So begegnen Auslandschweizer dem Lockdown-Blues
Das Coronavirus raubt Millionen von Menschen auf der Welt ihr Sozialleben und zwingt sie in die Einsamkeit. Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer leiden darunter besonders. Doch es gibt Strategien. Ein Blick um die Welt.
Viele Länder haben Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie ergriffen. Orte, an denen Menschen zusammenkommen und Kontakte knüpfen, bleiben geschlossen.
Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern tut das doppelt weh: Sie sind weit weg von ihren Familien und ihrem Heimatland. Zudem entsteht ein Gefühl der Gefangenschaft in der Wahlheimat.
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Gilda Hermann-Billo in Italien berichtet: «Ich hätte meine Familie in der Schweiz für drei Wochen besuchen sollen, aber ich musste mein Ticket annullieren. In der Zwischenzeit bleibe ich hier und hoffe, bald wieder reisen zu können.»
Die Coronavirus-Krise trifft Schweizer, die erst kürzlich ins Ausland gezogen sind, noch stärker. Pierre Calame lebt seit einem Jahr in Frankreich und hatte noch nicht wirklich die Zeit, sich dort sozial einzuleben.
Er sagt jedoch: «In normalen Zeiten hätten wir ein gewisses Mass an Isolation ertragen. Aber diese aussergewöhnliche Zeit ist letztlich eine Chance. Und unsere Nachbarn sind sehr angenehm.»
Spazieren und Gärtnern
Eine halbe Stunde von Alicante entfernt in einem kleinen Dorf fühlt sich Malou Follonier «sehr einsam». Sie sagt ausserdem, dass sie genug von Spanien habe und gern zurückkehren möchte, sobald das möglich sei.
Die diktierte Einsamkeit zwingt viele Schweizer im Ausland zur Selbstreflektion, zur Rückkehr zur Natur und auch dazu: Zeit für sich selbst zu nehmen. So wie Verena Stirnemann-Funnell in Neuseeland, die gerade «Gartenarbeit macht, joggt und Power Walking» betreibt. Und sie hat angefangen zu singen. Sie sei froh, «dass mich niemand hört».
In Spanien nimmt sich Gaby Ruth Strehler Gabertüehl Zeit für ihre beiden Hunde, mit denen sie jeden Morgen fünf Kilometer spazieren geht. Anschliessend verbringt sie ihre Tage mit Heimwerken, Lesen und in ihrem Garten.
«Ich habe entdeckt, dass das ganze Unglück der Menschen darin besteht, dass sie nicht wissen, wie man in einem Raum zur Ruhe kommt.» Blaise Pascal, Pensées (1670)
Soziale Netzwerke als Rettungsanker gegen Isolation
Klar ist: Seit Beginn der Ausgangssperre investieren wir mehr Zeit in unsere sozialen Beziehungen. Bei Auslandschweizerinnen und -schweizern ist dieses Bedürfnis nach Kontakten vielleicht noch ausgeprägter.
In unserer App SWI-Plus ist einer unserer Nutzer in Spanien der Meinung, dass ihn die Eingrenzung nicht isoliert habe, im Gegenteil. Er schreibt, dass «die lokalen Beziehungen aufrechterhalten werden und sich viele Beziehungen mit Schweizern sogar intensivieren».
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Facebook, Skype und Whatsapp ermöglichen es uns derzeit, Kontakte zu halten, damit uns die Einsamkeit nicht zu stark zusetzt. Einsam in Israel ist Esthi Berrebi froh, sich auf «Whatsapp, Facetime und auf das Meer, das 100 Meter von meinem Haus entfernt liegt», verlassen zu können.
Auch Trudy Zürcher-Wenger fühlt sich im Nordwesten Ungarns nicht isoliert. «Wir sind via Skype, Whatsapp und Messenger mit der Familie in der Schweiz in Kontakt.»
In Sarajevo lebt Wilma Varesanovic-Gertsch. Sie erzählt dass ihr Telefon ständig klingelt. Ursi Messerli lebt in Griechenland. Sie gehört zur Risikogruppe und muss daher doppelt aufpassen. Sie schätzt es besonders, dass sie sich weiterhin mit ihren Freunden über Skype austauschen kann.
Die Verbände übernehmen
Für diejenigen, die nicht das Glück haben, Familie oder Freunde an ihrem Wohnort zu haben, übernehmen die Verbände die Kontakte. Dies ist insbesondere in Frankreich der Fall, dem Land mit den meisten Auslandschweizern.
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Ein Telefondienst als Hilfe und Anschluss zur Welt
Gemäss Madeleine Boulanger, Präsidentin der «Société Helvétique de BienfaisanceExterner Link» (SHB), ist die Einsamkeit das Hauptproblem, mit dem sich ihre Arbeit konfrontiert sieht. Die Coronavirus-Krise hat dieses Phänomen nur noch verstärkt. Hinzu kommen die von der französischen Regierung eingeführten Bewegungsbeschränkungen.
Nun sind die meisten älteren Menschen, die normalerweise vom Verein betreut werden, völlig allein. Manchmal «erkennen sie nicht, wie gefährlich die Krankheit ist und finden es schwer zu verstehen, dass sie nicht ausgehen können». Um den fehlenden Kontakt auszugleichen, meldet sich die SHB telefonisch alle zwei Tage.
Auch innerhalb der verschiedenen Schweizer Vereinigungen in FrankreichExterner Link arbeitet man angesichts der Gefahr der Isolation solidarisch. Anfangs März bat ihre Präsidentin Françoise Millet-Leroux alle Regionen, mit ihren Mitgliedern Kontakt aufzunehmen.
«Die Verbände haben Selbsthilfesysteme für Menschen mit eingeschränkter Mobilität organisiert, sie rufen alleinstehende und ältere Mitglieder sehr regelmässig an und helfen ihnen bei den Einkäufen», sagt sie. Stolz fügt sie hinzu, dass «innerhalb der Gemeinschaft der Auslandschweizer eine natürliche Solidarität besteht.»
Einsamkeit ist nicht für jeden eine Last…
Weit entfernt von diesen Gedanken schreibt uns Peter Roland Hintermann aus Brasilien: «Ich wohne 100 Meter vom Meer entfernt und gehe jeden Tag schwimmen. Der Strand ist leer. Wenn niemand da ist, dann keine Corona! Ich langweile mich überhaupt nicht, ich bin gern allein!»
(Übertragung aus dem Französischen: Joëlle Weil)
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