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Von der Schweiz finanziertes Händewasch-Projekt in der Kritik

Nach Angaben der WHO sterben jährlich 842'000 Menschen wegen unsauberem Trinkwasser und ungenügender Händewasch-Hygiene an Durchfall. wateraid.org

Händewaschen in Indien zur Gewohnheit machen: So lautete das Ziel einer grossen Hygienekampagne in Form eines Wanderfestivals, welche die Schweiz mit über einer Million Franken unterstützte. Das Projekt zeigte aber wenig Wirkung. Zu diesem Fazit kamen die Autoren einer Studie.

«Tatti» steht umgangssprachlich für «Scheisse» in Hindi. «Tatti» war auch der Name eines Liedes, das den Wettbewerb der Nichtregierungsorganisation WASH UnitedExterner Link gewann. Die Komponisten des besten Hygiene-Songs nahmen rund 1500 Franken Preisgeld mit nach Hause.

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Der Wettbewerb war Teil des Wanderfestivals «Yatra», ein von der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) finanziertes Hygiene-Projekt. «Yatra» zog während rund 50 Tagen durch sechs indische Städte und unterhielt die lokale Bevölkerung mit Bollywood-Tänzen und Spielen. Ziel: Die Menschen dazu ermuntern, ihre Hände zu waschen, um so die Übertragung von Krankheiten wie Durchfall zu verhindern.

Schätzungen gehen davon aus, dass sich nur gerade 15% der indischen Bevölkerung nach dem Stuhlgang die Hände waschen. Wer sich die Hände wäscht, kann aber das Risiko, sich mit Durchfall anzustecken, um 40% reduzieren.

Die DEZA sprach 1,2 Millionen Franken für das Projekt. Auf ihrer InternetseiteExterner Link spricht sie von einer «ungewöhnlichen Aufklärungskampagne».

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Studie gibt schlechtes Zeugnis

Die lokale Bevölkerung im Video tanzt und macht Händewasch-Spiele. Die Menschen scheinen viel Spass dabei zu haben. Aber war die Kampagne auch wirksam? Hat sie ihr Ziel erreicht und das Hygiene-Verhalten der Angesprochenen verändert?

«Nein», sagt eine Studie des von der Schweizer Regierung finanzierten Wasserforschungsinstituts EawagExterner Link. Die Wissenschaftler befragten 687 Personen vor und nach ihrem Besuch des Wanderfestivals «Yatra». Sie kamen zum Schluss, dass die Kampagne nur einen «geringen Einfluss» auf die Absicht der Befragten habe, sich die Hände mit Seife zu waschen.

WASH United wollte einen neuen Weg gehen, um das Bewusstsein zu schärfen, wie Hans-Joachim Mosler erklärt. Er ist Professor am Eawag-Institut und Mitverfasser der Studie. Deshalb hätten sie sich für die Form eines Festivals entschieden. «Eine nette Übung zur Schärfung des Bewusstseins», sagt Mosler zu swissinfo.ch. «Das Verhalten der Menschen änderte dieser Ansatz aber nicht.»

Die Idee einer Kampagne in Form eines Festes geht auf WASH-United-Chef Thorsten Kiefer zurück. Die Hygiene-Kampagne sollte positiv sein. Kiefer kombinierte sein Vorhaben mit der Fussballweltmeisterschaft in Südafrika 2010 und stiess auf grosse Aufmerksamkeit. Indische Interessengruppen kontaktierten ihn, sie wollten das Konzept einer «Welt-Toiletten-Meisterschaft» in ihr Land bringen. Für Indien entstand das Modell des Wanderfestivals «Yatra». Es entspricht einer von einheimischen sozialen Bewegungen genutzten Art, Anliegen an die Bevölkerung zu bringen.

Angesprochen auf das Wanderfestival «Yatra» sagt Kiefer: «Angesichts der grossen Anzahl Menschen, die wir damit erreichten, fühlen wir, dass das Projekt ein Erfolg war.» Auch sei das Interesse der Medien riesig gewesen. Und schliesslich sei es gelungen, dadurch die Meinung der indischen Regierung mit Blick auf Innovation und Hygiene zu ändern.

Uneinigkeit über sinnvolle Zielgruppe

Mit Blick auf das Händewaschen mit Seife ist Studienverfasser Mosler hingegen nicht überzeugt, dass das Projekt eine lohnenswerte Verhaltensänderung gebracht habe. «Es gibt keine wissenschaftliche Erkenntnis, wonach Händewasch-Spiele eine Verhaltensänderung mit sich bringen. Menschen ändern sich nicht, nur weil sie ein Spiel spielen», so Moser.

Games to promote handwashing were found ineffective by the Eawag study handwashing Indian project

Ein weiteres methodisches Problem bildete laut der Studie das Zielpublikum. Wenn das Hauptziel des Projekts die Verhinderung von Durchfall-Erkrankungen war, dann hätte die Kampagne ihren Fokus auf Kinder unter fünf Jahren richten sollen, wie Mosler erklärt. Um die Sterblichkeit dieser verletzlichen Altersgruppe zu reduzieren, hätte sich das Wanderfestival laut dem Professor auf Mütter, Grossmütter und ältere Schwestern von Kleinkindern richten sollen und nicht einfach auf eine möglichst grosse Zielgruppe.

Kiefer sieht das anders: Frauen seien schon immer die Zielgruppe von verschiedensten Entwicklungsprojekten gewesen. So zum Beispiel im Falle von Impf- oder Bildungskampagnen. «Wir fühlten, dass es an der Zeit war, Männer mehr einzubinden.» Diese würden immer übersehen und alle Last zu Handeln läge bei den Frauen, so der Chef von WASH-United.

Überraschenderweise zeigt sich die DEZA nicht enttäuscht über die Ergebnisse der Eawag-Studie: «Das Projekt war auf keinen Fall ein Misserfolg», sagt ein Sprecher und verweist auf dessen Einfluss auf politischer Ebene: Indiens Regierung habe sich auf eindrückliche Art und Weise für das Anliegen eingesetzt.

Lehren aus der Studie gezogen

Laut Studienverfasser Mosler hätte WASH United besser zuerst eine Bestandsaufnahme machen sollen, um die Mentalität der Zielgruppe besser zu verstehen. Erst danach hätte die Nichtregierungsorganisation die Interventionen planen sollen. «Stattdessen wurde das Gegenteil gemacht: Schaut her, wir haben hier eine gute Idee, lasst uns die mal ausprobieren und deren Wirkung dann später prüfen», sagt er.

Ina Jurga ist Verantwortliche für Verhaltensänderung bei WASH United. Sie sagt, sie würde die Sache in einem zweiten Versuch anders angehen: «Idealerweise hätten wir die Eawag-Erkenntnisse im Voraus gekannt, um sie in die Projektplanung einfliessen zu lassen.» Allerdings habe die indische Regierung die Einsatzorte des Wanderfestivals bis drei Wochen vor Projektbeginn immer wieder geändert, so dass die Zeit dazu nicht gereicht hätte.

Nur wenige Projekte seien darum bemüht, die Auswirkungen ihrer Interventionen zu messen oder eine Bestandsaufnahme zu machen, sagt Mosler. Sein Forschungsinstitut versucht das mit Blick auf ein weiteres Handwasch-Projekt der DEZA zu ändern. Es konzentriert sich auf Simbabwe und Burundi und ist 1,65 Millionen Franken wert. WASH United sitzt auch wieder an Bord – als Beraterin.

Diesmal wurde im Vorfeld eine Bestandsaufnahme gemacht. Befragt wurden Kinder und deren Betreuerinnen. Sechs Wochen nach Ende der Kampagne wurde eine Auswertung vorgenommen. Das Resultat: 28% mehr Betreuerinnen und 23% mehr Schulkinder wuschen sich nach dem Gang zur Toilette die Hände, bevor sie mit Esswaren hantierten.

Die DEZA ihrerseits, will weitere Handwasch-Kampagnen unterstützen. Aktuelle Projekte sollen ausgewertet und die Resultate für künftige Projekte berücksichtigt werden.

(Übertragung aus dem Englischen: Kathrin Ammann)

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