besitzer des Schliessfaches innerhalb der Frist, heisst das, dass der Aktivierungscode missbräuchlich eingegeben wurde. Dann wird niemand benachrichtigt.

In Europa ist DSwiss zur Zeit die einzige Firma, die diese Dienstleistung anbietet. In den USA gebe es eine Firma, die digitale Schliessfächer anbiete, aber nur für Passwörter.

Sicherheit der Schliessfächer

Die Investitionen in die Sicherheit der digitalen Schliessfächer waren hoch: «Wir setzen unsere Server einmal pro Tag absichtlich einem Hackerangriff aus.» Es gibt eine amerikanische Firma, die diese Dienstleistung anbietet. So können wir sicher gehen, dass unsere Sicherheitinstallationen dicht sind.» Für Hacker sei es einfacher, via Computer der Endkunden einzudringen als via Server.

Die Server der DSwiss stehen in Glattbrugg. Die Anlage werde 24 Stunden pro Tag überwacht. Betreten zur Besichtigung ist nicht erlaubt.

Die Firma hat vom Bundesamt für Berufsbildung und Technoloige (BBT) den Preis der Schweizerischen Förderagentur für Innovation (KTI) gewonnen.

Mit diesem Preis wurde in einem Projekt mit der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaft (ZHAW) zusammengearbeitet. Mit der einen Gruppe der Hochschule hat DSwiss die Sicherheitsstandards erarbeitet. Eine andere Gruppe der ZHAW hat die Sicherheit der Informationen anschliessend getestet. Dieses Projekt sei noch nicht abgeschlossen, sagt Christen.

Lesbarkeit in 100 Jahren

Eine weitere Problematik ist die Frage der Lesbarkeit der Daten. Die digitalen Schliessfächer sind gerade auch wegen der Vererbungsfunktion auf Langfristigkeit angelegt. Im Moment sei die Kompatibilität noch kein Problem, sagt Christen, aber längerfristig müsse man damit rechnen, dass die Daten vielleicht nicht mehr lesbar oder die Speichermedien oder Lesegeräte nicht mehr brauchbar seien.

«Es gibt ein Langzeit-Archivierungsformat, das heisst PDF/A. Mittelfristig planen wir, entweder den Service selbst anzubieten oder mit einer Partnerfirma zusammenzuarbeiten, damit die Daten in dieses Langzeit-Archivierungsformat umgewandelt werden können.» Für das PDF/A-Format sei garantiert, dass man es in fünfzig oder hundert Jahren noch lesen könne.

Software im Internet

Einen eher aussergewöhnlichen Weg ist die Firma in Bezug auf die Patentierung ihrer Software gegangen: «Da es nicht sicher sei, ob man in ein paar Jahren noch das Patent auf seine eigene Erfindung bekomme, weil bis dahin wahrscheinlich das Patentgesetz geändert worden sein dürfte, habe sich die Firma entschieden, proaktiv zu handeln: «Wir haben unsere Idee, wie die Software entwickelt und strukturiert ist, auf dem Internet veröffentlicht. So kann uns niemand sagen, wir hätten die Idee kopiert. Wir waren nachweisbar die ersten, die sie hatten.»

Dass die Software für die digitalen Schliessfächer durch diesen Schritt öffentlich zugänglich ist und von jedermann nachgemacht werden kann, findet Christen nicht so tragisch. Es brauche schon sehr viel Fachwissen, um damit etwas anfangen zu können.

Seit Juni 2009 betreibt DSwiss das Geschäft mit den digitalen Schliessfächern. «Uns hat überrascht, dass viele Leute sich für eine längerfristige Lösung entschieden haben. Offenbar besteht ein Bedürfnis zur Sicherung von digitalen Daten», meint Tobias Christen.

Eveline Kobler, swissinfo.ch

DSwiss ist eine Schweizer Bank für Informationswerte. Sie bietet Kunden und Partnern weltweit sichere Internet-Dienstleistungen und die langfristige Bewahrung wichtiger digitaler Daten. DSwiss ist eine unabhängige Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich. Das digitale Schliessfach wird unter www.datainherit.com angeboten. Ein Schliessfach kann auch auf Probe genutzt werden.

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