Wir beantworten Leserfragen zu schrägen Schweiz-Klischees
Ist das wirklich wahr? Wir fragten unsere Leser und Leserinnen, ob sie etwas Komisches über die Schweiz gehört haben, das sie von uns überprüft haben möchten. Hier einige Antworten auf die lustigsten Fragen.
Stimmt es, dass man das Rezept für Fondue kennen muss, um die Einbürgerungsprüfung zu bestehen? – Heather
Das stimmt nicht. Zwar gehört zum Einbürgerungsverfahren in den meisten Gemeinden eine Art Test über das Allgemeinwissen sowie ein Gespräch darüber, warum jemand Schweizer oder Schweizerin werden will.
Mehr
Faktencheck von swissinfo.ch: So gehen wir vor
Doch eine einzelne falsche Antwort führt nicht zur Disqualifizierung. In Bern beispielsweise braucht man beim EinbürgerungstestExterner Link 60% richtige Antworten.
Manchmal hört man von Extremfällen. Zum Beispiel wurde ein amerikanischer Professor, der seit über 40 Jahren in der Schweiz lebt, die Sprache spricht und drei Kinder grossgezogen hat, nicht eingebürgert.
Ein weiterer Fall – auf den Sie sich mit Ihrer Frage möglicherweise beziehen – betrifft einen britischen Unternehmer, der laut MedienberichtenExterner Link durch den Einbürgerungstest fiel, weil er nicht wusste, aus welchem Kanton Raclette stammt.
Wie sich herausstellte, wusste er noch ein paar weitere Dinge nicht, so dass das lokale Einbürgerungskomitee zum Schluss kam, er sei «nicht mit den Schweizer Lebensgewohnheiten, Bräuchen und Traditionen vertraut». Im zweiten Anlauf bestand der Brite den Test.
Mir wurde gesagt, wenn ich in der Schweiz einen Schrebergarten miete, darf ich sonntags nicht darauf arbeiten. Stimmt das? – Deborah
Es kommt darauf an, was Sie unter «Arbeit» verstehen. Die meisten Schrebergärten haben «Hausregeln» über Abfall, Lärm und Grillieren. Zu den Regeln gehört meist, dass an Sonn- und Feiertagen sowie abends gewisse Maschinen nicht benutzt werden dürfen. Aber ein bisschen Jäten und Giessen sollte in Ordnung sein.
Mehr
Meine kleine Parzelle
Externer LinkIst es wahr, dass Knorr ursprünglich deutsch und nicht schweizerisch ist? – Rita
Ja, das stimmt. Viele Schweizer und Schweizerinnen empfinden «Knorrli» und Aromat als etwas Schweizerisches. Aber das Unternehmen Knorr, ein Hersteller von pulverförmigen Lebensmitteln, Suppen und Brühwürfeln, wurde von einem Deutschen gegründet: Carl Heinrich Theodor Knorr (1800-1875) gründete das Unternehmen 1838 in Heilbronn, einer deutschen Stadt, in der sich noch heute der Hauptsitz des Unternehmens befindet.
Um hohe Zölle zu vermeiden, baute Knorr 1907 eine Fabrik in Thayngen, direkt hinter der Grenze zu Deutschland im Kanton Schaffhausen. Nach dem Krieg konzentrierte sich die Schweizer Fabrik auf den Schweizer Markt und lancierte Hits wie Aromat 1953 und Stocki Instant-Kartoffelpüree 1960. Man kann also sagen: Auch wenn die Ursprünge von Knorr zu 100% deutsch sind, wurden bestimmte Produkte in der Schweiz erfunden.
Stimmt es, dass es in der Schweiz nicht möglich ist, nur ein einziges Meerschweinchen zu kaufen? – Vanessa Bradley
Natürlich kann man in der Schweiz ein einzelnes Meerschweinchen kaufen – sie kommen nicht im Multipack. Aber: Laut Bundesamt für VeterinärwesenExterner Link fühlen sich Meerschweinchen als soziale Tiere nur in Gruppen von zwei oder mehr Tieren wohl. Deshalb dürfen Meerschweinchen – wie gemäss TierschutzverordnungExterner Link viele andere Tierarten – nicht allein gehalten werden.
Stimmt es, dass Toilettenspülungen nach 22 Uhr nicht mehr betätigt werden dürfen? – Bhargav Bhatt
Dieses Gerücht hält sich hartnäckig. Aber es stimmt nicht. Zwar gilt «Nachtruhe», es darf also bloss in Zimmerlautstärke Lärm gemacht werden. Staubsaugen in der Nacht und sonntags ist nicht erlaubt. Auf die Toilette gehen dürfen Sie aber immer.
Gibt es wirklich ein grosses Goldlager unter dem Busbahnhof Lugano? – Paul Alvarez
Das ist mir neu. Wo haben Sie das gehört? Um einen Grossandrang am Luganer Busbahnhof zu vermeiden, stemple ich diese Aussage als FALSCH.
Ich habe gehört, dass Schweizer Tunnels mit Sprengstoff beladen sind, damit sie im Fall einer Invasion schnell geschlossen werden können. – Phil Miller
Im 19. Jahrhundert platzierten die Schweizer tatsächlich Sprengstoff an strategisch wichtigen Orten entlang der Grenzen und wichtigen Transportwege. Während des Zweiten Weltkriegs verstärkte die Schweiz diese Massnahmen; ebenso während des Kalten Krieges.
Bis zu 2000 mit Sprengstoff versehene Strukturen wurden bei Brücken, Tunneln, Strassen und Landebahnen platziert. Als 2001 ein Brand im Gotthard-Tunnel ausbrach, stellte sich heraus, dass mehrere Tonnen Sprengstoff unter den Autobahnspuren gelagert wurden.
Unnötig zu erwähnen, dass das einige Sicherheitsfragen aufwirft. Im November 2014 gab die Schweizer Armee zu, dass noch immer Sprengstoffhaufen versteckt sind und diese bis Ende Monat entfernt würden. Auf Anfrage von swissinfo.ch teilt die Schweizer Armee mit: «Alle Sprengsätze sind inzwischen entschärft worden.»
Sind die meisten Schweizer und Schweizerinnen reich?
Das Klischee der reichen Schweiz hält sich hartnäckig. Kein Wunder: Die Schweizer haben nach den USAExterner Link die grössten Vermögen pro KopfExterner Link. Die Schweiz hat auch eine der höchsten Millionärsdichten. Aber natürlich leben auch in der Schweiz Menschen, die kein Vermögen besitzen.
Vermögen und Einkommen sind in der Schweiz ungleich verteilt. Laut Bundesamt für StatistikExterner Link waren 2017 in der Schweiz 8,2% der ständigen Wohnbevölkerung von Einkommensarmut betroffen. Dies entspricht rund 675‘000 Personen. 57.5% gehören zum Mittelstand. Die Lebenshaltungskosten in der Schweiz sind hoch, so dass die im internationalen Vergleich hohen Einkommen bei manchen gerade mal reichen, um über die Runden zu kommen.
Dieser Artikel ist Teil einer laufenden Reihe von Faktenchecks, die auf Vorschläge und Fragen aus unserer Leserschaft zurückgehen. Wenn Sie etwas über die Schweiz und ihre Bevölkerung gehört haben, das wir unter die Lupe nehmen sollten, kontaktieren Sie uns, indem Sie auf den unten stehenden Link klicken.
Mehr
Haben Sie etwas über die Schweiz gehört, das Sie von uns überprüfen lassen möchten?
(Übertragung aus dem Englischen: Sibilla Bondolfi)
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch