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Ein würdevoller Lebensabend für ältere Migranten

Sie haben ihr Leben lang hart gearbeitet: Nun sollten ältere Migranten ihre Pensionszeit in der Schweiz unter guten Bedingungen geniessen. Marco Volken

Viele Arbeitsmigranten, die nach dem Zweiten Weltkrieg in die Schweiz kamen, wollten nur kurz bleiben. Viele von ihnen sind in der Schweiz jedoch alt geworden. Aber wie steht es um ihre soziale und gesundheitliche Situation? Darüber sprach man an einer Tagung in Bern.

«Wir wollten eigentlich nur kurz in der Schweiz bleiben. Wir wollten nach Hause zurückkehren, bevor die Kinder eingeschult wurden. Dann hat der Fall des Franco-Regimes unsere Pläne durchkreuzt. Und jetzt werden wir in der Schweiz bleiben», sagt die spanische Migrantin Maria del Carmen Albarran.

Dieses Schicksal teilt die Spanierin mit Tausenden von Migranten, die zwischen 1950 und 1970 in die Schweiz kamen, zumeist aus Südeuropa. Sie lebten ohne heimische Wurzeln. Und sie hegten stets den Traum, in ihre Heimat zurückzukehren.

Doch viele haben diesen Traum nicht verwirklicht. Heute leben rund 130‘000 Migranten im AHV-Alter in der Schweiz – die Eingebürgerten nicht mitgerechnet. Ihre Zahl wird gemäss dem Bundesamt für Statistik bis ins Jahr 2050 auf 280‘000 ansteigen.

Ein Dank an die Migranten

Diese Entwicklung stellt eine grosse Herausforderung für die Gesellschaft und ihre Institutionen dar. Die gesundheitliche und sozialen Situation der älteren Migrationsbevölkerung in der Schweiz war denn auch Thema einer Tagung mit dem Titel «…und es kamen Menschen» in Anspielung auf den berühmten Satz von Max Frisch: «Wir riefen Arbeitskräfte, es kamen Menschen.»

Die Tagung des Nationalen Forums Alter und Migration in Bern fand genau zwei Tage nach der Volksabstimmung zur Ausschaffung straffällig gewordener Ausländer statt. Doch der Tenor war ein anderer. An dieser Stelle wollte man vor allem all jenen danken, die die heutige Schweiz mitaufgebaut haben.

«Ohne den fundamentalen Beitrag der eingewanderten Italiener, Spanier und Portugiesen hätten wir nicht unseren Wohlstand erreicht. Wir müssen ihre Verdienste anerkennen», sagte Christine Egerszegi, Präsidentin des Nationalen Forums Alter und Migration gegenüber swissinfo.ch.

«Wir müssen diesen Migranten sagen: Wir haben euch benutzt, und nun machen wir alles, damit ihr einen schönen Lebensabend in der Schweiz verbringen könnt», so Egerszegi.

In diesem Sinne äusserte sich auch Bundesrätin Simonetta Sommarug: «Die Schweiz wäre ohne ihre Migrantinnen und Migranten ein anderes, ein ärmeres Land», betonte die neue Vorsteherin des Justiz- und Polizeidepartements. Sie erwähnte insbesondere den enormen Beitrag der Migranten zum Gesundheitssystem, in Gastronomie und Hotellerie sowie in der Bauwirtschaft.

Gesundheitlich prekärer

Die Migranten kamen in die Schweiz und haben hart gearbeitet. Sie haben Häuser gebaut, Autobahnen oder auch den Gotthard-Strassentunnel. Sie kamen gesund, denn sie mussten sich an der Grenze einem Test unterziehen. Sie wurden als Arbeitskräfte gerufen, nicht als Menschen.

Viele sind heute müde. Sie sind hin- und hergerissen zwischen ihrer Lust, in die Heimat zurückzukehren, und der Unmöglichkeit, dies umzusetzen: Denn Kinder und Enkel leben häufig in der Schweiz. Sie wissen nicht mehr, wo ihre Heimat ist.

«Den Migranten geht es auch gesundheitlich schlechter als ihren Schweizer Altersgenossen», sagte Giuseppe Ribaudo, Präsident von Pro Migrante, einem Verein zur Unterstützung von älteren Migranten.
Er zitierte Statistiken, wonach 25 Prozent der Migranten zwischen 63 und 74 Jahren ihren Gesundheitszustand als schlecht bezeichnen – der Anteil liegt sechs Mal höher als bei den Schweizern.

«Es ist eigentlich ein Paradox, weil die Migrationsbevölkerung im Schnitt gesünder war als die Einheimischen, denn nur gesunde Arbeitskräfte fanden im Schweizer Markt eine Stelle», so Ribaudo.

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Versprechen für ältere Migranten

Aber warum geht es ihnen schlechter? Laut Ribaudo gibt es viele Gründe. «Die Arbeitsbedingungen haben sich negativ auf ihren Gesundheitszustand und ihre finanzielle Lage ausgewirkt.»

Häufig waren die Migranten in einfachen und anstrengenden sowie schlecht bezahlten Berufen tätig. Dazu kamen eine gewisse soziale Marginalisierung und schlechte Integration, was sich negativ auf die Psyche auswirkte.

Und heute? «Interessiert sich die Eidgenossenschaft noch genauso für meine Gesundheit wie damals, als ich an der Grenze untersucht wurde? Macht die Schweiz alles, damit ich auch meinen Lebensabend in Würde verbringen kann?», fragt Luigi.

Die Antwort lautet: Ja. Zumindest war dies der Tenor an der erwähnten Tagung. Die Parlamentarierin Christine Egerszegi aus dem Kanton Aargau betonte: «Wir müssen den ausländischen und pensionierten Arbeitern alle Informationen und Dienstleistungen geben, die ihnen nützlich sein können.»

Viele Migranten wüssten beispielsweise nicht, dass sie Ergänzungsleistungen beantragen können, wenn die AHV sehr tief ausfalle. «Zudem müssen wir Bedingungen schaffen, damit die Migranten einen Teil ihrer Kultur auch in Altersheime einbringen können. Die Schweiz schuldet dies ihren Migranten», so Egerszegi.

Die Generation der ersten grösseren Einwanderungs-Bewegung nach dem Zweiten Weltkrieg, welche in den 1950er- und 1960er-Jahren aus Europas Süden eingewandert ist, wird älter.

Din Drittel der zugewanderten Personen verbringt die Zeit nach der Pensionierung in der Schweiz, ein Drittel im Herkunftsland. Ein weiteres Drittel pendelt zwischen der Schweiz und dem Herkunftsland.

In der Schweiz sind 10% der über 65-jährigen ausländischer Nationalität, und 21% dieser Altersgruppe sind im Ausland geboren.

Von den Migranten, die älter als 64 Jahre sind, stammen 78% aus Nachbarstaaten – nur 4% stammen aus aussereuropäischen Ländern.

Diese Verhältnisse werden sich in den nächsten Jahren ändern, weil die Einwanderer in den 1980er-Jahren vermehrt aus Balkan-Ländern und aussereuropäischen Staaten kamen.

Gemäss Prognosen des Bundesamtes für Statistik (2008) wird sich die Zahl der über 65-jährigen Migranten und Migrantinnen in der Schweiz bis zum Jahr 2050 von 125‘319 auf 277‘730 erhöhen.

Das Forum Alter & Migration wurde 2003 gegründet und fördert seither zusammen mit institutionellen Partnern die Information und Sensibilisierung zu Themen der Emigration.

Das Nationale Forum setzt sich dafür ein, die gesundheitliche und soziale Situation älterer Migrantinnen und Migranten in der Schweiz zu verbessern.

Zudem sollen die Rechte dieser Gruppe gestärkt und der Respekt für die Leistungen dieser Generation gefördert werden.

Das Forum unterstützte die Eidgenossenschaft bei der Ausarbeitung ihrer Alters –und Migrationspolitik, die 2002 anlässlich der zweiten UNO-Alterskonferenz in Madrid in einem Länderbericht festgehalten wurde.

(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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