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Wenn eine Amerikanerin die Schweiz erklärt

Junge Frau
Sarah Nourse betreibt zusammen mit ihrem Freund einen Video-Blog (Vlog). swissinfo.ch

Auf ihrem Youtube-Kanal "How to Switzerland" nimmt Vloggerin Sarah die Schweiz auf die Schippe und zeigt, wie charmant das auf amerikanische Art geht. Ihr Erfolg gibt ihr Recht. 

Zehntausende schalten ein, wenn Sarah Nourse über die Besonderheiten der Schweizer spricht. Ihr Youtube-Kanal «How to Switzerland» lockt vor allem Schweizer vor den Bildschirm: «Ich sehe, dass sich 70 Prozent meiner Zuschauer in der Schweiz befinden», sagt die 27-jährige Amerikanerin. 

«Schweizer finden es wohl interessant, meinen Beobachtungen zu lauschen.» In ihrem Vlog spricht Sarah über die Unterschiede zu ihrem Leben in den USA, Schweizer Kuriositäten oder gibt zudem ganz praktische «Überlebenstipps» für Expats in der Schweiz.

Junge Frau
swissinfo.ch

Mit 17 Jahren zog sie von Wisconsin nach Luzern, um dort «International Business and Economics» zu studieren. In den USA ein normales Alter, um aufs College zu gehen. Die Konditionen des Schweizer Studiums waren attraktiv und Sarah wollte die Welt sehen.

Und plötzlich fand sie sich mitten in Europa wider, konnte viele neue Kulturen innert weniger Stunden kennenlernen und eine Welt entdecken, die ihr immer fern war. Das Staunen vergeht ihr auch nach all den Jahren nicht: «Egal, wie lange ich bereits hier bin: Ich finde noch immer wahnsinnig viele Sache verwunderlich», sagt sie.

Dass es bei der Skipiste keine klare Absperrung gibt, oder in der Badi nicht überall ein Rettungsschwimmer steht, erstaunt sie: «In der Schweiz appelliert man ständig an den gesunden Menschenverstand. In den USA hätte man zu viel Schiss, bei einem Unfall verklagt zu werden.» 

Frau vor einem Schiff
Sarah studierte in Luzern. swissinfo.ch

Und dass man sich in der Schweiz drei Küsschen zur Begrüssung gibt, leuchtet Sarah noch immer nicht ein. «In den USA reicht meist ein einfaches ‹Hi Guys› in die Runde. Hier wird geküsst und geküsst und geküsst und ich verstehe noch immer nicht, warum. Es ist umständlich und liebenswert zugleich, dass es hier so klare Verhaltensregeln gibt.»

Sarah vermittelt ihre Beobachtungen keineswegs zynisch, obwohl es für Zynismus reichlich Platz hätte. Das hat auch damit zu tun, dass sie in den meisten Besonderheiten einen tieferen Sinn erkennt, den sie als Amerikanerin zu schätzen weiss. «Ich dachte, ich sei verrückt, als ich meinen ersten Mietvertrag hier unterzeichnete: Einmal pro Tag lüften, stand dort. Oder dass ich keine Vögel füttern darf. Und Instrumente hätte ich laut Vertrag auch nur zu spezifischen Zeiten spielen dürfen.» 

Für Sarah zeigen solche Verhaltensmuster den gegenseitigen Respekt, den man sich in der Schweiz erweist, auch wenn sie sich das Scherzen über solche Kleinigkeiten manchmal nicht verkneifen kann.

Sarah arbeitet Vollzeit als Youtuberin. Ihr Hauptkanal zählt knapp 200’000 Abonnenten. «How To Switzerland» ist kleiner, aber ein Herzensstück und vor allem eine Nische. «In der Schweiz leben so viele Expats. Ich wollte das Potenzial dieses Marktes wahrnehmen.» 

Externer Inhalt

Das Feedback ihrer Follower zeigt, dass offensichtlich viele Menschen auf der Suche nach den Informationen sind, die Sarah auf ihrem Kanal zur Verfügung stellt: «Natürlich kann man sich jede Information im Internet beschaffen. Aber wenn ein Mensch aus Fleisch und Blut in einem Video über die eigenen Erlebnisse berichtet, schafft das Nähe und Vertrauen.»

Seit ihrem Studium ist sie mit dem Schweizer Matthias zusammen. Seit sechs Jahren sind die beiden verheiratet. Fast schon «typisch amerikanisch» fand die Zeremonie in Las Vegas statt.

Ein Paar mit Hund
Sarah mit Matthias und dem gemeinsamen Hund Winston. swissinfo.ch

Die beiden lebten einige Jahre in den USA, danach zog es das Paar wieder in die Schweiz zurück. Im August wird Sarah endlich ihren Antrag für den Schweizer Pass stellen. «Ich fühle mich zwar nicht wirklich als Schweizerin, aber die Schweiz ist mein Zuhause», sagt sie.

Zu viel Zeit ihres Lebens habe sie in der Schweiz verbracht, zu lange sei sie von ihrer alten Heimat weg: «Ich interessiere mich zum Beispiel überhaupt nicht für American Football. Das macht mich dort schon mal zum Exoten.»

Aber auch in der Schweiz spürt sie ihren Exotenstatus fast täglich. Wenn sie im Bus redet oder lacht, hat sie das Gefühl, andere damit zu stören. «Die amerikanische Leichtigkeit und Freundlichkeit fehlt mir hier manchmal», sagt sie. «In den USA hat jeder ein Lächeln auf dem Gesicht. Das ist zwar meist aufgesetzt, aber es ist netter anzusehen, als wenn eine Horde Menschen grimmig im Tram sitzt.» 

Trotzdem sagt Sarah heute: Sie fühle sich mehr Schweizerin als Amerikanerin. Obwohl das mit dem Schweizerdeutsch noch nicht so richtig klappen will.

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