Friedensforschung hier – Friedensstiftung dort
An der World-Peace-Academy in Basel werden junge Menschen zumeist aus Krisenregionen in Konfliktbewältigung und Friedensarbeit ausgebildet. Nach dem Nachdiplom-Studiengang sollen sie ihr Wissen in ihrer Heimat umsetzen.
Nadia Ahmadou aus Kamerun ist eine von 35 Studierenden an der vor kurzem gegründeten Friedensakademie. Bevor die westafrikanische Studentin nach Basel kam, arbeitete sie am Institute for Security Studies in Südafrika, wo sie sich mit Politikanalyse von Konfliktländern in Zentralafrika befasste.
«Ich hielt Ausschau nach einem Nachdiplom-Programm im Bereich Konfliktlösung und stiess dabei auf die WPA in Basel, die als eines der wenigen Institute ein solches anbietet», begründet Nadia Ahmadou ihre Wahl gegenüber swissinfo.ch.
«Man studiert hier nicht mit Leuten zusammen, die aus einer Schule kommen, sondern mit Menschen, die Peaceworkers, Friedensarbeiter, waren. Das ist eine andere Studienatmosphäre. Es sind Leute mit verschiedenen Hintergründen – ein spannender Mix», schwärmt die westafrikanische Studentin.
Schweizer erst noch kennenlernen
Eine interessante Atmosphäre allein genüge aber nicht. «Wenn man an der WPA etwas lernen will, muss man individuell motiviert sein», betont sie. «Es ist hier nicht wie an einer klassischen Schule, wo einem alles gesagt wird, was man lernen muss.»
Nadia Ahmadou studiert seit Anfang März an der WPA in Basel. In dieser kurzen Zeit kam sie noch nicht viel mit Schweizerinnen und Schweizern zusammen. «Die Schweiz? Ich kenne eigentlich fast nur Leute, die nicht Schweizer sind. Fragen Sie mich erst in einigen Monaten, welchen Eindruck ich von den Schweizern habe, ich muss sie erst noch kennen lernen», lacht Nadia Ahmadou.
Zurück nach Afrika
Nach Abschluss des neunmonatigen Nachdiplom-Studiengangs an der WPA in Basel will Nadia Ahmadou noch ihr Ph.D., Doktorat, machen. Erst wenn sie ihr Studium abgeschlossen hat, will sie zurück nach Afrika gehen.
«Es muss nicht Kamerun, mein Land, sein. Es kann irgend ein afrikanisches Land sein», sagt sie. «Dort will ich das umsetzen, was ich hier in der Schweiz gelernt habe: Mediation und Peacebuilding, Friedensförderung.»
Auch Schweizer Studenten
«Wir haben zur Zeit 35 Studenten aus 25 Ländern. Sie kommen aus der ganzen Welt, aus Kolumbien, aus Mexiko, aus Brasilien, aus afrikanischen Ländern, aus Osteuropa, aus Asien», sagt der 54-jährige Pierre Brunner, Gründer der WPA.
«Wir sind hier wirklich eine multikulturelle Gesellschaft. Das Angebot gilt aber auch für Schweizer. Wir haben fünf junge Schweizer Studierende», so Brunner gegenüber swissinfo.ch.
Einer von ihnen ist Daniel Burns – mit multikulturellen Wurzeln: Sein Vater ist Engländer, seine Mutter Deutsche, sie wanderten vor 30 Jahren in die Schweiz ein.
IKRK-Delegierter als Vorbild
«Meine Motivation für Friedensarbeit begann schon in meiner Kindheit. Der Vater eines Freundes von mir war IKRK-Delegierter. Er hat uns immer wieder Geschichten erzählt über seine Missionen. Er war überall auf der Welt tätig, vor allem in Afrika: Gefangenenaustausch, Aufklärung über Minen und Krankheiten. Er wurde schnell zu meinem Idol, und ist es heute noch», sagt Daniel Burns gegenüber swissinfo.ch.
Der Schweizer Student, der einen Bachelor in Islamwissenschaften sowie Sozialarbeit und Sozialpolitik hat, sieht es als seine Pflicht, etwas zu einem besseren Leben der Menschen in der südlichen Hemisphäre beizutragen. «Die strukturelle Gewalt – Armut, Korruption, Krankheit, Hunger, Konflikte – im Süden hat etwas zu tun mit unserem hiesigen Lebensstil.»
Eine Inspirationsquelle
Daniel Burns schätzt an der WPA in erster Linie den Austausch mit den Studierenden, die Zusammenarbeit, das Zusammensein mit Leuten aus aller Welt, die im gleichen Bereich tätig sind – «eine tolle Erfahrung».
Dann das System mit Gastdozenten, jede Woche eine neue Person. Das seien meistens Top-Experten, wie zum Beispiel der norwegische Friedensforscher Johan Galtung. «Bei ihnen spürt man die Passion. Sie vermitteln nicht nur wichtiges Wissen, sie bringen auch viel Energie – eine Inspirationsquelle», so der Schweizer Student.
Ob Daniel Burns nach dem Studium Friedensarbeit im Ausland oder in der Schweiz machen wird, «das steht noch in den Sternen». Derzeit arbeitet er für die Schweizerische Flüchtlingshilfe mit Asylsuchenden und könnte sich vorstellen, auch später in diesem Bereich tätig zu sein. «Aber IKRK-Delegierter ist immer noch mein Traum.»
Eine längere Geschichte
Die Idee der WPA habe eine längere Geschichte, sagt Gründer Pierre Brunner. «Sie fing vor etwa 13 Jahren an, als meine Frau Catherine und ich Costa Rica und die University for Peace besucht haben. Dort entstand die Idee, auch in der Schweiz eine Friedensuniversität zu eröffnen.»
Sie hätten sich gedacht, die Schweiz sei ein Land mit einer langen humanitären Tradition, und es wäre schön, «wenn wir Menschen aus der ganzen Welt für Friedens- und Konfliktstudien zu uns in die Schweiz einladen könnten».
Das Bedürfnis nach Friedensstudien sei sehr gross. «Wir sind froh darüber und hoffen, dass wir in Zukunft viele Menschen in diesem Bereich ausbilden können», so Brunner.
Persönliche Bereicherung
Für Brunner ist wichtig, dass die WPA mit jedem Studenten, jeder Studentin eine Abmachung trifft, wonach sie nach dem Studium in ihr Land zurückgehen sollten, «um das hier theoretisch Gelernte in ihrem Land praktisch umzusetzen».
Die Arbeit mit den Studierenden an der WPA bringt Pierre Brunner persönlich viel: Der Kontakt mit so vielen Menschen mit unterschiedlichen Kulturen und Religionen, der Austausch, der Dialog mit ihnen.
«Sie erzählen mir Sachen, von denen ich keine Ahnung hatte. Es ist also nicht so, dass wir diese Leute einfach nur ausbilden, sondern sie lehren auch uns. Es ist ein gegenseitiger Austausch, alle profitieren davon.»
Der erste Studiengang an der World Peace Academy, der am 1. März 2010 begonnen hat, ist ein akademischer Lehrgang. Das heisst, er ist zertifiziert von der Universität Basel und begleitet vom Advanced Study Center von der Universität Basel.
Es ist eigentlich ein Angebot des Advanced Stuty Centers der Universität Basel, das von der WPA praktisch umgesetzt wird.
Die Studenten können einen Abschluss machen, einen Master of Advanced Studies in Peace and Conflict Transformation.
Die Voraussetzung dazu ist ein Bachelor, wobei es nicht wichtig ist, wo dieser gemacht worden ist. Der WPA-Studiengang dauert neun Monate, ist intensiv, am Stück und in englischer Sprache.
Der grösste Teil der WPA-Studenten stammt aus ärmeren Ländern. Sie sind zwar gut qualifiziert, aber es fehlt ihnen an Geld, um das Studium aus eigener Tasche finanzieren zu können.
Der neunmonatige Studiengang kostet 15’000 Franken, hinzu kommen nochmals rund 15’000 Franken für die Lebenskosten in Basel.
Die WPA hofft deshalb, dass noch Sponsoren gefunden werden können, die sich bereit erklären, das eine oder andere Stipendium zu vergeben.
Das Jahresbudget der WPA beträgt 500’000 Franken.
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