Der internationale Autosalon in Genf ist jedes Jahr ein enormer Publikumserfolg. Doch diese Begeisterung überdeckt eine andere Realität: In den grossen Städten des Landes nimmt der Autobesitz ab, und Überbauungen ohne Parkplätze erhalten Rückenwind.
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Ariane Gigon, swissinfo.ch
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La voiture n’a plus la cote dans les villes suisses
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Rund 700’000 Besuchende werden am 85. Genfer Autosalon noch bis Ende Woche erwartet. Für Fans von lauten Motoren und schöner Mechanik ist die Veranstaltung jeweils das Ereignis des Jahres.
Nach einem Anstieg der Neuimmatrikulationen von Personenwagen bis 2012 auf 328’000 hat diese Zahl 2013 auf 302’000 abgenommen. Dies zeigen Zahlen von «Auto-Schweiz», einem Verband, der 33 offizielle Automobil-Importeure in der Schweiz und in Liechtenstein vertritt.
Die Anzahl Occasionen hat im ersten Trimester 2014 zwar noch zugenommen, ist dann aber zurückgegangen: Die Statistiken der folgenden Trimester verzeichneten deutlich negative Wachstumsraten.
Sinkende Zahlen sind natürlich ungünstig für einen Sektor, der von sich behauptet, «mehr als doppelt so viele Personen wie zum Beispiel die Pharmaindustrie» zu beschäftigen. Der Auto Gewerbe Verband Schweiz (AGVS) präzisiert: «Jeder achte Arbeitsplatz in der Schweiz hängt direkt oder indirekt vom Auto ab.» Die Schwankungen bei den Verkäufen seien allerdings auf die Konjunktur zurückzuführen, so der Verband. Langfristig erwartet er eher eine Stabilisierung.
Laut AGVS waren 2013 in der Schweiz 4,32 Millionen Personenwagen im Verkehr, das heisst, etwas weniger als ein Auto auf zwei Personen. «Damit stellt die Schweiz eines der am stärksten motorisierten Länder Europas dar», und dies trotz eines «überdurchschnittlich gut ausgebauten» öffentlichen Verkehrsnetzes.
Ein europäischer Vergleich von der europäischen Statistik-Behörde Eurostat bestätigt diesen Befund: 2012 belegte die Schweiz bei der Anzahl Fahrzeuge auf 1000 Einwohnerinnen und Einwohner den 6. Rang.
Böse Zungen mögen einwenden, «man tröstet sich, wie man kann». Denn andere Indikatoren sind für das traditionelle Auto weit alarmierender, auch wenn dieses noch nie so wenig kostete. So stagniert in der Schweiz die Anzahl der im Auto gefahrenen Kilometer, während die im öffentlichen Verkehr zurückgelegten Strecken zwischen 1994 und 2010 um 67% zugenommen haben.
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Einer von zwei Haushalten
Kommt dazu, dass heute einer von fünf Haushalten (20,8%) kein Auto oder keines mehr besitzt, Tendenz steigend. In Basel, Bern, Lausanne und Genf hat die Zahl der autolosen Haushalte zwischen 2000 und 2010 um 10% zugenommen. In Basel und Bern übersteigt sie sogar die 50%-Marke.
«Die Stabilität der Autobesitz-Rate auf nationaler Ebene und die Abnahme in den grossen Städten haben verschiedene Gründe», sagt Vincent KaufmannExterner Link, Professor für Stadtsoziologie und Mobilitätsanalyse an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL). «Einer davon ist der so genannte ‹Bahn-Effekt› und der Ausbau der Angebote im öffentlichen Verkehr in den städtischen Gebieten.»
Die anderen Gründe sind laut Kaufmann struktureller und demografischer Art. «In den Städten leben immer mehr Menschen allein. Grosse Familien, die noch sehr motorisiert sind, leben immer häufiger in der Peripherie. Ein anderer Faktor ist die Überalterung. Bei Menschen über 80 Jahren nimmt der Autobesitz stark ab.»
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Diese Rate nimmt aber auch bei jungen Menschen ab, logischerweise aber aus anderen Gründen: «Menschen unter 35 träumen nicht mehr von einem Auto», sagt der Soziologe. «Es wurde durch das Internet ersetzt. Für die Jungen sind eher Online-Spiele symbolisch ein Synonym für eine Flucht. Ausserdem wollen sie ständig Textnachrichten schreiben können, was man am Steuer nicht kann.»
Auch hier zeigt ein Blick in die Statistik die Tendenz auf: Der Anteil jener Personen zwischen 18 und 24 Jahren, die einen Fahrausweis besitzen, ist zwischen 1994 und 2010 von 71 auf 59% gefallen.
Samuel Bernhard, Projektleiter der «Plattform autofrei/autoarm WohnenExterner Link«, auf der Beispiele für autofreies Wohnen oder Bauen mit eingeschränkten Parkplatz-Möglichkeiten gezeigt werden, bestätigt diese Tendenz. «Für die Jungen ist das neuste Smartphone-Modell heute wichtiger als das Auto.»
Das Auto sei nicht mehr das Instrument, um «den Status seines Besitzers in der Gesellschaft zu etablieren», sagt der Spezialist, der auch Mitarbeiter des Verkehrs-Clubs der SchweizExterner Link (VCS) ist. «Besonders bei Personen mit guter Ausbildung und hohem Lohn nimmt dieser soziale Druck ab. Stadtbewohner sind pragmatisch, um nicht zu sagen opportunistisch. Sie fragen sich, was praktischer ist. Und das ist häufig der öffentliche Verkehr.»
Veraltete Gesetze
Im Gegensatz zur Abnahme des Autobesitzes in städtischen Haushalten verlangt die Mehrzahl der Schweizer Kantone und Gemeinden, dass Bauherren bei neuen Gebäuden auch Parkplätze erstellen. Diese Regelungen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg erlassen, um ein Chaos im öffentlichen Raum zu verhindern, weil die Anzahl der Autos sehr rasch zunahm.
Heute stört diese Verpflichtung gewisse Investoren, rein aus wirtschaftlichen Gründen. Beim Bau eines Einstellhallen-Parkplatzes müsse «mit Kosten von mindestens 30’000 Franken pro Parkplatz gerechnet werden», heisst es auf der Website der «Plattform autofrei/autoarm Wohnen». «Bei einem absehbaren Leerstand wird dieser Betrag schnell zu einem finanziellen Risiko für die Investoren, bzw. er wird einfach auf die Wohnungsmieten abgewälzt.» Mit der Folge: «Autofreie Mieter und Mieterinnen bezahlen für Mieter mit Auto die von ihnen nicht benutzten Parkplätze mit.»
Teure Parkplätze
Laut der «Plattform autofrei/autoarm Wohnen» zeigte eine Untersuchung von 2010 in Zürich, dass Privatparkplätze in Garagen zwischen 80 und 170 Franken pro Monat kosteten.
Wenn man von Erstellungskosten zwischen 30’000 und 60’000 pro Abstellplatz ausgeht, müssten die monatlichen Mietkosten bei einer Bruttorendite von 6% (inkl. Unterhalt) zwischen 180 und 360 Franken betragen.
«Daraus folgt, dass mit den Mietpreisen die Kosten nicht gedeckt werden können und folglich eine systematische Quersubventionierung von Wohnparkplätzen stattfindet», heisst es auf der Website der Plattform.
Eine Anzahl Kantone und Gemeinden sind daran, ihre Gesetzgebung den neuen Realitäten anzupassen. Nach dem Kanton Bern hat die Stadt Baden (Kanton Aargau) eine überarbeitete Regelung in diesem Sinn umgesetzt. Eine Gesetzesänderung wurde auch in der Stadt Zürich angenommen, der Kanton hat aber die Ampel noch nicht auf Grün geschaltet.
Wenn es gesetzlich möglich sei, hätten Projekte ohne oder mit minimalem Parkplatz-Angebot gute Chancen. «Ich würde sogar sagen, die Anzahl der Projekte ist gegenwärtig am explodieren», sagt Bernhard.
Autobesitz verboten
So wurde etwa m August 2014 im Zentrum der Stadt Zürich ein neuer Gebäudekomplex eröffnet. Wer Mieter werden wollte, musste eine Erklärung unterschreiben, kein Auto zu besitzen.
Doch nicht alle halten sich an diese Regel. In einem ähnlichen Quartier ein Dutzend Kilometer ausserhalb Zürichs wurde letztes Jahr ein Vergehen aufgedeckt: Ein Mieter hatte sein Auto heimlich in der Nachbarschaft parkiert. «Tatsächlich hat diese Person ihren Vertrag schliesslich selbst gekündigt», sagt Bernhard. «Die Bewohner solcher Häuser erhalten jährlich einen Gutschein über 800 Franken für den öffentlichen Verkehr. Doch man muss die Regeln einhalten.»
Neben dieser Anekdote betrachtet Soziologe Kaufmann die Entwicklung mit einer gewissen Skepsis: «Diese grünen Quartiere oder Inseln und diese Genossenschaften sind Nischenmodelle. Ich bin gegen eine Generalisierung, welche die Familien zur Stadt hinauszwingen könnte. Zudem kann zu viel Härte kontraproduktiv sein. Eine gut funktionierende Gesellschaft braucht nicht derart strikte Regeln. Sonst führt das dazu, dass – wie in Genf geschehen – jemandem der Mietvertrag gekündigt wird, nur weil er seine Abfälle schlecht sortiert…»
An eine erneute Zunahme der Anzahl Neuwagen glaubt Kaufmann aber nicht. «Elektro-Autos werden vielleicht die Probleme der Umweltverschmutzung und des Lärms lösen, nicht aber Staus verhindern oder die Sicherheit verbessern», unterstreicht er.
Wie dem auch sei, die beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen von Zürich und Lausanne arbeiten gegenwärtig gemeinsam mit Forschern aus dem Tessin an einem mehrjährigen Projekt namens «Post Car World» («Die Welt nach dem Auto»). Dieses analysiert die Konsequenzen einer Gesellschaft ohne Automobile unter verschiedenen Aspekten, darunter auch wirtschaftliche und soziale. Die Resultate werden mit Spannung erwartet…
(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub)
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Elektroautos auf der Überholspur
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Am internationalen Automobil-Salon in Genf stehen Elektroautos zusehends im Rampenlicht: Fast alle Hersteller präsentieren dieses Jahr eigene Modelle. Marco Piffaretti, einer der Pioniere für Elektroautos in der Schweiz, ist überzeugt, dass innerhalb der nächsten 20 Jahre die Hälfte aller Fahrzeuge elektrisch betrieben sein werden.
Bereits seit 30 Jahren arbeitet Marco Piffaretti daran, Autos ökologischer zu machen. Im Alter von 22 Jahren gründete er "Protoscar", ein Ingenieur-Unternehmen, das nach technischen Lösungen und neuen Design-Formen im Rahmen einer ökologischen Mobilität sucht.
Zwischen 2009 und 2011 gelang es der im Tessiner Dorf Riva San Vitale angesiedelten Firma, drei elektrische Sportwagen-Modelle namens Lampo zu entwickeln, die in 4,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen können.
Auto-Salon Genf
Der Auto-Salon Genf war die erste grosse internationale Automobil-Messe, in der bewusst eine Promotion von alternativen Antriebsarten für Fahrzeuge betrieben wurde.
Beim 85.Auto-Salon, der vom 5. bis 15. März 2015 stattfindet, werden rund hundert Autos mit einer hohen Energieeffizienz gemäss den neuen EU-Normen präsentiert (0 bis 95 Gramm CO2-Emissionen pro 100 Kilometer). Mehr als die Hälfte dieser Fahrzeuge sind Elektro- oder Hybridautos.
Nach dem Erfolg des neuen Herstellers Tesla, der 2008 seine Produktion aufnahm, haben in den letzten Jahren alle grossen Automobilhersteller Elektrofahrzeuge unterschiedlichster Kategorien entwickelt.
Mitte Februar kündigte Apple an, ab 2020 ein Elektroauto produzieren zu wollen. Dabei soll die Apple-Informatik integriert werden. Ein weiterer US-Gigant, der Internetkonzern Google, möchte ein ökologisches und selbstfahrendes Fahrzeug auf den Markt bringen.
swissinfo.ch: Schon lange spricht man von Elektroautos. Doch erst in den letzten Jahren haben die grossen Automobilhersteller damit begonnen, solche Fahrzeuge auch wirklich zu produzieren. Wie erklärt sich das?
Marco Piffarretti: Der grosse Quantensprung erfolgte 2009, als man begann, für die Autos Lithium-Batterien zu verwenden, also Batterien, die man von Computern und Mobiltelefonen kennt. Diese technologische Innovation erlaubte es, die bisherige Leistung zu verdoppeln oder zu verdreifachen.
Auch die Elektromotoren wurden verbessert. Sie wurden leichter und effizienter. Doch der entscheidende Schritt bestand – wie gesagt – im Einsatz der Lithium-Batterien, welche eine Reichweite von 100 bis 140 Kilometer ermöglichen, je nach Modell.
Dank der jüngsten Fortschritte ist ein Elektroauto heute wesentlich energieeffizienter als ein Auto mit Verbrennungsmotor: Die Elektroautos verbrauchen im Schnitt nur einen Viertel der Energie im Vergleich zu herkömmlichen Autos, die Benzin oder Gas als Treibstoff verwenden.
swissinfo.ch: Wie erklärt sich diese wesentlich höhere Effizienzrate?
M.P.: Der Verbrennungsmotor, den wir seit 100 Jahren verwenden, stellt an sich kein effizientes System dar, weil sehr viel Abwärme produziert wird. Die Abgase können auch eine Temperatur von 900 Grad erreichen. Ein Auto mit Verbrennungsmotor ist eigentlich ein Ofen auf vier Rädern!
Um zu vermeiden, dass der Motor schmilzt, wird die Wärme durch ein Kühlsystem abgeleitet. Tatsache ist, dass nur ein Viertel der Treibstoffenergie in die Fortbewegung des Automobils fliesst; der ganze Rest verpufft in Form von Wärme.
Der Elektromotor erreicht hingegen maximal 100 Grad. Fast die ganze Energie wird in Bewegung umgesetzt. Dazu kommt, dass die frei werdende Energie beim Abwärtsfahren oder Bremsen zurückgewonnen wird. Der Motor funktioniert dann wie in Dynamo und hilft, die Batterien zu laden.
swissinfo.ch: Welche Nachteile weisen Elektroautos auf?
M.P.: Der einzige grosse Nachteil ist der Anschaffungspreis, der 30 bis 40 Prozent über einem Auto mit Verbrennungsmotor liegt. Grund ist der Preis der Batterie, die einen Drittel der Gesamtkosten eines E-Autos ausmacht.
Der Preis hängt nicht nur mit den Materialien zusammen, sondern auch mit der Qualität dieses Energiespeichers. Dieser muss über Jahre starke Vibrationen und grosse Temperaturunterschiede verkraften. Dank des Elektroantriebs fallen viel weniger laufende Kosten an, doch am Anfang ist es so, als würde man ein Auto mit Verbrennungsmotor und zugleich 20'000 Liter Treibstoff kaufen…
swissinfo.ch: Sie haben den Wagen Lampo (Italienisch für Blitz) entwickelt, der in Bezug auf seine Fahrleistung mit einem Ferrari oder Lamborghini vergleichbar ist. Welche Gründe sprachen für die Entwicklung dieses Prototyps?
M.P.: Als wir den Lampo 2009 am Auto-Salon in Genf vorstellten, galt ein Elektroauto einzig als alternatives Fahrzeug für eine urbane Mobilität – als Mittel gegen Umweltverschmutzung und nächtliche Lärmemissionen. Mit dem Lampo wollten wir zeigen, dass ein Elektroantrieb eine Lösung für alle Fahrzeugtypen darstellen kann, vom Lastwagen bis zum Sportwagen.
Angesichts des Preises für die Batterien amortisieren sich die Kosten eher, wenn viele Kilometer zurückgelegt werden. Aus finanziellen Erwägungen eignet sich ein Elektroauto folglich vor allem für Pendler oder als Fahrzeug der Topklasse. Dies erklärt teilweise auch den Erfolg des neuen Herstellers Tesla.
Der Lampo ist für uns zudem wie ein Experimentierfeld, um Technologien auszuprobieren, die wir unseren Kunden anbieten. Beispielsweise geht es um schnelle Ladegeräte, die es erlauben, in sieben Minuten Strom für 100 Kilometer zu "tanken", oder um intelligente Ladegeräte, die etwa auch die Verfügbarkeit von photovoltaischer Energie einkalkulieren.
swissinfo.ch: Laut diversen Studien könnte 2035 die Hälfte aller Automobile elektrisch betrieben sein. Halten Sie diese Prognose angesichts der hohen Anschaffungskosten für realistisch?
M.P.: Ja. Es gibt einen wachsenden Willen, auch von Seiten der Politiker, eine nachhaltige Mobilität zu fördern. Die EU hat beispielsweise Vorschriften erlassen, welche die Fahrzeughersteller zu einer substanziellen Senkung der CO2-Emissionen zwingen (weniger als 95g/km bis 2021).
Viele Länder haben Anreizprogramme geschaffen. In Frankreich hat die Regierung eine Abgabe auf Benzin beschlossen, die in Form von Gewinngutscheinen in Höhe von 10'000 Euro an Personen rückvergütet wird, die Elektroautos kaufen. In Norwegen sind die Mehrheit der verkauften Fahrzeuge bereits Elektroautos. Es ist eine grosse Wende in Gang. Und das genannte Ziel wird in manchen Ländern vielleicht schon vor dem Jahr 2035 erreicht.
swissinfo.ch: Und wie ist die Situation in der Schweiz?
M.P.: Bis anhin gibt es leider auf Bundesebene keine wirkliche Politik zu Gunsten der Elektrofahrzeuge. Der Bund hat das Programm "Minergie" lanciert, um Niedrigenergiehäuser zu fördern, doch es gibt nichts Vergleichbares für den Automarkt. Dabei ist der Anteil der CO2-Emissionen von Autos vergleichbar mit demjenigen von Heizungen.
swissinfo.ch: Stellt der gegenwärtig starke Preisverfall bei Diesel und Benzin ein Risiko für die Elektro-Mobilität dar?
M.P.: Es kann sich um einen vorübergehenden Bremsfaktor handeln. Aber die generelle Entwicklung wird dadurch nicht aufgehalten. Für die Zulassung und Entwicklung von Automobilen rechnet man in Zeitspannen von fünf bis zehn Jahren. Und in dieser Zeit wird der Benzinpreis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit selbst die letzte Hochpreisperiode noch übertreffen.
swissinfo.ch: Damit eine Mobilität mit Elektrofahrzeugen gelingen kann, braucht es ein neues Infrastrukturnetz mit vielen Ladestationen. Wie präsentiert sich die aktuelle Situation?
M.P.: Bisher gab es in diversen Ländern vor allem Initiativen, um die Entwicklung von Elektroautos zu fördern. Tatsächlich fehlt es an einer ähnlichen Initiative für das Infrastrukturnetz. Es gibt jedoch immer mehr Städte und Regionen, die sich dieser Herausforderung stellen. Sie fragen sich, wie viele Ladestationen es braucht und wo diese aufgestellt werden können.
In unserer Firma beschäftigen wir uns unter anderem damit, Studien zu erarbeiten, welche den künftigen Bedarf an Ladestationen für Elektromobile oder Hybrid-Fahrzeuge in bestimmten Regionen oder Städten eruieren. Für Städte wie Stuttgart oder Zürich haben wir "Masterpläne" erstellt, aber auch für Kantone wie Genf oder das Tessin. Und wir zählen darauf, bald weitere Masterpläne auszuarbeiten, auch für Regionen ausserhalb der Schweiz.
Marco Piffaretti
Marco Piffaretti wurde 1965 in Bellinzona (Kanton Tessin) geboren. Er studierte Automobildesign an der Schule für angewandte Künste in Turin und im Art Center College of Design im Kanton Waadt.
Bereits 1986 flammte seine Leidenschaft für nachhaltige Mobilität auf. Damals nahm er als junger Student an der "Tour de Sol" teil, einem Rennen für Fahrzeuge mit Solarantrieb in der Schweiz.
1987 gründete er das Ingenieur- und Design-Unternehmen "Protoscar" mit Sitz im Kanton Tessin, das sich auf die Entwicklung von Ökomobilen und alternativen Antriebsarten spezialisierte.
Von 1994 bis 2001 war Piffaretti Direktor von VEL1 in Mendrisio, einem Pilotprojekt der Eidgenossenschaft, um 400 Elektrofahrzeuge in einer Gemeinde von 10'000 Einwohnern in Betrieb zu nehmen. Seit 2012 ist er Direktor von Infovel, einem Kompetenzzentrum des Kantons Tessin für nachhaltige Mobilität.
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