Expo 2015: Für die Schweiz mehr als nur ein Pavillon
Die Schweiz hofft, sich an der Weltausstellung 2015 in Mailand den Italienerinnen und Italienern näher bringen zu können. Noch ist das Verhältnis zwischen den beiden Ländern gespannt. Das soll sich ändern, spätestens wenn sich die Tore der Ausstellung öffnen.
Es reichen einige wenige Daten, um zu sehen, wie wichtig die Beziehungen zwischen Italien und der Eidgenossenschaft sind.
Der Stiefel ist der zweitgrösste Markt für die Schweizer Wirtschaft, die Schweiz ist der sechstgrösste ausländische Investor in Italien und Schweizer Firmen beschäftigen dort rund 80’000 Personen.
Dazu kommen eine halbe Million Italienerinnen und Italiener, die in der Schweiz leben und rund 50’000 Schweizerinnen und Schweizer in Italien. Die beiden Staaten blicken zurück auf eine lange Geschichte von intensiven kulturellen und sozialen Kontakten.
Daher legt die Schweiz grossen Wert auf ihrem Auftritt vom 1. Mai bis 31. Oktober 2015, wenn sich die ganze Welt in Mailand präsentieren wird. Sie war sogar das erste Land gewesen, das offiziell die Teilnahme an der Expo bestätigt und das erste, das einen Wettbewerb für seinen 4500m2 grossen Pavillon ausgerufen hatte.
Es geht um viel: An der Weltausstellung werden 20 Millionen Besuchende erwartet, die geplanten Investitionen für Ausstellung und Infrastruktur werden wohl im zweistelligen Milliardenbereich liegen.
Vertrauen in Italien
Trotzdem ist derzeit eher die Rede von der gespannten Beziehung zwischen Italien und der Schweiz: Geldtransfers von Grenzgängern, schwarze Listen, Steueramnestien, Transportwesen. Und auf italienischer Seite macht die Expo 2015 derzeit Schlagzeilen mit Polemiken und Streitereien um Gebühren und Verträge.
Wird sich dieser Kontext auf die Zusammenarbeit für die Weltausstellung auswirken? Massimo Baggi, Schweizer Generalkonsul in Mailand, bleibt zuversichtlich: «Trotz der Schwierigkeiten, die angesichts der Grösse des Projekts durchaus verständlich sind, glaube ich fest daran, dass die Italiener und das Bureau International des Expositions diese Aufgabe meistern werden. Darüber hinaus bin ich überzeugt von der kreativen Kraft unserer italienischen Freunde: Sie werden im richtigen Moment bereit sein, wie sie das bereits bewiesen haben, beispielsweise anlässlich der Olympischen Spiele.»
Auch das gegenwärtige Klima zwischen den beiden Ländern habe keinen Einfluss auf die Zusammenarbeit für die Expo, sagt der Konsul: «Management und Verwaltung der privaten Firma, welche die Ausstellung organisiert, sind unabhängig. Wir arbeiten mit diesem Unternehmen zusammen, was uns erlaubt, uns aus den politischen Turbulenzen herauszuhalten.»
«Innovative Schweiz»
«Solche Ausstellungen sind wichtig, weil sie eine grosse mediale, politische und wirtschaftliche Präsenz garantieren», sagt Nicolas Bideau, Direktor von Präsenz Schweiz, jener staatlichen Organisation, welche die Auftritte der Schweiz an Weltausstellungen organisiert.
«Die Expo von Mailand jedoch ist speziell: Sie geht in einer wirtschaftlich starken Region über die Bühne, in einem Nachbarland, mit dem wir wichtige, aber nicht immer einfache Beziehungen pflegen. Das sind einige der Elemente, die ein starkes Engagement rechtfertigen.»
Dazu kommt eine weitere Überlegung Bideaus: «Im Gegensatz zur Weltausstellung 2010 im chinesischen Shanghai wird jene in Mailand auch viele Besuchende aus der Schweiz anziehen. Sie wird also praktisch zu einer Art Landesausstellung.»
In dieser Optik sei die Schweizer Präsenz im Zusammenhang mit dem Thema der Ausstellung – «Den Planeten ernähren, Energie fürs Leben» – fundamental: «Die Technologie, die Nahrungsmittel-Industrie, die Spitzenforschung und die Ökologie sind Sektoren, in denen die Schweiz zur Avantgarde gehört. Das muss man breiter bekanntmachen, wie es heute beispielsweise über das Netz der wissenschaftlichen Konsulate Swissnex (in Asien und den USA) geschieht», so Bideau.
«Wir müssen die Chance packen, ein Image der Schweiz zu vermitteln, das sich unterscheidet von Banken, Hochfinanz, Uhren, Schokolade und schönen Bergen.»
Dass dies noch nicht der Fall ist, bestätigt eine kürzlich von Präsenz Schweiz durchgeführte Analyse zum Image der Schweiz im Ausland: Die Studie kommt zum Schluss, dass die Wahrnehmung der Schweiz als Forschungsplatz und innovatives Land noch zu schwach ist.
Gotthard und Tessin
Die Weltausstellung in Mailand ist ein Jahr vor der Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels geplant. Laut Bideau sollte die Schweiz daher «diese Möglichkeit ergreifen, um Italien einmal mehr die strategische Bedeutung dieses Jahrhundert-Bauwerks für den Stiefel und den gesamten Kontinent nahezubringen. In diesem Zusammenhang wäre es interessant, bei den Veranstaltungen im Pavillon die Städte auf der Achse Genua-Rotterdam mit einzubeziehen».
«Das Ziel von Alptransit – die Verlagerung des Gütertransports von der Strasse auf die Schiene – passt sehr gut zu den ökologischen Aspekten, die an der Expo 2015 thematisiert werden,» betont Generalkonsul Baggi.
Auch für den südlichsten Schweizer Kanton, das italienischsprachige Tessin, sieht Baggi Vorteile: Es könnte von der geografischen aber auch kulturellen Nähe zu Mailand profitieren.
Arbeit für mehrere Jahre
Wie sieht der Schweizer Fahrplan bis zur Expo 2015 konkret aus? «Wir haben kürzlich einen Ideenwettbewerb für den Schweizer Pavillon gestartet, sowohl was die Gestaltung von Inhalten wie auch der Form betrifft», sagt Bideau.
«Ende 2011 wird eine Jury die zehn zentralen Punkte des Projekts auswählen. 2012 steht die Genehmigung des Auftritts durch Parlament und Bundesrat an. Die Jahre danach werden wir versuchen, die verschiedenen Rahmenprogramme in Italien zu begleiten.»
Letztere sind laut Baggi besonders wichtig: «Während der sechs Monate der Ausstellung wird die Konkurrenz riesig sein. Es wird schwierig, sich dann ins Rampenlicht zu stellen. Daher werden wir, damit die Investitionen nachhaltig sind, bereits vor der Expo mit Programmen beginnen und diese auch anschliessend noch weiterführen. Vergessen wir nicht, dass wir ab 2012 auch die neuen Ausstellungsräume der Schweizerischen Handelskammer in Italien benutzen können, die sich im Erdgeschoss des Centro Svizzero in Mailand befinden.»
Eine Weltausstellung ist nicht kommerziell (also keine Messe) und wird von jener Nation organisiert, die einen entsprechenden Wettbewerb gewonnen hat. Sie kann andere Nationen zur Teilnahme einladen.
Die erste Weltausstellung fand 1851 in London statt. Ihr Erfolg spornte andere Nationen an, ebenfalls eine ähnliche Ausstellung auszurichten, wie etwa die Weltausstellung von 1889 in Paris, die wegen dem speziell dafür erstellten Eiffelturm in Erinnerung bleibt. Jede Expo ist einem weltweiten Thema gewidmet.
Das Bureau International des Expositions (BIE) wacht über Häufigkeit, Ablauf und Qualität der Ausstellungen. Es wurde 1928 gegründet. Heute gehören ihm 157 Staaten an.
Die letzte Weltausstellung fand 2010 in Shanghai statt. Die nächste, jene in Mailand, dauert vom 1. Mai bis 31. Oktober 2015 und ist dem Thema – «Den Planeten ernähren, Energie fürs Leben» gewidmet. Rund 130 Länder werden teilnehmen.
Das Budget der Schweiz für Milano 2015 beträgt zwischen 25 und 30 Mio. Fr., ein ähnlicher Betrag, wie er für Shanghai ausgegeben wurde.
Die Bundesagentur Präsenz Schweiz (PS) gehört zum Generalsekretariat des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Ihre Aufgabe ist es, die Schweiz im Ausland bekannt zu machen.
Unter anderem organisiert PS auch die Teilnahme der Schweiz an grossen internationalen Veranstaltungen wie beispielsweise an Weltausstellungen.
Präsenz Schweiz verfügt über ein jährliches Budget von 6,4 Mio. Fr. und beschäftigt rund 30 Personen.
(Übertragen aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)
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